Jörg Meißner ist seit 1. März Direktor des Museums für Franken als Nachfolger von Erich Schneider. Damit ist eine der beiden Personalien auf der Würzburger Festung geklärt. Auch die Besetzung der Stelle der Stellvertretung soll zügig angegangen werden. In einem ersten Interview verrät Meißner, wie er von Mainz nach Würzburg kam, was ihn an der Würzburger Sammlung begeistert, wo er noch Potenziale sieht und warum er keine Angst vor einer zehnjährigen Baustelle hat.
Jörg Meißner: Ich bin 53.
Meißner: (lacht) Das hoffe ich sehr. Da ist sogar noch ein bisschen Spielraum. Aber ich habe das gar nicht nachgerechnet. Ich fand nur die Stelle und die Aufgabe super.
Meißner: Von der Stadt noch viel zu wenig. Ich kenne Würzburg von früher, aber das ist lange her. Wir haben oft Familienurlaub in Franken gemacht. Von der Sammlung bin ich begeistert, darin liegt ein Riesen-Potenzial. Aber im ganzen Umfang ist sie mir natürlich noch gar nicht bekannt. Ich kenne das, was die Besucher im Museum kennen.
Meißner: Ja, immer wieder, Riemenschneider natürlich. Mein Schwerpunkt ist allerdings die Klassische Moderne ab 1900. Auch das 19. Jahrhundert hat mich lange beschäftigt, mit Industrialisierung, Sozialgeschichte, Kunst- und Kulturgeschichte. Ich habe mein Volontariat im Deutschen Historischen Museum in Berlin gemacht und hatte die Chance, aus den riesigen Beständen heraus Ausstellungsthemen zu entwickeln. Da war ich unter anderem Kurator der Ausstellung "Strategien der Werbekunst" mit einem Zeitfenster von 1850 bis 1933. In der Zeit hat sich viel bewegt. Das ist einer meiner Schwerpunkte: Grafik, Strategien, Vermarktungstechniken. So kam es, dass ich am Gutenberg-Museum in Mainz Leiter der Abteilung Presse, Druck- und Zeitungsgeschichte wurde.
Meißner: Das gibt's. Aber an dieser Stelle muss ich sagen, die Vorbereitung für die Person, die hier weitermacht, also in dem Fall ich, ist wunderbar. Herr Dr. Schneider und Frau Dr. Lichte (Erich Schneider und Claudia Lichte, Direktor und stellvertretende Direktorin des Museums, die beide seit Kurzem im Ruhestand sind, Red.) haben so ausführlich am Konzept gearbeitet, dass jetzt ein großer Fundus da ist, der für die kommende Dauerausstellung trägt. Es ist ja schon ein Großteil der Objekte festgelegt, das gibt mir Rückhalt. Trotzdem gibt es Bereiche, wo wir nachschieben können.
Meißner: Das hängt mit den historischen Lücken zusammen, eben 19. Jahrhundert und Gegenwart. Aber auch der Fokus auf die drei fränkischen Bezirke insgesamt und die Würzburger Stadtgeschichte – da kann man mehr in die Jetztzeit kommen und Themen anreißen, die einen roten Faden in der Stadtentwicklung bilden. Da würde ich gerne noch eine andere Perspektive zeigen.
Meißner: Auch, ja. Ich denke da mehrgleisig. Es geht immer darum, Geschichten zu den Objekten zu erzählen. Zum Beispiel, wie sie ins Museum kamen. Da sind viele unterschiedliche Perspektiven denkbar, immer ausgehend vom Objekt selbst. Die Riemenschneider-Skulpturen haben natürlich künstlerisch eine große Aussagekraft, sind aber auch sozialgeschichtlich interessant. Dass man immer auch schaut: Was war in dieser Zeit eigentlich los? Oder machtpolitisch: Wer ist denn der Auftraggeber? Ich würde auf das Altbekannte setzen, das ist unser Fundus. Aber ich würde das modulartig durch heutige Fragestellungen ergänzen. Und dabei auch mal gegen den Strich bürsten.
Meißner: Auch hier gefällt mir die Mehrgleisigkeit zwischen Analogem und Digitalem. Zunächst spricht das Objekt, und das ist analog. Es geht darum, funktionierende digitale Formate zu entwickeln, aber die Aura des Originals bleibt weiterhin bestehen.
Meißner: Die Schirn fällt mir als erstes Beispiel auch ein. Ich glaube, viele Museen versuchen schon, Schritt zu halten, überlegen sich, wie sie den negativen Zustand der Einschränkungen für positive Entwicklungen nutzen. Das ist nicht ganz so leicht, weil viele erst den technischen Apparat aufbauen müssen. Die Entwicklung von neuen Formaten braucht Zeit, und am Anfang der Pandemie haben alle gedacht: Naja, das geht vorüber.
Meißner: Nein. Absolut nicht. Ein großer Punkt sind Fake News. So kritisch die Entwicklung ist, sie macht auf zentrale Punkte aufmerksam: Was ist wahr, was ist falsch? Und genau das ist die Aufgabe der Nachricht. Nicht nur: Was interessiert populär? Sondern: Was stimmt denn daran und wieso? Dass man bei den Inhalten bleibt – das wird es immer geben. Nur die Form der Vermittlung und Verbreitung, die ändert sich natürlich.
Meißner: (lacht) Das wird sicherlich kommen. Die Abläufe wurden ja vor meiner Zeit geplant und sind alle bestens vorbereitet. Natürlich wird es, wie bei jedem Projekt, Abstimmungsbedarf geben, Diskussionen, vielleicht auch Überraschungen. Aber ich bin ein positiv denkender Mensch und insofern ganz gelassen.
Meißner: Natürlich zielen wir ab auf eine bessere Erreichbarkeit. 2019 gab es ein Symposium, da wurde auf vergleichbare Orte eingegangen, etwa die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Da gibt es eine Seilbahn, das könnte hier auch funktionieren. Aber das ist dort auch nicht einfach so entstanden. Das war ein langer Prozess. Diese Geduld muss man auch hier mitbringen. Man muss sehen, was machbar ist – auch aus denkmalpflegerischen Erwägungen –, und man wird Kompromisse eingehen. Hier sind unglaublich viele Partner mit im Boot, da will ich erstmal die Fäden aufnehmen.
Meißner: Im Moment sehe ich das nicht. Natürlich gibt es Befürchtungen, dass – mal wieder – besonders im Kulturbereich gespart wird. Aber ich glaube, dass man in der Pandemie auf die große Not in diesem Bereich aufmerksam gemacht hat. Und dass man erkennt, wie wichtig er ist und dass man da nicht einfach darüber hinwegsparen kann. Es geht nicht ohne Kultur.