Die neue Tanzcompagnie am Mainfranken Theater unter der Leitung von Dominique Dumais und Kevin O'Day hat ihre erste Saison absolviert. Kurz vor dem Start in die Theaterferien zogen Katherina Nakui und Marcel Casablanca aus dem Ensemble im Gespräch Bilanz über die ersten Schritte als neue Company, die Entstehung eines Gruppengefühls und die unverhofft politische Dimension ihrer Arbeit.
Katherina Nakui: Es ist sehr anders. Auch, weil alle zwölf Tänzer hier neu sind. Manche haben zuvor schon mit Kevin O'Day und Dominique Dumais in Mannheim gearbeitet, aber für uns alle ist es eine neue Stadt, eine neue Gegend, ein neues Theater. Ein riesen Neubeginn für uns alle.
Marcel Casablanca: Und jede Menge Arbeit. Die neue Leitung wollte die neue Company präsentieren, deshalb hatten wir sehr viele Vorstellungen. So viel bin ich, glaube ich, in einer Saison noch nie aufgetreten.
Nakui: Das stimmt – wir sind ja auch eine kleine Gruppe.
Casablanca: Da ist sehr viel Gemeinsamkeit. Einerseits haben wir sehr viel Entfaltungsraum auf der Bühne, das ist sehr schön. Das bedeutet aber auch eine Menge Verantwortung für jeden.
Nakui: Das hängt davon ab, wie der bisherige Weg der einzelnen Tänzer aussieht. Aber es trägt jeder das bei, was er als Individuum und Künstler mitbringt. Wir alle haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, also lernen wir voneinander. Und das künstlerische Team verlangt einiges an Offenheit, Kreativität und Vertrauen von uns. Dabei suchen sie nach der Individualität in jedem Einzelnen. So entsteht ein Pool aus Ideen.
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Nakui: Beides, glaube ich, es ist eine Mischung.
Casablanca: Ich arbeite lieber so – wenn Tänzer und Choreograf beide Teil des kreativen Prozesses sind. Aber es bedeutet, dass man nicht nur ausführt, sondern auch aufgerufen ist, Vorschläge zu machen.
Nakui: Hart kann es werden, wenn zwei oder drei Produktionen gleichzeitig laufen. Das heißt, wir müssen einerseits auf uns achten, damit wir auftreten können, andererseits immer offen sein, neue Ideen anzunehmen oder welche zu entwickeln. Man hat nie das Gefühl, dass die Zeit reicht. Und wenn das Stück fertig ist, geht die Arbeit daran weiter. Es kann immer wieder verändert werden, neue Leute werden das Stück tanzen, das dann für sie neu geformt werden muss, weil die Energie eine andere ist.
Casablanca: Ich habe früher schon in solchen Gruppen gearbeitet, aber da war es oft so, dass der Choreograf trotz der individuellen Unterschiede am Schluss doch wollte, dass alle gleich sind. Hier müssen wir hin und wieder auch als Team arbeiten, aber meist tanzt eben jeder so, wie es seiner Persönlichkeit entspricht.
Nakui: Mit Dominique trainieren wir eine Technik, die sich Axis Syllabus nennt. Sie hilft uns, unsere Körper zu erkunden, herauszubekommen, wie jeder einzelne Körper beschaffen ist. Das ist die gemeinsame Basis. Wir alle haben ja unterschiedliche Hintergründe, manchen kommen von der klassischen Ausbildung, andere von der modernen.
Casablanca: Ja, da ist eine schöne Energie, ein richtig gutes Verstehen, große Offenheit. Vielleicht hilft es, dass wir alle so unterschiedlich sind, so haben sich keine Grüppchen gebildet.
Nakui: Seit der ersten Produktion ist so viel gewachsen, nicht nur beim Tanz selbst, sondern auch in der Company. Wenn wir jetzt etwas erreichen wollen, wissen wir, wie wir gemeinsam vorgehen müssen.
Casablanca: In Deutschland hat das moderne Tanztheater viele Spuren hinterlassen, deshalb sind theatralische Elemente ziemlich verbreitet. Ich finde das interessant, ich bin glücklich, das machen zu können. Es kann aber auch einschüchternd sein, weil wir es als Tänzer ja nicht gelernt haben.
Nakui: Man tappt da mit verbundenen Augen rein, deshalb ist es schön, dass wir uns hier mit anderen Leuten austauschen können. Bei der Produktion "King Arthur", an der alle Sparten teilgenommen haben, sind wir in Kontakt mit den Schauspielern gekommen. Und wenn ich blockiert war und keine Ahnung hatte, wie ich auf der Bühne sprechen sollte, waren sie da um zu helfen.
Nakui: Ich kannte Würzburg vorher nicht. Ich war zuvor in Mannheim und dann in Osnabrück. Ich fand es toll, nach Würzburg zu kommen, es gibt einen Fluss und Berge. Ich komme aus Vancouver in Kanada, wo wir eine unbegrenzte Menge an Bergen haben. Ich genieße hier, dass man auch mal bergauf gehen muss und nicht alles nur plattes Land ist wie in Osnabrück.
Casablanca: Ich kam zuletzt aus Gießen. Das ist nicht so viel anders, aber dort gibt es zum Beispiel weit weniger interessante Gebäude. Hier gibt es so viele schöne Flecken.
Nakui: Für mich ist es das Mainufer. Dort entlang gehen oder einfach nur dasitzen.
Casablanca: Es gibt da einen Platz im Ringpark mit Magnolien und einem kleinen See.
Nakui: Ich kenne nicht viele echte Würzburger, aber im Theater habe ich mich sehr willkommen gefühlt. In der Regel ist es aber draußen leichter, wenn man ein bisschen Deutsch kann. Sonst ist da einfach die Sprachbarriere.
Nakui: Ja, das ist besonders. Ich habe mir jede Menge Youtube-Videos mit Fränkisch angeschaut und immer wieder gedacht: Ist das wirklich Deutsch? Es ist echt schwierig mit dem Rrrrrr und den verschluckten Silben.
Casablanca: Das Rrrrr ist eher was für mich als Spanier...
Casablanca: Ja. Inzwischen haben wir beide schöne Wohnungen. Aber ich habe so viele Mails geschrieben, und dann kamen so viele Leute zur Wohnungsbesichtigung. Wir haben ja Ein-Jahres-Verträge und können nicht versprechen, dass wir länger bleiben. Darüber waren viele Vermieter nicht so glücklich.
Nakui: Ich glaube, dass das Theater eine Stimme hat. Warum also nicht unterschiedliche Sichtweisen vermitteln? Es geht vielleicht nicht so sehr darum, sich zu speziellen Vorkommnissen zu äußern, aber zum Beispiel in der Produktion "Muttersprache" steckt sehr viel, wofür wir als Menschen stehen. Unsere Aufgabe ist es, die Botschaften des künstlerischen Teams umzusetzen. Und eine davon in diesem Stück wäre, dass wir als Individuen alle von unterschiedlichen Orten stammen, die Schritte vorwärts machen wir aber alle gemeinsam.
Casablanca: Ich glaube, das Stück ist nicht ausdrücklich politisch gemeint. In Dominiques Arbeit geht es viel um menschliche Verbindungen. Die Art, wie wir miteinander umgehen. Allein deshalb können diese Positionen in Konflikt mit bestimmten politischen Ansichten geraten. Und sind deshalb eben doch politisch.