Wenn man Günter Huth fragt, wieviel Günter Huth in seinem Krimihelden Erich Rottmann steckt, antwortet er so prosaisch, wie man es auch vom knarzigen Rottmann erwarten würde: "Ich esse wie er gern Leberkäs und trinke gern Schoppen. Ich trinke im Gegensatz zu ihm aber selten Schoppen zu Leberkäs." Die Figur sei eine Melange aus mehreren Vorbildern. "Seine ruppige Art habe ich gelegentlich auch. Aber nicht so extrem."
Der Würzburger Günter Huth, Jahrgang 1949, Jurist und bis zu seiner Pensionierung Geschäftsleiter des Amtsgerichts Gemünden, ist so etwas wie der Vater der unterfränkischen Regionalkrimis. Seit 2003 ermittelt sein Schoppenfetzer Erich Rottmann auf eigene Faust Fall um Fall. Rottmann ist schon in Band 1 als Leiter der Mordkommission pensioniert, er müsste also inzwischen Anfang 80 sein, doch er ist, wie sein Hund Öchsle, alterslos.
Günter Huth hat seit 1975 über 45 Bücher veröffentlicht – Kinder- und Jugendbücher ebenso wie Sachbücher aus dem Hunde- und Jagdbereich. Neben der Schoppenfetzer-Reihe gibt es eine Spessart-Thriller-Reihe mit Oberstaatsanwalt Simon Kerner. Huth: "Da geht es deutlich brutaler zu." Fertig beim Verlag liegt außerdem der erste Band einer neuen, weiteren Thriller-Serie – sie soll im Frühjahr starten. "Das Schreiben ist vom Hobby zum Beruf geworden, anders kann man es nicht sagen."
Jede Woche signiert Günter Huth bis zu 12o Bücher für seine Fans
Die erste Geschichte – "Der Schoppenfetzer und die Silvanerleiche" – war damals ein Versuchsballon. Der Echter Verlag lehnte das Manuskript zunächst ab, es kam im Verlag Peter Hellmund heraus. Hellmund starb 2017, der Schoppenfetzer zog dann doch zu Echter um. Inzwischen ist die 15. Auflage von Band 1 erschienen. Der Verkauf blieb sogar in der Corona-Zeit stabil, obwohl zwei Jahre lang keine Lesungen möglich waren, die gemeinhin als wichtigste Absatzförderung gelten.
Einmal die Woche geht der Autor zu Hugendubel und signiert seine Bücher – immer zwischen 80 und 120 Exemplare. Eine rechte Erklärung für den Erfolg hat auch er nicht. "Ich schreibe das nicht der Großartigkeit meiner Romane zu", sagt er trocken. Er habe aber wohl einen Nerv getroffen: "Da ist zum Beispiel das Lokalkolorit. Leute spazieren mit den Büchern durch Würzburg und klappern die Schauplätze ab."
Der Leserkreis habe sich über die Jahre immer weiter vergrößert. Und verbreitert: "Das ist inzwischen Ü30 bis Ü80." Und international: Meist sind die auswärtigen Leserinnen und Leser Ex-Würzburger oder Menschen mit guten Erinnerungen an die Stadt, etwa aus dem Studium: "Ich staune, was ich für E-Mails bekomme – von Schweden bis Texas." Erstleserin jedes neuen Buches ist übrigens Günter Huths Frau: "Die ist gnadenlos. Und sie mag keine Krimis – das ist ein sehr großer Vorteil. Sie nimmt ein Lineal und liest Zeile für Zeile. Mich würde das wahnsinnig machen."
Als Leser schätzt Günter Huth selbst vor allem knallharte Thriller. Die Schweden zum Beispiel. Die Deutschen nicht so. "Was da für Fehler gemacht werden..." Das stört ihn auch am Franken-"Tatort": "Als Jurist weiß ich, es gibt keine Mordkommission, die in mehreren Regierungsbezirken ermittelt. Das ist Quatsch. Und als Jäger sehe ich, wie unsachgemäß da mit Waffen umgegangen wird."
Sollte Günter Huth je erwogen haben, die Schoppenfetzer-Serie einzustellen, die Kundschaft würde es ihm nicht erlauben. "Wo immer ich zu einer Lesung hinkomme, sitzen Hardcore-Fans im Saal, die schon drauf warten, dass ein neuer Band rauskommt." Also endet jede neue Folge mit ein paar losen Handlungsfäden, die eine Fortsetzung quasi erzwingen. Ideen hat Huth genug, Würzburg mit seinen alten und bei Bedarf geheimnisvollen Bauwerken, seinen Politpossen, seinen Provinzakteuren und nicht zuletzt seiner reichen Geschichte ist unerschöpflich. "Außerdem lese ich sehr genau die Zeitung."
Ein erotisches Abenteuer aus Rottmanns Jugend hat einschneidende Spätfolgen
Im neuesten Band, dem 20., "Der Schoppenfetzer und das Klirren der Ketten", werden nun Handlungs- und Beziehungsfäden aus vielen Jahrzehnten verknüpft: Zum Beispiel, warum Rottmann und seine Langzeit-Bekannte Elvira Stark nie ein Paar geworden sind. Huth erzählt diese Geschichte sonst immer vorab in Lesungen, jetzt hat er sie in Form eines Prologs Schwaz auf Weiß niedergelegt. Und, soviel sei verraten: Das erotische Abenteuer des jungen Rottmann, das Huth in der Rückblende schildert, wird einschneidende Nachwirkungen in der Gegenwart haben.
Die Schlägerei im Hof des Wirtshauses "Goldener Stern" in Rimpar, bei der ein Streithahn per Schulterwurf im Mist landet, hat es tatsächlich gegeben, Günter Huth war einst selbst daran beteiligt. Ob er der Schulterwerfende war oder der Geworfene, lässt er allerdings offen. Nur soviel: "Als junger Kerl habe ich mich öfter mal geschlägert, vor allem, wenn es um Mädchen ging." Und das wirkliche Wirtshaus stand und steht nicht in Rimpar, sondern im Spessart. Wer die auffällig genaue Beschreibung aufmerksam liest, kommt vielleicht drauf, welches es war.
Wieder nutzt Günter Huth seine Heimatstadt nicht nur als vertraute Kulisse, er baut auch jede Menge Anspielungen auf aktuelle Aufreger ein. Den Talavera-Parkgebühren-Knatsch etwa. "Da waren gewisse Spannungen in der Stadt, das habe ich natürlich gnadenlos ausgenutzt", sagt Huth. Im Krimi gehen diese Spannungen so weit, dass Bürgermeister Selig spurlos verschwindet.
Keiner der überzeichnet dargestellten Promis hat sich bisher beschwert
Man muss kein Insider sein, um "Selig" mit "Heilig" zu ersetzen und so das reale Vorbild der Figur zu ermitteln: Klimabürgermeister Martin Heilig, der sich mit einer ungeschickten Äußerung zum Thema Parkprivilegien für Bürgermeister harsche öffentliche Kritik zugezogen hatte. Dass Personen des öffentlichen Lebens mehr oder weniger verschlüsselt auftreten – Altbürgermeister Adi Bauer etwa als Andy Farmer –, gehört zum Spiel. "Ich habe auch schon einige abgemurkst."
Aber trotz des satirischen Tonfalls, mit dem Huth "die Regierenden" auch mal trottelig oder eigennützig darstellt ("eine gewisse Überzeichnung gehört einfach dazu"), hat sich noch niemand beschwert. Im Gegenteil: "Manche fragen mich, wann sie endlich mal vorkommen." Dabei wäre richtiger Ärger eher verkaufsfördernd: "So eine einstweilige Verfügung wäre nicht schlecht. Die könnte man pressemäßig ausschlachten. Aber die schlucken alles."
Günter Huth: "Der Schoppenfetzer und das Klirren der Ketten - Erich Rottmanns zwanzigster Fall", Echter Verlag, 14,90 Euro