Die Aufregung vor Heiligabend, der Duft aus der Küche, die Musik unterm Tannenbaum: Mit dem Weihnachten in Kinderjahren verbinden sich oft unauslöschliche Erinnerungen. Die Redaktion hat mit fünf bekannten Menschen aus Würzburg darüber gesprochen, woran sich erinnern, wenn sie an das Weihnachten in ihrer Kindheit denken.
1. Bernhard Reiser: Endlich Pieselspieler!
"Ich komme aus einem 800-Einwohner-Dorf im Allgäu. Mein Elternhaus befand sich neben dem Haus meiner Großeltern. An Heiligabend kam die ganze Familie mit Onkels und Tanten bei meiner Oma zusammen. Traditionell gingen wir alle um 23 Uhr zur Christmette.
Danach gab es einen Topf voller Würste. Jeder durfte sich bei der Oma seine Lieblingswurst aussuchen. Es gibt ja nicht nur Wienerle, sondern auch Regensburger Würste, Bratwürste oder Weißwürste. Ich habe mir von der Oma immer Regensburger gewünscht. Die sind ein bisschen kürzer als Wienerle, dafür viel dicker. Nach dem Essen wurde noch einmal gesungen, und um Mitternacht kamen dann die Karten auf den Tisch: Dann begann nämlich immer eine Schafkopfrunde.
Als ich zwölf Jahre alt war, war es endlich soweit! Zum ersten Mal durfte ich an der Schafkopfrunde teilnehmen. Ich war der 'Pieselspieler'! Wenn ein Mitspieler zur Toilette musste, sprang ich in dieser Zeit für ihn ein und durfte mit meinen zwölf Jahren zum ersten Mal bis früh um sechs mit den Großen Schafkopf spielen."
Bernhard Reiser (55) ist Sternekoch und betreibt in Würzburg die Restaurants "Reisers am Stein" und "Aifach Reisers".
2. Pia Beckmann: Die geheimnisumwobene Tür
"Mit roten Wangen hüpfte ich im Flur umher. Wie zufällig am Wohnzimmer vorbeihuschend, von dem ich wusste: Die Tür ist verschlossen. Wir spielten leiser als an anderen Tagen, um nicht die kleinste Regung zu verpassen. Sie hätte ja vom Christkind kommen können. Mama und Papa, emsig dabei, ein köstliches Weihnachtsmahl vorzubereiten, tauschten vielsagende Blicke. Wir Kinder putzten uns heraus: Ich trug mein liebstes Kleid, die Jungs weißes Hemd mit Fliege.
Dann plötzlich: Ein zartes Glockenläuten! Wie von Zauberhand öffnete sich die geheimnisumwobene Tür: Eine große, nach Wald duftende, glänzend geschmückte Tanne im Kerzenlicht lag im Wettstreit um das schönste Glitzern mit den Geschenken darunter. Jedes Jahr wieder bekam ich Gänsehaut und hörte mein Herz pochen, vor Ergriffenheit und Freude.
Schließlich stimmten Eltern und Großeltern erlösend das 'Stille Nacht' an; wir Kinder fielen voller Inbrunst ein. Wir trugen dem Christkind zur Ehre Gedichte vor, bevor wir einander 'Frohe Weihnacht' zuriefen und staunten, dass es unsere geheimsten Wünsche erraten hatte. Leider bin ich dem Christkind beim Bescheren nie persönlich begegnet. Noch nicht."
Pia Beckmann (58) war von 2002 bis 2008 Würzburger Oberbürgermeisterin.
3. Wolfgang Weier: Fünf Pfennig fürs Käppele
"Mit Weihnachten verbinde ich wunderschöne Kindheitserlebnisse: Schon Wochen vorher duftete unsere Wohnung nach den Plätzchen, die meine Mutter gebacken hat. An Heiligabend bin ich dann oft mit meiner Oma zum Käppele gewandert, wo sie mir fünf Pfennig in die Hand gedrückt hat, damit ich das Jesuskind in seinem Diorama auf seine Wallfahrt den Nikolausberg hoch schicken konnte.
Wenn wir wieder zu Hause bei meinen Eltern ankamen, war das Wohnzimmer verschlossen, weil mein Vater dem Christkind beim Schmücken des Tannenbaums helfen musste. Durchs Schlüsselloch konnte ich manchmal eine Bewegung oder einen Lichtstrahl entdecken. Die Zeit bis zur Bescherung zog sich wie Kaugummi und auf das Weihnachtsessen hatte ich kaum Appetit.
Dann endlich läutete nach dem Essen ein Glöckchen im Wohnzimmer. Das Fenster stand offen, weil es das Christkind eilig hatte und auch bei anderen Familien noch Päckchen abgeben musste – unser Baum jedoch war festlich geschmückt, darunter lagen viele Geschenke für uns alle und das Engelshaar am Baum war mir Beweis genug, dass das Christkind tatsächlich dagewesen war. Wie gerne wäre ich ihm auch einmal persönlich begegnet…"
Wolfgang Weier (49) ist Geschäftsführer des Stadtmarketings "Würzburg macht Spaß".
4. Margarete Schwarzmann: Das Puppenhaus aus Amerika
"Der Heiligabend begann bei uns mit der Bescherung für die Angestellten unseres Hotels. Für sie haben die Mutti und ich immer Päckchen mit praktischen Dingen, wie Schürzen oder Bettwäsche, gepackt. Danach ging es mit den Großeltern und unserer Tante bei uns weiter.
Mit meinen Schwestern Anneliese und Carola stand ich vor der Wohnzimmertür, bis das Glöckchen läutete. Wir waren immer ganz aufgeregt. Als wir hinein durften, wurde zunächst musiziert. Meine Mutter saß am Klavier, mein Vater spielte Geige, und wir haben gesungen.
Danach gab es die Geschenke. Das waren alles Dinge, die man dringend gebraucht hat, wie zum Beispiel warme Unterwäsche oder Schlafanzüge. Unsere Oma aus Röttingen hat jedes Weihnachten jedem Mädchen ein Silberbesteckteil geschenkt für die Aussteuer. Darüber haben wir uns gefreut. Wir waren ja 1945 ausgebombt gewesen und hatten von null auf anfangen müssen.
In jüngeren Jahren hatten wir noch eine Schildkröt-Puppe 'Gretel', die sich alle Kinder geteilt haben. Kurz vor Weihnachten ist sie immer verschwunden und lag dann mit neuem Kleidchen unterm Christbaum. Einmal habe ich mir eine Babypuppe gewünscht. Bekommen habe ich sie nicht, dafür hatte die 'Gretel' dann einen Babystrampler an. Onkel Hans aus Amerika hat uns Kindern mal ein dreistöckiges Puppenhaus aus Blech mit Puppenmöbeln aus Plastik geschickt. Das war das Highlight, eine richtig tolle Sache!
Nach der Bescherung ging es immer zur Christmette ins Stift Haug. Weihnachten bei uns habe ich bis heute genau im Kopf, es war wunderschön mit dem großen Christbaum, dem glitzernden Lametta und den Sternenwerfern. Alles war wohlig warm, und aus dem Ofen kam der Geruch vom Dampfapfel."
Margarete Schwarzmann (73) war Mitgesellschafterin des Hotels "Stadt Mainz" in der Semmelstraße.
5. Günter Huth, Schriftsteller: Das Christkind hinterm Vorhang
"Das erste Weihnachtsfest, an das ich mich erinnern kann, hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Ich war damals, Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, etwa vier Jahre alt. Wir feierten das Fest bei Onkel und Tante auf dem Land. Natürlich konnte ich es kaum erwarten, bis der große Augenblick gekommen war.
Endlich öffnete sich am Abend die Stubentür und mein Vater verkündete zum Klang einer kleinen Glocke: 'Das Christkind ist da!' Aufgeregt durfte ich an der Hand meiner Mutter in den hellen Schein der vielen Kerzen eintreten. Mit großen Augen bewunderte ich die Pracht des wunderschön geschmückten Tannenbaums. Stumm stand ich und staunte. Da bewegte sich der Vorhang am Fenster und eine Gestalt in einem weißen, langen Kleid erschien. Für mich gab es keinen Zweifel, das war das echte Christkind!
Auf dem Kopf trug es eine Krone aus goldfarbenen Sternen, die im Schein der Flammen glänzten. Ein prägendes Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Heute weiß ich: Das Christkind war meine Cousine."
Günter Huth (72) ist Autor zahlreicher Bücher, darunter die Krimi-Reihe "Der Schoppenfetzer".
Bis hin zu dem Messing-Glöckchen, das die Bescherung eingeläutet hat.
Doch heute hat sich da vieles geändert:
Schon der Tannenbaum sah früher ganz anders aus, als heute: Da gab es noch Lametta, oder sogar das bleihaltige Lametta, das richtig toll ausgesehen hat... War zwar eine Umwelt-Sünde, hat aber wirklich was hergemacht...
Und es gab echte Kerzen am Baum! Das schafft eine ganz andere Atmosphäre, als diese LED-Lichterketten heute...
Unser Kompromiss war damals, dass wir beides hatten: Echte Kerzen für Heilig-Abend, und eine elektrische Beleuchtung für die Zeit danach.
Das Abend-Essen am 24.: Das war immer eher ein einfacheres: Bratwürste, oder Wienerle mit Kartoffelsalat... Heute wird schon an Heilig-Abend aufgetischt, als gäbe es kein Morgen mehr...
Ich bin in der Leistenstraße aufgewachsen. Und da war es auch echt ein Highlight, wenn wir eine weiße Weihnacht hatten, und zum Käppele hochgelaufen sind...