"Rufen Sie einfach an, ich habe Zeit", stimmt Sebastian Reich dem Telefoninterview schnell zu. Auch dem Bauchredner hat das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Anstatt auf der Bühne vor lachendem Publikum zu stehen, musste er seine Auftritte verschieben und versorgt nun seine über 52 000 Fans auf Facebook mit kurzen Videos aus dem heimischen Wohnzimmer. Im Interview erklärt der 36-Jährige aus dem Landkreis Würzburg, warum er manchmal an der Menschheit zweifelt, es vielleicht bald die sprechende Klopapierrolle gibt und auch Comedian ein systemrelevanter Beruf sein kann.
Sebastian Reich: Ja, ich lache täglich. In dieser schwierigen Zeit darf man trotzdem lachen, oder man muss es sogar. Zwar nicht wegen des Coronavirus, aber es gibt ja durchaus noch andere Dinge im Leben, über die man lachen kann.
Reich: Zum einen vom Publikum und zum anderen davon, dass die Veranstaltungen auch stattfinden. Auftritte bei Firmen wurden für die nächsten Wochen alle abgesagt, meine öffentlichen Tourneetermine wurden verschoben. Wobei wir anfangs gar nicht wussten, auf wann. Es ist nicht absehbar, wie lange die Situation anhält.
Reich: Nein, es ist definitiv eine Situation, mit der ich so nicht gerechnet habe. Vor zwei Wochen habe ich noch darüber geschmunzelt und die Aufregung ein bisschen belächelt. Den Ernst der Lage hat man aber jetzt sehr schnell erkannt.
Reich: Das ist definitiv praktisch. Wobei aber jeder Einzelne in der Pflicht ist. Wenn ich auf einer öffentlichen Toilette bin und jemand an mir vorbeiläuft, ohne sich die Hände zu waschen, habe ich mittlerweile keine Scheu mehr, denjenigen direkt anzusprechen und höflich darauf hinzuweisen. Wir leben gerade in einer Zeit, in der jeder gut beraten wäre, Rücksicht zu nehmen.
Reich: Ja. Ich verstehe, dass es gerade bei schönem Wetter nicht einfach ist, mit Kindern zuhause zu bleiben. Aber man kann mit ihnen in den Wald gehen. Es muss nicht sein, dass man auf den vollen Spielplatz geht oder über Zäune klettert, wenn dieser abgeschlossen ist. Da zweifle ich so langsam ein bisschen an der Menschheit.
Reich: Prinzipiell bin ich ein sehr optimistischer Mensch. Ich versuche immer aus jeder Situation das Positive herauszuziehen. Und man muss auch erwähnen, dass der Großteil die Situation auch begriffen hat. Und wir vor allem auch gerade Positives erfahren.
Reich: Wir erleben eine Welle der Hilfsbereitschaft. Die Menschen achten auf den anderen. Ich habe meine Nachbarin auch gefragt, ob ich ihr etwas besorgen kann. Das habe ich noch nie gemacht. Aber das hätte ich auch ruhig schon einmal vorher machen können. Und genau um diese Dinge geht es. Man rückt zusammen und das will ich auch auf Facebook vermitteln. Die Situation ist ernst, das ist keine Frage. Aber umso wichtiger ist es, dass wir zusammenhalten.
Reich: Ich bin den ganzen Tag daheim und schreibe brav an meinem Tourprogramm, das hoffentlich im November startet. Es heißt tatsächlich "Verrückte Zeit". Den Titel gibt es aber schon seit einem guten halben Jahr. Dass es jetzt so aktuell wird, wussten wir nicht. Wir erleben gerade eine verrückte Zeit, werden das Thema so nicht im Programm haben. Aber vielleicht gibt es im neuen Programm ja eine sprechende Klorolle.
Reich: Ja, wir haben noch genug Toilettenpapier und wir würden auch aktuell keines kaufen.
Reich: Ich vermisse das unterwegs Sein. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man Samstagabend daheim auf dem Sofa sitzt und weiß, dass man eigentlich auf der Bühne stehen würde. Aber ich habe eine lange To-Do-Liste, die ich abarbeite und zum Beispiel meinen Kleiderschrank aussortiere. Wenn ich die Post wegbringe, mache ich jetzt immer einen kleinen Spaziergang. Es geht uns ja trotzdem noch gut.
Reich: Genau. Wir leben in einer sehr guten Zeit und uns geht es noch gut. Ich glaube, wir müssen da jetzt einfach gemeinsam durch.
Reich: Ja, viele haben es jetzt erst gemerkt, dass wir es gewohnt sind, in den Supermarkt zu gehen und alles zu bekommen. Das ist eben nicht überall so. Das ist jetzt anders. Plötzlich stellt so ein überspitzt formuliert "kleiner Virus", der weder greifbar noch sichtbar ist, unsere Welt auf den Kopf. Bei allem Optimismus regt auch mich das zum Nachdenken an.
Reich: Ja, das ist sogar ganz wichtig. Das merke ich auch bei den Reaktionen auf Facebook. Die Leute freuen sich, wenn sie einmal kurz die Krise vergessen können und etwas zum Lachen haben. Das geht mir ja selbst so. Wir dürfen nicht in Trauer verfallen, das wäre der falsche Weg. Nicht umsonst gibt es den schönen Satz ,Lachen ist die beste Medizin'. Das ist gerade in so einer Situation ganz wichtig.
Reich: Ja, mein Job ist Comedian. Und ich glaube, gerade in dieser Zeit sind wir gefragt, die Leute bei Laune zu halten und ihnen Spaß zu bringen.
Reich: Ja, auf alle Fälle – der lustige Teil ist sicher relevant! Aber es gibt natürlich deutlich systemrelevantere Tätigkeiten. Ob Lkw-Fahrer, Verkäufer, Apotheker oder alle, die in Krankenhäusern arbeiten, ihnen kann man jetzt schon danken. Und wenn man aus dieser Krise etwas Positives ziehen kann, dann, dass sich das Augenmerk deutlich auf das Gesundheitswesen und die Pflege gerichtet hat. Die Bereiche sind in den Vordergrund gerückt und wenn alles überstanden ist, wird es mit Sicherheit Redebedarf geben, wie diese mehr wertgeschätzt werden können.
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