In Zeiten, in denen oft gefordert wird, die Theater müssten offener und komfortabler werden, spielt die Spessartgrotte im Gemündener Ortsteil Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) so etwas wie eine Vorreiterrolle. Und das immerhin seit 37 Jahren: Die Privatbühne mit knapp 100 Zuschauerplätzen befindet sich im ehemaligen Tanzsaal im ersten Stock eines klassischen fränkischen Gasthauses - man sitzt hier unter der namensgebenden Höhlendecke an Tischen mit Kerze und auf Wirthausstühlen, die bei aller Schlichtheit seit jeher auf eines ausgerichtet sind: Behaglichkeit.
Die Vorstellungen beginnen um 20 Uhr, sonntags um 19 Uhr. Es bietet sich an, hier vorab gleich noch was zu essen - auf der Karte steht Schmackhaftes vom Toast Hawaii über Weinnudeln bis hin zum Eisbecher. Das Theater als sogenannter dritter Ort, also als Stätte, in der nicht nur frontale Kunstverabreichung stattfindet, ist hier seit langem Wirklichkeit.
Songs der Beatles lockern das Stück zu einer ziemlich schrägen Nummernrevue auf
Sechs bis acht Neuproduktionen mit ausschließlich professionellen Darstellerinnen und Darstellern stemmt die Spessartgrotte, gefördert unter anderem von Freistaat, Bezirk, Landkreis, Stadt Gemünden, dem Förderverein und der Sparkassenstiftung, in normalen Jahren. Regie führt Gründerin, Besitzerin und Chefin Helga Hartmann, die an Spieltagen abends dann hinter der Theke steht. Noch ist der nachpandemische Betrieb nicht leicht einzuschätzen, sagt sie: "Manchmal ist der Besuch eher schwach, und dann gibt es wieder Tage, da sind wir ausverkauft."
Der Schwerpunkt liegt zwar auf Komödie, im Spielplan kommen aber durchaus auch tiefergehende Stücke über das Leben und die Liebe vor wie "Dinge, die ich sicher weiß" oder "Gut gegen Nordwind". Derzeit läuft "Beatles an Bord", ein Stück des 1965 geborenen Schauspielers und Autors Enrique Keil.
Die Gattungsbezeichnung "Comedycal" trifft es ganz gut: eher Comedy statt Theater, durch die Musiknummern - großteils natürlich Songs der Beatles - an dramaturgisch passenden Stellen aufgelockert zur ziemlich schrägen Nummernrevue. Aus den Zuschauerinnen und Zuschauern werden die Passagiere eines Flugs von Karlstadt nach Paris, die so unvorsichtig waren, ihr Ticket bei der Chaos-Airline Jetbaguette zu buchen.
Das Stück ist dann am lustigsten, wenn Redewendungen verballhornt werden
Doch auch wenn schiefgeht, was schiefgehen kann bis hin zur kollektiven Übung für die Notwasserung - zumindest musikalisch ist der Saal bei den Flugbegleiterinnen Babette (Angela Leupold), Jeanette (Iris Katzer) und Raclette (Andrea Feuchtenberger) bestens aufgehoben. Die Darstellerinnen liefern souverän und dreistimmig Songs aus allen Schaffensphasen der Beatles ab, von "I Want To Hold Your Hand" bis "All You Need Is Love".
Als Flugbegleiterinnen sind sie nach eigener Einschätzung allerdings eher "Flugbegleiterscheinungen", die sich mit penetrantem französischen Akzent durch so ziemlich jedes Stewardessen-Klischee kalauern. Das ist dann am lustigsten, wenn sie deutsche Redewendungen verballhornen. So wird die "Kirchenmaus" über die - Akzent! - "Kirschenmaus" zur "Erdbeermaus". Und die ist nicht arm, sondern tot wie der Kopilot, dessen sterbliche Überreste in den Gepäckfächern stecken.
Angela Leupold, Iris Katzer und Andrea Feuchtenberger tanzen, singen und lästern sich mit der Energie der Verzweiflung und reichlich gruseligem Galgenhumor durch sehr kurzweilige gute zwei Stunden. Dass der Flug dann doch mit einer Notlandung in Langenprozelten und nicht in Paris endet, ist verschmerzbar: man sitzt ja bei Kerzenschein in der behaglichen Spessartgrotte!
"Beatles an Bord" steht bis Ende Juli auf dem Spielplan. Karten: www.spessartgrotte.de oder Tel. (09351) 3415. Die nächsten Premieren: "Schuhe Taschen Männer" (Komödie, 3. März) und "Monsieur Pierre geht online" (2. Juni).