Auf den ersten Blick sieht Star Trek aus wie eine Fabel. Was ja für Science Fiction meistens gilt. In der Fabel ist der Fuchs verschlagen, der Hase flink und der Igel wehrhaft. Bei Star Trek ist der Klingone wehrhaft, der Vulkanier selbstbeherrscht und der Ferengi korrupt.
Und was Captain Kirk und seine Erben da draußen in den längst sprichwörtlichen unendlichen Weiten des Weltalls erleben, das ist natürlich Lehrmaterial für uns am Boden Gebliebene. Das Universum als unerschöpfliche Fundgrube für philosophische Versuchsanordnungen.
Am 8. September 1966, also vor genau 50 Jahren, schickte ein Ex-Bomberpilot und Polizist, der nebenher Drehbücher schrieb, ein paar Leute in engen Schlafanzügen auf eine Mission dorthin, wo kein Mensch je zuvor gewesen war. Dieser Mann, Gene Roddenberry (1921-1991), ein überzeugter Humanist, sollte sich als einer der größten Visionäre der Fernsehgeschichte erweisen. Nach seinem Tod wurde ein Teil seiner Asche in eine Erdumlaufbahn geschossen, die Kapsel verglühte 2004 beim Eintritt in die Atmosphäre.
Roddenberrys Idee war ebenso einfach wie langlebig, immerhin gab sie Stoff für fünf Serien (sechs, wenn man die animierte Version hinzurechnet) und 13 Kinofilme her: Auf der Erde sind soziale Probleme, Krankheiten und Kriege bewältigt, also machen wir uns auf ins All und schauen, was da so geboten ist – nicht als Eroberer, sondern als Forscher und Botschafter.
Andere Sterne, andere Sitten – wir begegnen jeder neuen Zivilisation mit Respekt, egal, wie abstrus uns ihre Ansichten erscheinen mögen. Es liegt uns fern, ihr unsere Werte aufzuzwingen, und das gilt für Demokratie ebenso wie für Kapitalismus. Im Gegenteil: Die oberste Direktive der Sternenflotte verbietet jegliche Einmischung kategorisch.
Das alles war, gelinde gesagt, nicht nur aus der Perspektive des Jahrs 1966 revolutionär. Die Crew des Raumschiffs Enterprise, das immer ein wenig an irgendein fliegendes Haushaltsgerät erinnerte, bestand aus Menschen vieler Nationen und aller Hautfarben – und das in Zeiten des Kalten Krieges, des Vietnamkriegs und der längst nicht bewältigten Rassentrennung.
Die tiefere Mission des Raumschiffs Enterprise war natürlich keine intergalaktische. Sie lautete schlicht: Frieden auf Erden. Die Botschaft war unmissverständlich, aber es dauerte eine Weile, bis sie überhaupt registriert wurde. Denn die erste Star-Trek-Serie, deren Helden Kirk, Spock, Pille, Scotty, Uhura, Sulu und Chekov heute Legende sind, floppte bei der ersten Ausstrahlung von 1966 bis 1969.
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Ob die Botschaft der Toleranz und der Kooperation jemals überhaupt irgendwo ankam, scheint eher fraglich, denn die Erde scheint heute in vielfacher Hinsicht kein besserer Ort zu sein als vor 50 Jahren. Aber so ist das eben mit Fabeln: Sie sind Lehrstücke ohne Gewähr, Angebote an den Einzelnen, sein Leben zu ändern.
Hier kommt die zutiefst humanistische Verfassung von Star Trek ins Spiel, und die geht weit über das Konzept der Fabel hinaus. So sehr Star Trek mit den Schablonen der diversen Spezies arbeitet, so sehr behält jedes Individuum die Möglichkeit, sich persönlich weiterzuentwickeln.
Insofern ist Star Trek vielleicht sogar das Gegenteil einer Fabel: Ein Fuchs wird immer ein Fuchs bleiben, aber bei Star Trek darf (und soll) auch mal der Vulkanier Gefühle zeigen, und der Klingone kann jederzeit sein mitfühlendes Herz entdecken. Und dies wiederum ist eines der unzähligen philosophischen Statements: Egal, wie stark unsere genetische, ethnische, familiäre, kulturelle Disposition sein mag, es gibt ihn, den freien Willen, wir müssen nur von ihm Gebrauch machen.
Star Trek hat also vielleicht nicht die Welt verbessert, wohl aber viele, viele Abende für viele, viele Menschen. Und ein paar von denen haben Kirk & Co. vielleicht sogar zu besseren Menschen gemacht.
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