Betroffenheit, aber keine Panik: Der Anschlag in Berlin ist am Dienstag das Gesprächsthema unter den Besuchern des Schweinfurter Weihnachtsmarkts. Einige haben ein mulmiges Gefühl, die meisten aber wollen sich nicht verunsichern lassen.
„Egal was passiert ist, ich lasse mir das nicht nehmen“, sagt etwa Dominik Übel aus Sennfeld (Lkr. Schweinfurt). Dass man sich nicht mehr vor die Tür traut, sei schließlich genau das, was Terroristen erreichen wollten.
Marktkaufleute können es kaum fassen
In Würzburg können die 122 Marktkaufleute es kaum fassen, was in Berlin passiert ist. Als erste Reaktion verstärkt die Würzburger Polizei ihre Präsenz auf dem Marktplatz. Die Würzburger lassen sich jedenfalls nicht von einem Besuch abhalten. Ein Marktkaufmann: „Es ist normaler Betrieb für einen Werktag.“
In Bad Kissingen hängt Trauerflor an Behörden und Marktbuden. Die Live-Musik ist abbestellt. Die Lautsprecher bleiben am Dienstag stumm. Der Anschlag von Berlin ist auch in der Stadt an der Saale allgegenwärtig, ohne dass Hysterie das öffentliche Leben lähmt. „Ich habe keinerlei Befürchtungen, Bad Kissingen ist zum Glück eine ganz ruhige Stadt“, sagt Besucher Raphael Zehe (22).
Werner Baumeister, der Sprecher der Würzburger Marktkaufleute, schildert die Situation unter seinen Kollegen am Montagabend, als sie von dem Anschlag in Berlin hören: „Wir waren richtig geschockt. Mit so etwas kann doch kein Mensch rechnen. Uns Marktkaufleute trifft es emotional noch härter, weil Kollegen, die wir in Würzburg gut kennen, dort in Berlin ihre Stände aufgebaut haben. Wir hatten daher ganz schnell genaue Nachrichten, was da passiert war.“
Auch die 19-Jährige Eva Liebstückel aus Karlstadt, die am Dienstag mit einer Freundin den Würzburger Weihnachtsmarkt besucht, hat sich sofort informiert, ob ihrem in Berlin lebenden Cousin etwas passiert ist. „Ihm geht es gut, und da ist man dann gleich erleichtert“, sagt sie.
Auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt geht es „normal weiter“
Laut Baumeister geht es normal weiter auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt. Auch das Bühnenprogramm auf dem unteren Markt findet statt. „Wir werden uns dem Terror nicht beugen.“
„Für uns war es wichtig, dass wir ein Signal setzen“, betont in Bad Kissingen Stand-Betreiber Gerhard Moritz. Der Trauerflor und der Verzicht auf Unterhaltungsmusik sollen den Besuchern signalisieren, dass es zwar weitergeht, aber eben im Gedenken an die Opfer.
„Für heute war Rhöner Blechle geplant, denen habe ich abgesagt, ab Mittwoch war sowieso kein Programm mehr vorgesehen“, berichtet Birgit Rechtenbacher, die den Weihnachtsmarkt bei „Pro Bad Kissingen“ organisiert. „Die Händler sind schon erschüttert“, fasst sie die Stimmung zusammen.
„Es kann nicht alles still stehen“
Trotzdem müsse der Weihnachtsmarkt weitergehen: „Es kann nicht alles still stehen“, verteidigt sie die Öffnung bis zum Zweiten Weihnachtsfeiertag. „Eine absolute Sicherheitsgarantie gibt es nicht.“
Der Würzburger Weihnachtsmarkt bleibt unverändert bis zum Abend des 23. Dezember geöffnet, bestätigt Stadtsprecher Christian Weiß. Das Sicherheitskonzept der Stadt sei bereits in den vergangenen Jahren an die aktuellen Gegebenheiten angepasst worden.
Dazu wurden unter anderem mögliche Störungsszenarien untersucht und das Sicherheitskonzept daraufhin angepasst. Auch das Rettungs- und Fluchtwegekonzept sei in der Vergangenheit überarbeitet worden.
Privater Sicherheitsdienst
„Schon bisher sind täglich unsere Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes, der Sicherheitswacht und der Landespolizei auf dem Markt unterwegs“, versichert Weiß. Hinzu käme für Bewachungsaufgaben ein privater Sicherheitsdienst. Dies wurde auch im Vorfeld mit der Polizei so abgestimmt.
Schweinfurt verstärkt am Dienstag die Polizeipräsenz auf dem Weihnachtsmarkt im Gegensatz zu Würzburg nicht. Seit den Silvestervorfällen von Köln seien bereits mehr Beamte im Einsatz, sagt Ordnungsreferent Jan von Lackum. „Das wäre blanker Aktionismus, der die Menschen eher noch mehr verunsichern könnte.“ Dennoch hat von Lackum mögliche weitere Sicherungsmaßnahmen kurzfristig auf die Tagesordnung eines Treffens mit der Polizei gesetzt, das an diesem Mittwoch stattfindet.
Sperre durch Steinquader nicht möglich
Dort will er auch technische Lösungen diskutieren, mit denen man Fahrzeuge vor der Fahrt auf dem Marktplatz – oder auch den Volksfestplatz – stoppen könnte. Eine permanente Sperre durch schwere Steinquader, wie sie am Dienstag am Dresdner Weihnachtsmarkt aufgestellt wurden, sei in Schweinfurt wegen Rettungswegen und Anlieferungen für die Geschäfte in der Innenstadt allerdings nicht möglich, so von Lackum.
„Wir werden die Präsenz erhöhen, etwas anderes sehen wir nicht als erforderlich an“, sagt Christian Pörtner von der Bad Kissinger Polizei. Aber auch vor dem Anschlag seien Polizei und Sicherheitswacht schon regelmäßig dort gewesen – unter anderem mit dem Erfolg, dass es heuer weniger Geldbeutel-Diebstähle gab.
„Es ist unbedingt nötig, dass wir auf die Weihnachtsmärkte gehen und zeigen, dass das unsere Sache ist und wir uns dort wohlfühlen“, sagt Michael Hassmüller aus Weisbach (Lkr. Rhön-Grabfeld) beim kurzen Interview am Schweinfurter Glühweinstand. Auch Besucherin Ute Kirtz meint: „Ich gedenke der Toten, aber ich bin der Meinung, dass wir uns nicht unterkriegen lassen sollten.“
Beten für die Opfer des Terrors
Nicht öffentlich äußern wollte sich hingegen ein sichtlich mitgenommener Sprecher der Schweinfurter Marktkaufleute. Nur so viel: Am Dienstag gibt es um 18 Uhr haben die Standbetreiber eine Schweigeminute. Und in der Heilig-Geist-Kirche findet an diesem Mittwoch eine Andacht statt, bei der die Menschen ihrer Erschütterung und Klagen Ausdruck verleihen und für die Opfer des Terrors beten können.
Würzburg denkt ebenfalls an die Opfer in Berlin. Dompfarrer Dr. Jürgen Vorndran und die evangelisch-lutherische Dekanin Edda Weise gestalten am Mittwoch unter der Überschrift „Nicht mutlos werden“ um 9.30 Uhr in der Marienkapelle einen ökumenischen Wortgottesdienst. Die Anregung dazu gaben die Marktkaufleute und der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt, teilt der Pressedienst des Ordinariates mit.
Anschläge mit Lkw`s sind jetzt wirklich voraussehbar gewesen, aber im Konzept der "Sicherheitsbehörden" in Berlin offenbar nicht vorgesehen gewesen, wie kann man sonst einen Weihnachtsmarkt an einer breiten Straße, auf der ein Lkw nicht auffällt und der Fahrer nur Gas geben muss und das Lenkrad nach rechts oder links ziehen muss nicht absichern. Holzbuden stellen nun wirklich keine Abgrenzung zur Straße dar. Aber in Berlin sieht man eben manches sehr "entspannt". Wäre ich Angehörige eines Toten oder Verletzten meine Klage gegen die Veranstalte wäre sicher. Das ist nicht nur Leichtsinn in der heutigen Zeit.