Jetzt reden wir also doch über eine Corona-Impfpflicht – zumindest für bestimmte Berufe. Zu Recht. Und zu spät. Unvorbereitet wie kaum ein anderes Land taumelt Deutschland durch die vierte Welle. Das liegt vor allem daran, dass die politisch Verantwortlichen dem erschöpften Volk weitere Zumutungen ersparen wollten – und damit selbst zur Zumutung wurden. Auch die Debatte um die Impfpflicht wurde zuletzt am eigentlichen Ziel vorbei geführt.
Es ist schon richtig, dass es akut wenig bringt, wenn sich Krankenpfleger oder Erzieherinnen impfen lassen müssen, weil sie erst in zwei Monaten voll immunisiert sind. Aber genau an dieser dünnen Argumentation lässt sich das größte Problem der deutschen Pandemie-Politik ablesen: Gehetzt von steigenden Infektionszahlen, schauen wir in jeder neuen Notsituation nur darauf, ob eine Maßnahme schnelle Wirkung erzielt.
Hätten wir stattdessen schon in der dritten an die vierte Welle gedacht, wäre die Lage heute nur halb so dramatisch. Besonders frustrierend ist das, weil die Lernkurve nicht ansatzweise so steil verläuft wie die der neuen Corona-Fälle. Zur Erinnerung: Vor ziemlich genau einem Jahr wollte man mit einem „Lockdown Light“ das Weihnachtsfest retten. Das Etikett stand für: weniger schmerzhaft. Der Inhalt war: weniger wirksam.
Eher den nächsten Shitstorm als die nächste Corona-Welle im Kopf
Womöglich sind wir Deutschen auch Opfer unserer eigenen Erfolge zu Beginn des Corona-Zeitalters geworden. Damals kamen wir gut durch die Krise, während andere Länder zum Teil nicht wussten, wohin mit all den Toten.
Doch während all jene, die am Anfang durch die Hölle gingen, daraus harte und oft unpopuläre Konsequenzen gezogen haben, ist bei vielen Deutschen eine merkwürdige Gleichgültigkeit entstanden, die sich auch in der niedrigen Impfquote niederschlägt. Und so streiten wir immer noch darüber, ob man Ungeimpften härtere Einschränkungen zumuten darf als Geimpften, während Österreich einfach den Laden dichtmacht.
Oder eben darüber, ob man verlangen kann, dass Beschäftige im Gesundheitssektor sich impfen lassen, während das in Frankreich oder Italien längst der Fall ist. Eine Kündigungswelle hat es dort übrigens nicht gegeben.
Zu viele Politikerinnen und Politiker haben eher den nächsten Shitstorm oder die nächste Schlagzeile im Kopf als die nächste Corona-Welle. Also wurde lieber vom deutschen „Freedom Day“ schwadroniert, anstatt Maßnahmen zu treffen, die weitere Beschränkungen der Freiheit überflüssig machen. Spätestens im Sommer hätte man klare Regeln vorlegen müssen, die für Ungeimpfte gelten, sollten die Infektionszahlen noch einmal massiv steigen.
Dann hätten zumindest jene, die die Debatten aufmerksam verfolgt und sich informiert haben, gewusst, was auf sie zukommt – und sich womöglich doch noch zur Impfung entschieden. Stattdessen stehen sie jetzt in Schlangen vor den mühsam wieder hochzufahrenden Impfzentren. Hätte man die Impfpflicht für bestimmte Berufe schon im Frühjahr beschlossen, bräuchte das Personal in den Heimen heute nur noch eine Auffrischung. Stattdessen wurden diese heiklen Fragen systematisch verdrängt – in der naiven Hoffnung, die nächste Welle würde doch ganz bestimmt die letzte sein.
Alte Menschen und kleine Kinder sind auf Rücksicht und Solidarität angewiesen
Selbstverständlich ist es das Recht eines jeden Menschen, über den eigenen Körper zu entscheiden. Aber eben nur dann, wenn er andere damit nicht einem Risiko aussetzt. Kranke und alte Menschen sind im Fall einer Infektion besonders gefährdet, kleine Kinder können sich bislang nicht mit einer Impfung schützen. Beide Gruppen sind also auf Rücksicht und Solidarität jener Menschen angewiesen, mit denen sie ihren Alltag in nächster Nähe verbringen – im Alten- oder Pflegeheim, im Kindergarten oder in der Krippe.
Das Personal dort entscheidet mit einem Nein zur Impfung nicht nur für sich selbst. Sondern auch für alte und schwache Menschen, die womöglich sterben, wenn sie sich mit dem Coronavirus anstecken. Für Kinder, die nicht alle mit einem milden Verlauf davonkommen und zudem das Virus oft unbemerkt in ihre Familien hinaustragen. Und am Ende entscheiden sie eben auch darüber, ob die Krankenhäuser genug Kapazitäten haben, um allen Patienten in akuten Notlagen helfen zu können.
Mit der Impfplicht ist es genauso wie mit der Anschnaltplficht, beide schützen nicht immer vor gesundheitlichen Problemen, aber beide können schlimmeres verhindern bzw abwehren und mildern oder auch nicht auftreten lassen.
Ich bin vollständig geimpft, denn ich trage Verantwortung gegenüber meiner Famile, Freunde, Kolleginnen, Kollegen und allen Mitmenschen.
Bleiben Sie alle gesund und passen Sie auf sich auf.
Ein Aspekt wird bei der Impflicht für bestimmte Berufsgruppen gerne unterschlagen: Es gibt beispielsweise unter Ärzten und Krankenpfleger auch solche, die nicht geimpft werden wollen. Was passiert, wenn sie bei Einführung einer Impfpflicht ihren Beruf aufgeben oder dahin gehen, wo es keine gibt? Mir jedenfalls wäre ein ungeimpfter und getesteter Arzt lieber als keiner.
Was befähigt dich dazu zu entscheiden wie viele Pfleger pro Patient zur 'Verfügung stehen sollen?
Warum bist du noch ungeimpft?
Listen Sie doch mal die Länder auf, die ohne harte Maßnahmen so viel besser als Deutschland durch diese Krise gekommen sind.
Sorry, das geht gar nicht.
Wieso nicht?
Alleine das Arbeiten im Schutzanzug würde viele dumme Kommentatoren hier vermutlich eines Besseren belehren.