Auf der Internetseite des Dachverbandes freier Würzburger Kulturträger können Kulturschaffende ihrem Ärger über die staatlichen Corona-Hilfen anonym Luft machen. Ein Angebot, das reges Interesse findet: "Die freie Kulturszene wird komplett allein gelassen, keine sinnvolle Hilfe", klagt dort zum Beispiel die Künstler-Agentin Anke.
"Für mich passt keines der Hilfsprogramme", schimpft die Musikerin Anna: "Die Soforthilfe gleicht zwar meine laufenden Kosten aus, aber woher bekomme ich dann Geld für meinen Lebensunterhalt? Die Künstlerhilfe hingegen würde den Lebensunterhalt unterstützen, berücksichtigt aber nicht meine beruflichen Ausgaben." Beide Hilfen gleichzeitig schließen die bayerischen Regeln aus.
Sänger: "Durch sämtliche Raster der Hilfen gefallen"
Und Sänger Sebastian erzählt, er sei "durch sämtliche Raster der Hilfen gefallen" und auf Hartz IV verwiesen worden. Dafür müsste er aber zuerst seine Renten-Rücklagen aufbrauchen. Also lieber jetzt arm – oder besser arm im Alter?
Viel Zorn, Frust und Zukunftsangst hat sich offenbar bei Bayerns Künstlern aufgestaut. Dabei hatte die Bayerische Staatsregierung bereits Mitte Mai ein Kulturhilfsprogramm über insgesamt 210 Millionen Euro angekündigt. "Bayern leistet mehr, als alle anderen Bundesländer", beteuert Kunstminister Bernd Sibler (CSU) auch am Donnerstag im Landtag. Und etwas schmallippig fügt er an: "Dass das für viele Künstler unbefriedigend ist, nehme ich zur Kenntnis."
Der SPD-Kulturpolitiker Volkmar Halbleib sieht den Grund für den Frust vieler Künstler vor allem in einem Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit der staatlichen Kultur-Förderung: Obwohl Theater, Clubs und Kabaretts unter den Ersten waren, die Mitte März schließen mussten und wohl zu den Letzten gehören werden, die irgendwann in den Normalbetrieb zurückkehren dürfen, seien die Hilfen sehr spät angekündigt und noch viel später umgesetzt worden.
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So sei die Spielstätten-Förderung, die freien Bühnen mit 30 Millionen Euro das Überleben sichern soll, bereits Mitte Mai versprochen worden – erst seit dieser Woche können aber auch entsprechende Anträge gestellt werden. "Wenn das Geld jetzt nicht unverzüglich fließt, dann setzt die Regierung unsere vielfältige Kultur endgültig aufs Spiel", warnt Halbleib.
Strenge Hilfe-Kriterien für Künstler
"Zudem sehen sich Kulturschaffende zurecht im Vergleich zu anderen Bereichen viel strenger behandelt", kritisiert der SPD-Mann aus Ochsenfurt: Fixe Besucher-Obergrenzen für alle Theater seien dabei genauso wenig nachvollziehbar, wie viele Kriterien der Hilfsprogramme. So wird etwa bereits gezahlte Soforthilfe auf die maximal 3000-Euro-Künstlerhilfe angerechnet. Und kommunale Zuschüsse etwa für ein privates Theater stellen offenbar die staatliche Spielstätten-Förderung in Frage.
Tatsächlich haben von rund 60 000 Antragsberechtigten auf Künstlerhilfe in Bayern laut Minister Sibler bislang nur gut 8200 einen Antrag gestellt. "Die bayerischen Programme sind leider nicht praxisgerecht, das ist eine bittere Erkenntnis", so Halbleib.
Sibler kündigte im Landtag nun für Mitte Juli eine Überprüfung der Künstlerhilfe an: Eine "Nach-Steuerung" sei sowohl in der Länge der Unterstützung als auch bei der Breite der Zielgruppe denkbar. "Uns ist völlig klar, dass die 3000 Euro nicht auf Dauer helfen werden", räumte Sibler ein. Die Unterstützung des Freistaat für die Künstler bleibe aber dennoch "eine wichtige Geste".