Die Temperaturen steigen. Auch im Winter. Viele Vogelarten wie die Graugänse, die bisher nach Afrika gezogen sind, bleiben hier. Andere Vogelarten fliegen nicht mehr so weit weg. Einige nur noch bis ans Mittelmeer. Viele von ihnen kommen früher zurück.
Was harmlos klingt, hat in unserem fein vernetzten Ökosystem ernsthafte Folgen, erklärt Jochen Krauß, Professor am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie an der Uni Würzburg. Die Vögel beginnen früher mit der Eiablage. Doch oft ist die Natur dann noch nicht so weit. Das Nahrungsangebot und die Zeit, in der die Jungtiere schlüpfen, sind nicht mehr synchron. Gerade, wenn der Nachwuchs im Nest besonders viel Futter braucht, gibt es zu wenig zu fressen.
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Wenn die Insekten fehlen, verhungern die Küken
Dazu kommt: 80 Prozent der Nestbrüter wie die Kohlmeise ernähren sich während der Brutzeit hauptsächlich von Spinnen und Insekten. Doch das Insektensterben, das seit Jahrzehnten voranschreitet, nimmt auch durch den Klimawandel noch zu. Wenn die Altvögel nicht genug Nahrung finden, verhungern ihre Küken.
Dem Kuckuck wird die innere Uhr zum Verhängnis
Das veränderte Verhalten der Zugvögel bringt weitere Arten in Bedrängnis. Der Kuckuck etwa überwintert in Zentralafrika. Seine innere Uhr lässt ihn jedes Jahr pünktlich Mitte April zurückkehren. Doch das ist jetzt zu spät; Andere Zugvögel wie der Teichrohrsänger, die nur noch bis ans Mittelmeer ziehen, erreichen im Schnitt zehn Tage vor dem Kuckuck ihre Heimat. Weil der Kuckuck seine Eier aber in fremde Nester schmuggelt, hat er jetzt ein Problem: Die anderen Vögel brüten längst. In Hessen gilt der Kuckuck bereits als gefährdet.
Der Siebenschläfer wacht zu früh auf
Ein ungutes Erwachen bereiten die steigenden Temperaturen dem Siebenschläfer. Sein Winterschlaf dauerte bisher von September bis Juni. Nach der Paarung zieht er seine Jungen in verlassenen Vogelnestern auf. Nun wacht er etwa sieben Wochen früher auf. Zu der Zeit nisten die meisten Vögel aber noch selbst in den Bäumen. Weil der Siebenschläfer nur volle Nester findet, zerstört er die Vogeleier.
Afrikanische Nilgänse fühlen sich wohl am Main
Durch die Erwärmung breiten sich neue, wärmeliebende Arten, die versehentlich nach Europa eingeschleppt wurden, rascher aus. Die Nilgänse, die beispielsweise am Erlabrunner Badesee (Lkr. Würzburg) reichlich Gänsekot hinterlassen, leben normalerweise in Afrika. Auch der Asiatische Marienkäfer und der Bienenfresser, ein knallbunter Vogel aus dem Mittelmeerraum, fühlen sich mittlerweile in Unterfranken wohl.
Asiatische Buschmücke in Würzburg entdeckt
Während es den heimischen Insekten, die extensives Grünland, Magerrasen, naturbelassene Weinberge oder Moore zum Leben brauchen, immer schlechter geht, profitieren Stechmücken von den steigenden Temperaturen. Der Mückenatlas, betrieben vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), der Mücken in ganz Deutschland kartiert, hat die Asiatische Buschmücke erstmals 2012 in Baden-Württemberg entdeckt. 2017 tauchte sie in Würzburg auf.
Sie gehört wie die Koreanische Buschmücke, die Gelbfiebermücke und die Asiatische Tigermücke zu den Aedes-Arten, die als gefürchtete Krankheitsüberträger gelten. Infizierte Tiere können Gelbfieber, Dengue-Fieber, Zika-Virus, Westnilvirus und Chikungunyafieber auf den Menschen übertragen. "Diese Mückenarten werden früher oder später zu uns kommen. Die Gesundheitsvorsorge wird den Staat Millionen kosten", sagt Tierökologe Jochen Krauß.
Erste Infektion mit West-Nil-Virus durch Mückenstich in Deutschland
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) infizierte sich 2019 zum ersten Mal ein Mensch in Deutschland durch einen Mückenstich mit dem West-Nil-Virus. Der 70-jährige Mann erkrankte in Sachsen an einer Gehirnentzündung. Mittlerweile wurden Dutzende weitere Fälle bekannt. Auch das Zika-Virus hat in diesem Sommer Europa erreicht. Erste Krankheitsfälle gab es in Südfrankreich.
Auch Schädlinge breiten sich rascher aus. Die Marmorierte Baumwanze, als Stinkkäfer bekannt, die vor einigen Jahren in Norditalien 30 Prozent der Apfelernte vernichtete, vermehrt sich seit dem Sommer 2018 explosionsartig in Unterfranken. Wer in Würzburg Erdbeeren auf dem Balkon züchtet und Pech hat, dem bleiben am Ende nur kaputte Pflanzen.
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Als Plage gelten mittlerweile der Buchsbaumzünsler im Garten sowie der Schwammspinner und der wegen seiner giftigen Härchen gefürchtete Eichenprozessionsspinner im Wald. Auch die aus dem Mittelmeerraum stammende prächtige Feuerlibelle, die nützliche Wespenspinne und der Kurzschwänzige Bläuling - ein Tagfalter, den es bislang nur am Kaiserstuhl gab - fühlen sich bereits wohl in Unterfranken.
Es sei nur eine Frage der Zeit, bis man auch Gottesanbeterinnen auf unterfränkischen Magerrasen findet, vermutet Jochen Krauß. "Seit zehn Jahren taucht in Würzburg beinahe jedes Jahr eine neue Art auf, die es vorher hier nicht gab."
Nicht schädlich, aber lästig sind für viele Stadtbewohner die Nordamerikanische Kiefernwanze, die oft in die Häuser fliegt und deren Aussehen an Kakerlaken erinnert, und die Orientalische Mauerwespe, die ihre Nester in die Hohlräume der Fenster legt.
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Doch so einfach es für Biologen ist, eine neue Art nachzuweisen, so schwierig ist es, das Aussterben einer anderen Art zu dokumentieren. "Es kommen neue auffällige Tiere rein, während andere leise verschwinden", sagt Krauß. Gefährdet sind Arten wie die Gelbbauchunke, die in Mooren, Feuchtwiesen, Tümpeln oder stehenden Gewässern lebt, weil diese oft dauerhaft austrocknen.
Auch Heuschrecken wie der Sumpfgrashüpfer gehören zu den Verlierern des Klimawandels. Die Eier vieler Heuschreckenarten sind zu dünn und zu wenig trockenresistent.
Bedroht sind auch Arten wie der Alpensalamander, die an kühlere Temperaturen in den Bergen angepasst sind. Andere Arten können - selbst, wenn es unten wärmer wird - nicht weiter nach oben wandern, weil sie sich auf eine bestimmte Futterpflanze spezialisiert haben.
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Fast immer gibt es aber verschiedene Gründe für das Verschwinden einer Tierart. Abseits der Klimaerwärmung sind die Zerstörung der Lebensräume, die Homogenisierung der Landschaft, die Verwendung von Glyphosat oder hochwirksamen Insektiziden und die Trockenlegung von Flächen mindestens genauso verantwortlich für den Artenrückgang. Das gilt zum Beispiel für die Uferschwalbe, der nur noch kleine Rest-Habitate etwa im Steigerwald bleiben oder für den Kiebitz, dessen letztes Brutpaar 2018 aus dem Landkreis Würzburg verschwand.
Klimawandel: Wenn Gewinner plötzlich zu Verlierern werden
Und schließlich gibt es die vermeintlichen Gewinner des Klimawandels, wie das Tagpfauenauge oder den Kleinen Fuchs, die sich bei steigenden Temperaturen zunächst kräftig vermehrten - bis im extrem heißen und trockenen Sommer 2018 ein Schwellenwert überschritten war und dann ganze Populationen zusammenbrachen. Plötzlich diskutierten Wissenschaftler darüber, ob sie die beiden Schmetterlingsarten ab sofort auf die Rote Liste setzen sollten.
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Buchsbaumzünsler, Wespenspinne, Gottesanbeterin: Klicken Sie in unserem Quiz auf die Bilder und erfahren, welches Tier ein Gewinner oder ein Verlierer des Klimawandels ist: