Das "Highlight der Woche" nennen die eineiigen Zwillinge ihr erstes richtiges Bruderduell: Im Kellerduell der Zweiten Handball-Bundesliga empfängt der eine Minute ältere Rechtsaußen Gregor Thomann mit der HSG Konstanz (15. Platz/5:13 Punkte) an diesem Freitag (20 Uhr, Schänzle-Sporthalle) Schlusslicht Wölfe Würzburg (20./2:12) mit Trainer Julian Thomann.
An Abstiegskampf denken die beiden 30 Jahre alten Schwaben, die lange beim HBW Balingen-Weilstetten unter Vertrag standen, dabei nicht zuerst: "Wir freuen uns mega auf das Spiel", beteuern sie im gemeinsamen Videointerview mit dieser Redaktion. Dabei sprachen die beiden Lehramt-Studenten über ihre enge Verbundenheit, praktischen Rollentausch und gegenseitige Liebeserklärungen – und darüber, was sie ohne einander wären.
Frage: Sie sagen beide, dass Sie sich sehr ähnlich sind – und fast immer gleicher Meinung. Gilt das auch für den Ausgang des Spiels am Freitag?
Julian Thomann: Ich denke, dass wir uns einig sind, dass es für beide Mannschaften ein sehr wichtiges Spiel ist und sicherlich kampfbetont und eng wird. Was den Ausgang betrifft, sind wir wahrscheinlich unterschiedlicher Ansicht. (lacht)
Gregor Thomann: Dem stimme ich zu. Die Erfahrung von mehr Zweitliga-Spielen ist aufseiten der Wölfe. Für uns spricht die Heimhalle und die Euphorie vom Aufstieg. Wahrscheinlich haben wir dadurch auch eine bessere Stimmung als die Wölfe nach ihrer Negativserie. Daher glaube ich, dass wir knapp gewinnen.
Sprechen Sie viel miteinander über die aktuelle sportliche Situation?
Julian Thomann: Klar. Wir haben ein super Verhältnis ...
Gregor Thomann: ... und telefonieren sowieso inflationär miteinander. Jedes Mal, wenn einer von uns Auto fährt oder kocht, klingelt beim anderen das Telefon.
Julian Thomann: Dadurch, dass wir beide aus jahrelanger Erfahrung die Höhen und Tiefen des Leistungssports kennen, können wir uns gut unterstützen.
Gregor, was raten Sie Ihrem Bruder, für den der Druck als Trainer noch etwas größer sein dürfte als für Sie?
Gregor Thomann: Die einzigen Tipps, die ich ihm geben kann, sind, dass er ein hohes Maß an Integrität behält und sich darauf konzentriert, was er beeinflussen kann – nämlich seine eigene Leistung. Dass er versucht, es so gut zu machen, wie er kann, seinen Spielern eine Hilfe ist und Vertrauen schenkt. Und dass er bei all dem er selber bleibt.
Julian Thomann: Natürlich ist die Situation gerade sportlich schwierig, für beide Teams. Trotz allem ist es auch sehr schön, im Profisport unterwegs sein und auf diesem Niveau ein Bruderduell erleben zu dürfen. Das ist doch was Geiles!
Gregor Thomann: Das finde ich auch! Wir sind privilegiert, dass wir bei zwei tollen Vereinen, in denen uns die Leute mögen und unterstützen, mit Handball unseren Lebensunterhalt und unser Studium finanzieren können. Ich habe noch kein einziges Mal vor diesem Spiel gedacht: Oh je, das ist ja ein Kellerduell. Ich denke eigentlich immer nur: Geil, Juli kommt, Familie und Freunde kommen.
Ihre Eltern sind Ihre größten Fans. Für wen sind die beiden am Freitag?
Gregor Thomann: Papa fragt schon immer, in welchem Trikot er kommen soll.
Julian Thomann: Er hat doch bisher kein Konstanz-Trikot, nur ein Wölfe-Trikot. Von daher ist doch klar, für wen er ist. (lacht) Tatsächlich ist es für unsere Eltern wahrscheinlich emotional das schwerste Spiel, weil sie sich wünschen, dass am Ende alle ein bisschen glücklich sind. Ich denke aber nicht, dass es vom Sieg abhängt, wer von uns beiden mehr Nachtisch kriegt.
Julian Thomann: Auch wenn Gregor als Mensch und Sportler ein absolutes Vorbild für mich ist, weil er unglaublich viel aus Leidenschaft macht und einen brutalen Willen hat, so hätte ich lieber mit einem noch besseren Spieler getauscht – Niklas Ekberg zum Beispiel. (lacht)
Gregor, für welche Erfahrung würden Sie gerne mal in Julians Rolle schlüpfen?
Gregor Thomann: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, weil wir uns alles gönnen – auch Erfahrungen, die der andere nicht macht. Ich habe Respekt und Hochachtung davor, dass Juli den Schritt gegangen ist, eine Profimannschaft zu trainieren. Das ist eine wirklich große Aufgabe, erst recht in dem jungen Alter, und ich bewundere ihn dafür. Aber ob ich das auch machen wollte ...
Hätten Sie Ihren Bruder gerne als Trainer?
Gregor Thomann: Damit hätte ich kein Problem, glaube ich. Denn dadurch, dass wir uns so ähnlich sind, wüsste er genau, wie ich ticke und was ich brauche, um gute Leistung zu bringen.
Julian, würden Sie Gregor gerne trainieren?
Julian Thomann: Ich kann mir schon vorstellen, dass das einen Vorteil hätte für ihn und dass wir wüssten, wie wir uns gegenseitig anpacken könnten. Aber es ist kein Wunsch von mir.
Werden Sie eigentlich noch manchmal verwechselt?
Julian Thomann: Noch oft! Vor allem dann, wenn uns Leute alleine treffen und uns davor ein paar Wochen nicht gesehen haben. In Balingen werde ich noch bei jedem zweiten Besuch für Gregor gehalten.
Gregor Thomann: Mir hat zuletzt in Tübingen ein Kommilitone von Juli nicht geglaubt, dass ich nicht mit ihm zwei Wochen lang im Geografie-Studium auf einer Exkursion war. (lacht) Der dachte die ganze Zeit, ich verarsche ihn.
Hat Ihnen Ihre Ähnlichkeit schon mal geholfen – aus der Patsche oder für Schabernack?
Julian Thomann: Das dürfen wir hier nicht sagen.
Gregor Thomann: Doch! Komm Juli, das geht schon, das interessiert niemanden!
Mich schon.
Gregor Thomann: An der Uni sind wir ein-, zweimal in eine Veranstaltung des anderen gegangen, wenn der keine Zeit hatte, aber nicht mehr fehlen durfte. Ich saß mal für Juli in einer Geografie-Stunde, wir waren in Vierergruppen eingeteilt, und jeweils einer musste was zum Thema Bodenmorphologie vorstellen. Ich hatte schon Schweißausbrüche und hab dann zu den drei Mädels in meiner Gruppe gesagt: "Es tut mir furchtbar leid, aber das muss eine von euch machen, denn ich hab keine Ahnung von dem Thema. Ich bin nicht der, der sonst immer da ist." Die haben nur gelacht und mich gerettet.
Woran würden Ihre Mannschaften merken, wenn Sie am Freitag die Rollen tauschen würden?
Julian Thomann: Ich würde alles treffen von Rechtsaußen – selbst als Rechtshänder. Dann würden die anderen sagen: "Das kann nicht sein! Seit wann ist der Gregor so gut?!" (lacht) Wenn Gregor aber den Trainer spielen würde, glaube ich, dass es wenige merken würden. Er hat so viel Erfahrung als Jugendtrainer, auch taktische Ahnung und könnte bestimmt unsere Mannschaftsansprache halten.
Währenddessen Sie als Rechtsaußen bei Konstanz in der Kabine sitzen und den Matchplan ausspionieren.
(beide lachen)
Julian Thomann: Clevere Idee!
Bitte vollenden Sie den Satz: Ohne meinen Zwillingsbruder wäre ich ...
Julian Thomann: Boah, das ist brutal schwer ... (langes Schweigen) Wissen Sie, was so schwer ist an der Frage? Ohne Gregor wäre ich gar nichts. So vieles von dem, was uns ausmacht, hat uns durch gemeinsame Erfahrungen eigentlich in allem getragen. Kann sein, dass ich ohne Gregor einen komplett anderen Weg eingeschlagen hätte, ohne Handball, ohne Studium. Auf jeden Fall wäre ich ohne ihn deutlich weniger selbstbewusst und hätte viel weniger Spaß im Leben.
Gregor Thomann: Wir haben ja auch wirklich von Geburt an alles zusammen gemacht, weil wir immer die gleichen Interessen hatten. Für mich ist Juli immer noch die wichtigste Bezugsperson und mein erster Ansprechpartner. Ohne ihn wäre ich anders geschnitzt und nicht so gefestigt. Es ist wirklich verrückt, wie nah sich Zwillinge stehen. Schwierig, sich das Leben ohne den anderen zu denken.
Sagen Sie einander, dass Sie sich liebhaben?
Beide: Klar!
Julian Thomann: Natürlich sagen wir uns, dass wir uns liebhaben! Das ist doch etwas völlig Normales. Ich sage das auch meiner restlichen Familie, meinen Freunden, meiner Freundin. Weil es wichtig ist, über alles zu reden, über Zuneigung genauso wie über Probleme.
Das klingt alles sehr harmonisch. Streiten Sie auch mal miteinander?
Julian Thomann: Früher gab's vor allem Streit, wenn uns langweilig war. Da hat's richtig schön gefetzt, auch körperlich. Heute streiten wir auch mal, aber dann meist kurz und nicht über wirklich wichtige Themen.
Gregor Thomann: Wie in jedem Leben und in jeder Beziehung gibt's auch zwischen uns bessere und schlechtere Phasen. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Trotzdem sind wir immer füreinander da und wissen alles voneinander.
Haben Sie als Kinder gerne geteilt?
Julian Thomann: Schon gerne, aber so, dass der andere am besten ein bissle weniger kriegt.
Gregor Thomann: Beim Essen ist es bis heute so, dass wir beide auf das größere Stück schielen. Und der, der es dann nimmt, kriegt einen Spruch vom anderen: "Deins ist aber größer!" oder "Du hast zwei Pommes mehr als ich, die länger sind!" Natürlich unterstellen wir dem anderen dabei immer auch Absicht. (lacht)
Wäre für die Familien-Harmonie am Freitag im Spiel eine Punkteteilung ...
Beide: Nein!