Es gibt wohl wenige Orte, an denen ein Fußballer so verletzlich ist wie auf der Massageliege in der Kabine. Dort vertrauen viele nicht nur ihren Körper einem Experten an, sondern manche auch einem Freund ihre Seele. Die Verbindung zwischen Physiotherapeuten und Sportlern, sie ist oft intensiv, eng, vertrauensvoll – und genau deshalb manchem Trainer ein Dorn im Auge. Ein Physiotherapeut im Profi-Fußball, das ist auch meist ein Vermittler zwischen den Welten.
"Wir Physios versuchen, das Empathische in der Kabine zu halten", sagt Johannes Schneider. Der 36-jährige aus Theilheim (Lkr. Würzburg) ist Physiotherapeut und arbeitete im Profibereich bei Eintracht Frankfurt (2012 bis 2014) und den Würzburger Kickers (2014 bis 2016). Im Gespräch mit dieser Redaktion macht er deutlich, wie wichtig es ihm und seinen Kollegen war, in die durch und durch auf Effektivität und Erfolg ausgelegte Welt der Fußballer Empathie zu bringen.
"Nicht nur das Körperliche richten, sondern anderen auch einfach mal zuhören", darum sei es ihm gegangen. Gehe es ihm im Grunde auch heute noch, wenn er Patienten vor sich auf der Liege habe. Zugewandt sein, die ganze Aufmerksamkeit dem Gegenüber schenken, das mache seinen Beruf so wunderbar und zugleich anstrengend, sagt Schneider.
Inzwischen betreibt er zusammen mit einem Kollegen eine Praxis in Würzburg. Mit seinem Start in den Profi-Fußball hatte er sich vor zehn Jahren einen Traum erfüllt, zugleich sei ihm immer klar gewesen, "dass er in diesem Bereich nicht alt werden würde". Die Abläufe im Leistungsbereich kennenlernen, unter positivem Druck arbeiten, im Fokus stehen – all das war aufregend, doch irgendwann wird auch das Aufregende zur Gewohnheit. Was dann bleibt, ist vor allem jede Menge Arbeit, die Bereitschaft, immer ansprechbar, sieben Tage die Woche für den Verein greifbar sein, auf die Wünsche und Erwartungen des Trainerteams eingehen zu müssen. Schneider vermisste vor allem das selbstbestimmte Arbeiten.
"Du stehst immer in einem Spagat", sagt er. Man habe das Wohl der Spieler im Kopf ("Du bist auch eine Art Psychotherapeut") und wisse zugleich, dass es darum gehe, sie so schnell wie möglich wieder fit für ihren Einsatz auf dem Feld zu bekommen. Dass sie funktionieren müssen.
In Frankfurt, wo er unter anderem fürs Nachwuchsleistungszentrum arbeitete, standen er und seine Arbeit nicht so im Fokus wie später bei den Würzburg Kickers. Als Schneider anfing, hatten die gerade ihr ehrgeiziges 3x3-Projekt gestartet. In drei Jahren aufsteigen in die 3. Liga, war das erklärte Ziel. "Unter diesem Erfolgsdruck mussten alle funktionieren", erinnert sich Schneider.
Klar, dass es da auch mal Reibungen gibt zwischen Physiotherapeuten und Trainern. Einige Fußballlehrer sehen es nicht gerne, wenn sich zu enge Bindungen zu den Spielern aufbauen und wechseln schon deshalb regelmäßig die Mitglieder des Betreuungsteams durch. Andere setzen auf Kontinuität, sehen die Vorteile, die dadurch entstehen.
Schneider beobachtet, dass die Intensität der Betreuung zugenommen hat und begrüßt es, dass dem Gesundheitsbereich in seiner Wahrnehmung inzwischen mehr Bedeutung beigemessen wird als noch vor ein paar Jahren. Er habe sich immer gedacht: "Da stehen, symbolisch gesprochen, Millionen Euro teure Maschinen und man gibt nur ein paar tausend Euro für die Wartung aus. Das kann doch nicht sein." Ob er sich vorstellen kann, noch einmal ins Profigeschäft zurückzukehren? "Ausschließen will ich das nicht, aber ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich."
Ganz verschwunden ist der Fußball aus seinem Leben sowieso nicht. Auf der Massageliege in seiner Würzburger Praxis finden sich nach wie vor Profis ein, einige von ihnen inzwischen in der Bundesliga aktiv. Einst haben sie ihren Körper einem fremden Experten anvertraut – heute besuchen manche einen vertrauten Freund.