Es war kurz vor halb neun am Samstagabend, die s.Oliver Arena war so gut wie leer, als Matthias Obinger noch einmal aus der Kabine kam. Einen Rucksack auf dem Rücken, seine schwarze Sporttasche in der Hand und die grüne Tasche mit der Taktiktafel über der Schulter. Er hielt inne, ließ seinen Blick durch die Halle schweifen, dann durchquerte er sie ein letztes Mal als Trainer seines Heimatvereins, des Handball-Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe. "Ich muss das jetzt erst mal alles von mir abfallen lassen", hatte er eine halbe Stunde zuvor gesagt, nachdem er im Anschluss an die 25:33-Niederlage gegen den Wilhelmshavener HV im letzten Heimspiel der Saison zusammen mit Rechtsaußen Max Bauer verabschiedet worden war. Die beiden waren 2015 auch zusammen gekommen.
Obinger emotional berührt
Obinger hatte nicht damit gerechnet, wehmütig zu werden. Schließlich habe er lange genug Zeit gehabt, sich auf diesen Tag vorzubereiten. Acht Monate und 28 Spiele lang, um genau zu sein. Doch dann, als er nach einleitenden Worten von Kapitän Patrick Schmidt ("Du hast uns besser gemacht und bist uns ans Herz gewachsen") das Video mit Erinnerungen an seine Amtszeit auf der Leinwand anschaute, das die Spieler jeweils für ihn und Bauer gemacht hatten, wurde er doch "emotional" und verdrückte sich Tränen. Er nahm seine Tochter Lotta auf den Arm, und man wusste in dem Moment nicht so recht, wer sich da an wem festhielt. "Was die Mannschaft gemacht hat, das hat mich sehr berührt", gestand der 39-Jährige danach. Seine Schützlinge schenkten dem Hobbygolfer außerdem einen Essensgutschein im ältesten Würzburger Lokal und einen Greenfee-Gutschein für den Würzburger Golfplatz.
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Der 23-jährige Bauer, der von seinen Kameraden unter anderem einen Fresskorb mit Wurst- und Fleisch bekam, sagte: "Es sind tolle Jungs, und jetzt freue ich mich auf die Feier mit ihnen."
Warme Worte von Roland Sauer
Dabei war es bei früheren Verabschiedungen sehr viel stimmungsvoller zugegangen. Sauer, der den Scheidenden vor dann vielleicht noch 300 Zuschauern dankte und jeweils ein Foto und einen Gutschein überreichte, meinte, Bauer habe "das Rudel mit seiner Berliner Schnauze um einen besonderen Charakterzug erweitert". Im Fall Obinger, der als Dankeschön vom Verein für 50 Euro essen gehen darf, hob Sauer das Engagement des Sportwissenschaftlers und Hochschulprofessors hervor, seine Amtszeit nannte er "erfolgreich" - "der Fast-Aufstieg war einzigartig"; auch dieses Jahr habe das Team mit dem einstelligen Tabellenplatz die Erwartungen übertroffen. "Du übergibst eine intakte, motivierte und harmonische Mannschaft", so der Boss.
Der Trainer verneigt sich vor den Fans
Es ist bekannt, dass es zwischen Sauer und Obinger, deren Persönlichkeiten sind wie zwei Pole, mitunter Spannungen gab. Doch bei Verabschiedungen fallen die Worte in der Regel wärmer aus, als es manches Verhältnis war. So beschwichtigte Obinger gegenüber dieser Redaktion: "Es liegt auch in der Sache, dass wir zu manchen Themen wie Kadergröße unterschiedliche Meinungen hatten", und resümierte: "Aber wir hatten trotzdem erfolgreiche Jahre - zusammen." Er rechne seinem Chef "hoch an", dass dieser ihn nach der holprigen Hinrunde, als Rimpar gegen den Abstieg kämpfte, nicht vorzeitig gegen seinen Nachfolger Ceven Klatt austauschte. "Dass Roland diesem Reflex widerstanden hat und unseren Weg konsequent weitergegangen ist, war nicht selbstverständlich. Er ist mit Vertrauen in Vorleistung gegangen, und wir haben es mit Leistung zurückbezahlt."
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Übers Hallenmikrofon bedankte sich Obinger bei seinen Spielern und "allen, die mir auch in schwierigen Zeiten das Vertrauen ausgesprochen haben. Es hat unglaublich Spaß gemacht!" Vor dem Fanblock verneigte er sich.
Der emotionale Höhepunkt
Für die emotionalste Szene des Abends sorgte der Sohn zweier "Supporters": Der achtjährige Eric überbrachte dem Coach zusammen mit seinem Vater eine von der Mutter gebackene Torte mit dem "Supporters"-Logo und den Worten "Danke Obi". Eric weinte und wollte gar nicht aufhören, Obinger zu umarmen, der sich vor ihn kniete und ihn an sich drückte. "Der Junge schreibt mir manchmal und lädt mich zu seinem Geburtstag ein", erklärte der 39-Jährige gerührt. "Er ist mein größter Fan und kleinster Freund."
Das Fazit der Verabschiedeten fiel positiv aus: Bauer nannte die Fast-Aufstiegssaison 2016/17 als seine Hoch-Zeit in Rimpar - bis zu seinem Kreuzbandriss, der den Tiefpunkt bedeutet habe. Trotz schöner Erinnerungen gehe er "mit einem guten Gefühl" zum erst an Christi Himmelfahrt in die Dritte Liga zurückgekehrten HSC Bad Neustadt: "Das ist ein cooler, ambitionierter Klub, da hab ich richtig Lust drauf."
Obinger bilanzierte: "Ich würde es wieder machen – und nicht alles anders." Durch die Kabinentür in der s.Oliver Arena aber wird er nun nicht mehr kommen - zumindest nicht als Trainer seines Heimatvereins.