Bilder, so heißt es, sagen mehr als tausend Worte. Dieses Bild, das Handballer Lukas Siegler am Freitag auf Instagram veröffentlichte, sagte alles über die letzten Stunden eines Lebens als aktiver Leistungssportler. Es zeigte seinen Mannschaftskapitän Stefan Schmitt in der leeren Trainingshalle der DJK Rimpar Wölfe. Allein in T-Shirt und kurzen Hosen und Turnschuhen im Mittelkreis sitzend. Die Beine angewinkelt. Die Arme auf den Knien abgestützt. Der Blick auf einen Boden gerichtet, auf dem er 20 Jahre lang in den Dorfturnhallen der Region und den Arenen der Republik zu Hause gewesen war.
„It was love!“
Manchmal sagen aber auch wenige Worte alles. „It was love!“ – Es war Liebe. Mit diesen Worten unter einem Foto von der dann ganz leeren und dunklen Trainingshalle und dem Hashtag „readyforthelastdance“ (Bereit für den letzten Tanz) beendete Schmitt am Freitag selbst seine letzte Übungseinheit bei seinem Heimatverein. Gut 24 Stunden, bevor er am Samstagabend zum Saisonfinale in der Zweiten Handball-Bundesliga gegen Eintracht Hildesheim ein letztes Mal als Erster seines Teams durch den aufblasbaren Wolfskopf in die mit Abschiedsbannern dekorierte s.Oliver Arena einlief. Bevor er zusammen mit seinem nach 28 Jahren in Diensten der DJK ebenfalls scheidenden Freund Sebastian Kraus mit stürmischem Applaus und Sprechchören der 1854 Zuschauer empfangen wurde. Und bevor für die beiden Gesichter des Vereins auf der Tribüne zwei riesige Porträts gehisst wurden wie Flaggen.
Dass der letzte Tanz der Rimparer Urgesteine, der 465. für Rekordspieler Kraus und der 434. für Kapitän Schmitt, mit einer 26:28-Niederlage gegen die bereits als Absteiger feststehenden Gäste endete, und nicht mit dem Sieg, den wohl jeder den beiden als würdigen Schlusspunkt nach herausragenden Karrieren mit jeweils fünf Aufstiegen von der Landes- bis in die Zweite Liga gewünscht hätte, drückte nach dem Abpfiff nur kurz auf die Abschiedsstimmung. Dann wurden die 33-Jährigen von ihren Familien, Freunden und Fans, die meisten in extra angefertigten T-Shirts, lange und lautstark gefeiert. Und mit vielen salbungsvollen Worten bedacht.
Wölfe-Geschäftsführer Roland Sauer dankte den „Legenden auf und neben dem Spielfeld“ für „eine geile Zeit“. Rimpars Bürgermeister Burkard Losert, der Schmitt den „Leitwolf“ und Kraus den „Terrier“ nannte und beide zusammen „Sport-Botschafter der Marktgemeinde“, sagte: „Der von Rolex-Typen oft zelebrierte Kuss aufs Vereinswappen war ihnen fremd. Sie tragen ihr Vereinsemblem in ihrem Herzen – nicht nur auf der Brust.“ Schließlich überreichte Bastian Krenz von der Abteilungsleitung den beiden jeweils ein Stück des mit ihren Konterfeis, Namen und Nummern bedruckten alten Bodens aus der Dreifachsporthalle in Rimpar - dem Boden, auf dem einst alles begonnen hat „und auf dem ihr eure Spuren hinterlassen habt“, so Krenz.
Dann verabschiedete sich die Mannschaft von ihren Mitspielern. „Die wenigsten hier können sich vorstellen, wie sehr ihr uns am Herzen liegt“, sagte Patrick Schmidt, der neuer Kapitän werden könnte. „Wir sind uns einig: Euch zu ersetzen, geht nicht. Wir werden euch vermissen!“ In einem aufwändig angefertigten Video nahmen anschließend Weggefährten aus drei Jahrzehnten Abschied und bekundeten ihren Respekt und ihre Hochachtung vor der Leistung der beiden Ausnahmehandballer.
Wehmut und Weißbierhumpen
Auf dem emotionalen Höhepunkt sahen Schmitt und Kraus, die mit Weißbierhumpen auf Stühlen auf dem Spielfeld saßen und beim Blick auf die Leinwand immer wieder vor Lachen und Rührung weinten, ihre Teamkameraden plötzlich in der Trainingshalle. Zu tragender Musik trug die Mannschaft in zwei Grüppchen zwei übergroße Trikots mit Schmitts Nummer sieben und Kraus‘ Nummer vier im Video aus der Halle in Rimpar – und dann live in die Würzburger Arena. An einer Stange wurden die Trikots unters Hallendach gezogen, darunter aufgereiht standen die Sportler und nahmen jene beiden, die Vorbilder für sie alle sind, noch einmal in die Arme.
„Es ist unfassbar, was hier heute für uns aufgefahren worden ist“, sagte Kraus, der seine Gefühle immer wieder mit Humor zu überspielen versuchte und die Fans zu einem letzten „Einklatscher“ aufrief. „Da genügt einfach nur ein Wort: Danke!“
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Die finalen Worte gebührten, wie am Ende einer jeden Saison, Stefan Schmitt als Spielführer: „Ich war die letzten zwei Nächte wachgelegen und habe mir überlegt, was ich heute sagen soll“, sagte er sichtlich angegriffen mit brüchiger Stimme ins Mikrofon, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. Und gab noch einmal ein Bild ab, das Bände sprach. „Mir ist einfach nichts eingefallen außer: Danke! Ich weiß gar nicht, warum ich jetzt aufhöre“, schloss er: „Was ihr mit uns in all den Jahren gemacht habt, das war unser Leben.“ Ganz offensichtlich war es auch Liebe.