Er fühle sich derzeit, erzählt Kickers-Trainer Ralf Santelli bei der üblichen Internet-Medien-Runde, als ob er gerade die Stufen zum Bahnsteig nach oben gehetzt sei und nur noch die Rücklichter seines Zuges sehen würde. "Du wirst nicht mehr einsteigen können und du weißt genau, wo du vorher zu langsam warst." Der Zug in Richtung Klassenerhalt ist für die Würzburger Zweitliga-Fußballer abgefahren. Die Reise ist aber noch nicht ganz zu Ende. Am Sonntag (15.30 Uhr) bei Eintracht Braunschweig steht die vorletzte Partie dieser Saison auf dem Programm, bei der für den Gegner noch sehr viel auf dem Spiel steht.
Die Niedersachsen, die derzeit auf Relegationsplatz 16 liegen, stecken noch mittendrin im Klassenkampf. Die Braunschweiger unterscheiden sich in einem Punkt von den anderen Kellerkindern. Die Eintracht hat als einziger unter den vier letztplatzierten Teams in dieser Saison den Trainer nicht gewechselt. Dabei stand Daniel Meyer, der nach dem Aufstieg im Sommer den inzwischen auch in Würzburg gut bekannten Marco Antwerpen ablöste, auch bisweilen in der Kritik. Erst vor zwei Wochen gab es Diskussionen um den Übungsleiter, ehe der Klub in einer Mitteilung feststellte: Meyer soll weitermachen. Es folgte ein 2:2 in Düsseldorf, bei dem Ex-Kickers-Akteur Fabio Kaufmann sein fünftes Saisontor erzielte. Für ihn war es der erste Treffer seit Januar und nach einer überstandenen Corona-Infektion. Vor dem Wiedersehen mit den Kickers warnt Kaufmann, die Aufgabe zu unterschätzen: "Wir müssen unsere Stärken wie gegen Düsseldorf auf den Rasen bringen." Auf die Frage, was der Mitaufsteiger besser gemacht habe als die Würzburger, hat Santelli eine einfache Antwort: "Sie spielen auch einmal zu Null." Den Kickers ist das in dieser Saison nur ein einziges Mal gelungen. Im Hinspiel gegen die Eintracht, als die Rothosen nach zwei Hinausstellungen für die Niedersachsen am Ende zwei Spieler mehr auf dem Feld hatten.
Auch wenn die Saison gelaufen ist, sind die Kickers bereits am Freitag in Richtung Braunschweig aufgebrochen, um sich dort auf die letzte Auswärtspartie der Saison vorzubereiten. Ein Tapetenwechsel, um ein bisschen Abwechslung in den Quarantäne-Alltag zu bringen. Denn das Team ist wie alle anderen 35 Erst- und Zweitligisten zu einem zweiwöchigen Hotel-Aufenthalt unter strengen Auflagen verpflichtet worden, um das Corona-Risiko zu minimieren. Im "Edelfinger Hof" im namengebenden Bad Mergentheimer Stadtteil haben die Rothosen Quartier bezogen. Verlassen dürfen die Spieler das Hotelgebäude nur zum Training mit einem Shuttle-Bus, für das Spieltags-Quartier in Niedersachsen gelten die gleichen Regeln.
Auf den Fluren seien schon viele hängende Köpfe zu sehen, berichtet Trainer Santelli. Am endgültig feststehenden Abstieg habe er auch nach knapp einer Woche noch zu knabbern. Im Falle des Klassenerhalts hätte man ihm womöglich ein Denkmal gebaut, glaubt Santelli: "Ob ich nun alleine Schuld bin oder nicht. Letztendlich steht jetzt in meiner Vita: Ralf Santelli ist abgestiegen." Nun gehe es darum, vor den letzten Spielen noch einmal das Feuer im Team zu entfachen: "Wenn man auf den Platz geht, dann um zu gewinnen. Das will ich sehen", sagt er.
28 Spieler sind im Quarantäne-Quartier dabei, darunter mit Niklas Hoffmann auch ein Spieler, der zuletzt monatelang verletzt und außen vor war. Er arbeitet im Mannschaftskreis an seiner Fitness. Ob Stefan Maierhofer noch bei der Mannschaft weilt, wollte Santelli nicht verraten. Blickt man ins Social-Media-Profil des Österreichers, sieht es aber nicht so aus. Ein Kandidat für einen Einsatz wäre Sturm-Oldie wohl ohnehin nicht. Unter Santelli absolvierte er keine einzige Spielminute und gehörte nie zum Spieltagskader. Die Vertragssituation der einzelnen Kicker soll nicht der Maßstab für Einsätze in den letzten beiden Partien sein. Vielmehr will Santelli sein Bauchgefühl entscheiden lassen, welche Spieler mit der aktuell nicht einfachen Situation professionell umgehen. "Wir wollen noch einmal punkten. Das wäre wichtig für den Verein und für jeden Spieler selbst."