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Basketball: Europameisterschaft
EM-Erinnerungen: Warum Ex-Baskets-Coach Denis Wucherer sich neben Dirk Nowitzki wie eine Bratwurst fühlte
17 Jahre dauerte es, bis jüngst eine deutsche Basketball-Nationalmannschaft bei einem großen Turnier wieder eine Medaille gewann. Ein Gespräch mit einem, der 2005 dabei war – und diesmal auch.
Denis Wucherer im November vergangenen Jahres noch als Trainer der Würzburger Basketballer.
Foto: HMB Media/Julien Becker | Denis Wucherer im November vergangenen Jahres noch als Trainer der Würzburger Basketballer.
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 10.02.2024 02:23 Uhr

Er gehörte zu jener deutschen Basketball-Nationalmannschaft, die vor 17 Jahren die bis zum vergangenen Sonntag letzte Medaille bei einem großen Turnier gewann: EM-Silber damals in Serbien, nach der 62:78-Finalniederlage gegen Griechenland. Die jüngste Europameisterschaft in Deutschland begleitete Denis Wucherer (49) als Experte und Co-Kommentator für den übertragenden Streaminganbieter MagentaSport. Der 123-fache Nationalspieler, der ab 2018  dreieinhalb Jahre lang die Würzburger Bundesliga-Basketballer trainiert hat, bilanziert den Bronzemedaillengewinn der DBB-Auswahl, die EM und spricht auch über die Unterschiede zu seiner aktiven Zeit.

Frage: Sie waren einer der ganz Wenigen, die Deutschland vor dem Turnier den Europameister-Titel zugetraut haben. Für die meisten erschien das von Bundestrainer Gordon Herbert ausgegebene Ziel, eine Medaille zu gewinnen, schon nahezu surrealistisch . . .

Denis Wucherer: Na ja, es wäre ja auch ein zu einfacher Tipp gewesen, auf Serbien mit Jokic oder Slowenien mit Doncic oder auf die Franzosen zu tippen, die auf dem Papier ja auch gut waren. Ich habe die deutsche Mannschaft in den letzten drei Nationalmannschaftsfenstern begleitet und auch die Qualifikationsspiele für die anstehende Weltmeisterschaft gesehen. Und Deutschland war eine von drei Mannschaften, neben Spanien und Lettland, und Lettland war nicht für die EM qualifiziert, die sechs Spiele in Folge gewonnen und eine gewisse Stabilität gezeigt haben. Und da habe ich eine Verteidigung gesehen, die mich ein bisschen daran erinnert hat, was wir 2005 hatten. Da war eine Geschlossenheit zu erkennen, da war zu sehen, dass diese Mannschaft jedem Gegner das Leben schwer machen kann. Und das ist eine Grundvoraussetzung, wenn du in einem Turnier weit kommen willst. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Teamchemie passt, soweit man das von außen beurteilen kann. Und dann schaust du dir das individuelle Talent der Spieler an. Ich hatte das Gefühl, da ist genug Potenzial, um gegen jeden Gegner zu bestehen. Natürlich war die Gold-Prognose etwas ambitioniert, aber letztlich waren genug Zutaten da, um weit zu kommen. Und deshalb freue ich mich auch, dass es geklappt hat.

Bei dieser EM sind die Mannschaften, die sich vor allem auf einen NBA-Superstar gestützt haben oder mussten, Stichworte Doncic Slowenien, Jokic Serbien, Antetokounmpo Griechenland, teils grandios früh gescheitert. Deutschland hatte, wie Ihr ihn damals hattet, keinen Nowitzki mehr – und ist weit gekommen . . .

Wucherer: Es ist schon überraschend, dass die Mannschaften mit den absoluten Superstars nicht weitergekommen sind. Auch weil die Mischung aus den richtig guten Jungs aus der Euroleague, also der Spitze des europäischen Basketballs, und den NBA-Superstars bei diesen Mannschaften nicht funktioniert hat. Klar, wir hatten aktuell Schröder, Theis und Wagner, aber das sind ja keine Weltstars, sie sind gute NBA-Spieler oder auf dem Weg dorthin. Aber diese drei Weltstars, die bei diesem Turnier jetzt dabei waren, haben es eben nicht geschafft, ihre Mannschaft so mitzunehmen, dass sie erfolgreich waren. Das sind zwei verschiedene Welten, völlig unterschiedliche Spielstile. Abhängig zu sein von einem Star war diesmal nicht erfolgreich.

Sie beschreiben damit aber das Erfolgsrezept des deutschen Basketballs in Ihrer und der Nowitzki-Ära. Da hing der Erfolg doch zumeist auch nur von einem ab, oder? Wie ist es, mit oder eher neben so einem Superstar zu spielen?

Wucherer: Absolut richtig. 2005 hat uns Dirk offensiv getragen und alles überstrahlt. Und wir, die ihn versucht haben zu unterstützen, wir waren da letztlich auch nicht gut genug, um den Titel zu gewinnen. Die Diskrepanz zwischen dem, was er konnte und gespielt hat, und dem, was wir konnten, war einfach zu groß.

Das Spiegelbild dazu war aber doch diesmal, 17 Jahre später, Slowenien mit Doncic oder Griechenland mit Antetokounmpo, die aber – im Gegensatz zu Euch damals – nicht ins Finale kamen.

Wucherer: Genau über diese Thematik habe ich mir viele Gedanken gemacht in den letzten Wochen und mich auch zurückerinnert, wie ich mich damals gefühlt habe, mit Dirk zu spielen. Wenn die Lücke zu groß ist von der Spielstärke her, dann ist das für die, die mit so einem Dirk spielen dürfen oder müssen, auch nicht so einfach.

"Ganz ehrlich: 2005 habe ich offensiv gespielt wie 'ne Bratwurst."
Denis Wucherer, 123-facher Nationalspieler
Klingt ein wenig paradox, wenn man sich doch auf einen verlassen können sollte . . . Wie haben Sie sich denn gefühlt dabei, nur dienender Erfüllungsgehilfe zu sein, wenn der Erfolg offenbar nur von einem abhing?

Wucherer: Das ist eine Kopfnummer. Du spielst anders. Ganz ehrlich: Bei der EM war ich einer der Flügelspieler, die in der Ecke gestanden haben. Und das Spiel war eben Pick-and-Roll mit Arigbabu und Femerling, und dann bekommt irgendwann Dirk den Ball. Und Dirk ist die zentrale Schaltstelle im Spiel, soviel gepasst hat er dann ja auch nicht, sondern lieber geworfen. Und du stehst in der Ecke und wartest und wartest und wartest. Ganz ehrlich: 2005 habe ich offensiv gespielt wie 'ne Bratwurst. Das hat nur Spaß gemacht, weil wir Erfolg hatten und Wege gefunden haben, Dirk zu helfen. Und plötzlich haste eine Medaille.

Dabei waren Sie zu der Zeit einer der erfolgreichsten deutschen Basketballer in der Bundesliga . . .

Wucherer: Ja, damals kam ich aus der Bundesliga aus Saisons raus, da dachte ich: Mich kann keiner verteidigen. Und das mach' ich in der Nationalmannschaft jetzt auch so. Und dann kommt der Dirk ins Training, und du fühlst dich wie 'ne Bratwurst, weil du siehst, wie unfassbar gut er ist. Das ist eine mentale Komponente, die du nicht unterschätzen darfst.

In der aktuellen Nationalmannschaft hat vor allem Franz Wagner überrascht. Sie auch?

Wucherer: Ich hatte ihn, glaube ich, gesehen, als er mit 17 oder 16einhalb in Berlin mitgespielt hat und die ersten Schritte in der BBL und auch in der Euroleague gemacht hat. Ich habe seinen Weg dann aber nicht mehr so genau verfolgt. Insofern war ich schon auch sehr überrascht, auf welch tollem Niveau er inzwischen spielt. Aber es war natürlich auch abzusehen, dass er mit seinen 21 Jahren, wenn du so ein Spiel machst wie gegen Litauen und über 30 Punkte, dass du das auf dem Niveau bei so einem Turnier natürlich nicht konstant hinkriegst. Aber in den nächsten Jahren werden wir da noch viel mehr sehen, weil er ein unglaubliches Potenzial hat.

Ein Blick in die Glaskugel, bitte: Was erwarten Sie nun für die nähere Zukunft des deutschen Basketballs?

Wucherer: Ich glaube, dass diese aktuelle Nationalmannschaft die beste ist, die Deutschland jemals hatte. Das ist die Mannschaft mit dem größten Potenzial, mit der größten Leistungsdichte, und dann können eventuell ja noch so Leute wie Bonga oder Moritz Wagner oder Oscar da Silva oder vielleicht auch Maximilian Kleber dazu kommen. Dennis Schröder hat signalisiert, solange für die Nationalmannschaft auflaufen zu wollen, solange er geradeauslaufen kann. Klar, was Schröder und  Wagner können, super, aber die anderen sind nicht weit weg. Auch Maodo Lo kann ein Spiel gewinnen, ein Andi Obst kann Spiele in die richtige Richtung lenken, du hast andere Spieler, die seit Jahren Euroleague spielen und im besten Basketball-Alter sind, da kann etwas entstehen. Da war eine Mannschaft am Start, die ich bei den im Vorfeld ernannten Favoriten so nicht gesehen habe. Dieser Generation traue ich ab jetzt bei großen Turnieren immer eine Medaille zu. Es gibt ein Fenster von drei, vier Jahren, in denen Großes passieren könnte.

"Es dauert vielleicht ein paar Tage, aber dann fühlen sich die, die Silber gewonnen haben, vermutlich trotzdem immer noch ein bisschen besser als die, die Bronze bekommen haben."
Denis Wucherer, EM-Silbermedaillengewinner
Sie haben am Finaltag als Co-Kommentator ein paar bemerkenswerten Sätze gesagt, ohne aus Ihrer persönlichen Erfahrung dabei überheblich gewirkt zu haben. In der gebotenen Kürze zusammengefasst klang das ungefähr so: Ja, der Dritte gewinnt Bronze, der Zweite verliert Gold. Schlimm für den Zweiten an dem Tag. Aber kurz später fühlt sich Silber immer besser an als Bronze.

Wucherer (er lacht herzlich): Das war keineswegs böse oder herablassend gemeint. Aber es ist so: Es dauert vielleicht ein paar Tage, aber dann fühlen sich die, die Silber gewonnen haben, vermutlich trotzdem immer noch ein bisschen besser als die, die Bronze bekommen haben. Ich wollte da bestimmt nicht die Brücke zu 2005 schlagen, ganz bestimmt nicht. Aber frag jeden, der einmal eine Medaille gewonnen hat, der wird dir das so bestätigen.

Und? Was macht Denis Wucherer in Zukunft, außer Basketball im Internet zu kommentieren? Sehen wir Sie auch wieder mal in der Bundesliga?

Wucherer (lacht): Das ist bestimmt nicht ausgeschlossen.

 
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