Nur wenige Meter entfernt von dem Rasen, auf dem der Abstieg aus der 3. Liga für die Würzburger Kickers gegen Viktoria Berlin schon an diesem Samstag (14 Uhr) beschlossene Sache sein könnte, sitzt Jürgen Kost am Freitagvormittag, um seinen ersten Pressetermin wahrzunehmen. Der 56-Jährige ist seit Anfang April der neue Sportvorstand der Kickers - ein Posten, der seit dem Rauswurf von Sebastian Schuppan im Oktober unbesetzt geblieben war. Nominell steht der Mann mit der Glatze somit über Sportdirektor Sebastian Neumann. "Auf Augenhöhe" wolle man aber künftig zusammen die sportlichen Geschicke der Rothosen leiten, betont er. Aktuell geschehe das bereits hinsichtlich der Trainer- und Spielersuche für die kommende Saison.
Kost hat offensichtlich gute Laune. Bestimmt und ruhig, aber immer mit einem Lächeln auf den Lippen, beginnt er von seiner bisherigen Arbeit im Fußballgeschäft zu erzählen. Die Anekdoten aus beinahe zwei Jahrzehnten Scoutingtätigkeit für den Premier-League-Klub Arsenal London unter Cheftrainer Arséne Wenger dürfen durchaus beeindrucken. 1,6 Millionen Kilometer hat er in dieser Zeit im Auto zurückgelegt, um immer wieder zu Spielen zu fahren und mögliche Neuverpflichtungen zu beobachten. Das Wort "entdecken" missfällt dem neuen Kickers-Sportvorstand dabei. Man müsse schon Tomaten auf den Augen haben, um Toptalente wie Tomas Rosicky, Serge Gnabry oder Erling Haaland nicht zu erkennen. "Man darf sie nur nicht übersehen."
Scout bei Arsenal London zu werden war natürlich nicht die erste Station des Oberpfälzers. Zusammen mit seinem Bruder Thomas, der unter anderem Co-Trainer bei Hannover 96 und Chefcoach bei Greuther Fürth und Bayern Hof gewesen war, hat Kost Ende der Neunziger Jahre eine Fußballer-Datenbank ins Leben gerufen. Inzwischen, über 20 Jahre später, ist dieses "Werkzeug", wie Kost es nennt, voll mit sämtlichen Daten von Profifußballern weltweit, bis runter zur U15. 18 Mitarbeiter beschäftigen die Kost-Brüder, zu ihren Kunden gehören unter anderem RB Leipzig oder Newcastle United.
Kickers-Sportvorstand Kost: "Hatte das nicht bei mir auf der Liste"
Jetzt also Sportvorstand in Würzburg. "Ich hatte das nicht bei mir grundsätzlich auf der Liste, die Position eines Sportvorstands zu bekleiden", erzählt Kost. "Ich hatte natürlich mitbekommen, was in Würzburg sportlich so passiert. Ich kannte die Achterbahnfahrt. Ich finde den Verein hochinteressant. Ich habe richtig Lust, daran mitzuarbeiten, dass Kontinuität, Stabilität und Ruhe einkehrt. Dass daraus zeitnah wieder Erfolg sichtbar wird. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es hier sehr schnell nach oben gehen kann."
Aktuell befinden sich die Kickers sportlich im steilen Sinkflug, Investor Thorsten Fischer will sich zurückziehen. Es sind denkbar ungünstige Voraussetzungen, um an einem neuen Kader zu feilen. "Was den Neubeginn betrifft, haben wir Möglichkeiten. Auch Zugriff auf Spieler mit Potenzial, die für die Zukunft des Vereins stehen", sagt Kost. Heißt: Künftig wollen die Kickers auf junge, entwicklungsfähige Spieler setzen. Die Nachwuchsleistungszentren in Frankfurt, Stuttgart und Nürnberg sind nicht weit entfernt. "Das wäre ein Korb, in den man greifen könnte." Einen Nachteil sieht Kost darin nicht: "Natürlich ist es immer einfacher, wenn Geld da ist. Aber das ist gerade das Reizvolle an der Aufgabe. Mit vermindertem Finanzeinsatz trotzdem Erfolg zu haben. Und vielleicht gerade deswegen, weil mehr gearbeitet werden muss."
Die Kickers wollen schon bald den neuen Cheftrainer verkünden
Zunächst soll jedoch eine andere Personalie geklärt werden. Sobald feststeht, ob die Kickers künftig in der dritten oder vierten Liga antreten, soll der neue Cheftrainer der Rothosen verkündet werden. "Für uns ist wichtig: Er muss jemand sein, der ein Gefühl dafür hat, wieder neu zu starten. Es wird einen Neustart geben, egal in welcher Liga." Was die Spielidee angeht, müsse er sich natürlich mit den Vorstellungen des Sportvorstands decken. "Ich stehe für schnellen und offensiven Fußball. Ich gewinne lieber 4:3 als 1:0. Das ist mein Hauptansatz, und das war bei der Trainersuche entsprechend wichtig."
Gut möglich also, dass bereits in der kommenden Woche klar ist, wer bei den Kickers künftig an der Seitenlinie stehen wird. Gewinnen die Rothosen gegen Viktoria Berlin nicht, ist der Abstieg aus dem Profifußball besiegelt. Der derzeit noch in der Oberpfalz lebende Kost wird dann nicht live im Stadion am Dallenberg dabei sein. Der neue Kickers-Sportvorstand ist unterwegs, um potenzielle Spieler für die neue Saison zu beobachten. Denn so viel steht fest, egal ob 3. Liga oder Regionalliga: Von dieser Mannschaft werden nicht viele Spieler weiterhin das Kickers-Trikot tragen.