Der TSV Rottendorf ist in die Fußball-Landesliga aufgestiegen. Zehn Saisons kämpfte die Mannschaft in der Bezirksliga dafür, arbeitete sich Schritt für Schritt nach vorne, um im Mai dieses Jahres, als der Verband den Abbruch und die Wertung der Saison beschloss, an erster Stelle zu stehen und als Meister der Bezirksliga West aufzusteigen.
"Eigentlich haben wir uns das immer ganz anders vorgestellt. Es war schon ein bisschen traurig, dass wir nun auf diese Art aufgestiegen sind", kommentiert Martin Hesselbach den immerhin größten Erfolg, den Rottendorfer Fußballer bislang erreicht haben – und Fußball gespielt wird in der vor den Toren Würzburgs gelegenen Gemeinde schon seit 1928.
Von der A-Klasse in die Landesliga
Hesselbach spielt seit mehr als 30 Jahren Fußball beim TSV. Nachdem er ein paar Jahre im benachbarten Lengfeld wohnte, sei er im Januar "zurück in die Heimat" gezogen, wie er sagt. Der 35-Jährige hat den Aufstieg der Mannschaft von den Niederungen der A-Klasse bis zu den Höhen der Landesliga mitgemacht.
Das gilt auch für Julian Wolff. Seit er vier Jahre alt ist, rennt er beim TSV dem Ball nach. Er ist Hesselbachs Cousin. "Es war schon immer so: Ich war der Vorbereiter, er der Vollstrecker", sagt der 34-Jährige. Ihr Mitspieler Fabian Heß hat mitgezählt: Hesselbach kommt, Stand heute, auf 377, Wolff auf 375 Spiele. In den vergangenen 20 Jahren hat keiner mehr Spiele für den TSV bestritten als die beiden.
Als Kinder hatten sie den Bolzplatz gleich nebenan: "Unser Haus im Talfeld war damals noch das Ende von Rottendorf. Auf dem leeren Nachbargrundstück haben wir uns mit Handballtoren einen Fußballplatz aufgebaut und dort stundenlang mit Kumpels gekickt", erzählt Wolff von ihren Anfängen. Abends habe eine Stehlampe vom Balkon aus den Platz beleuchtet.
Als Martin Hesselbach als 18-Jähriger in den Erwachsenenbereich aufrückte, war Rottendorf gerade in der Relegation in die A-Klasse abgestiegen. 2004 war das. "Dann ging's von ganz unten los", schaut er zurück. In dieser Saison schossen sie 115 Tore und stiegen im Relegationsspiel unmittelbar wieder auf.
Meisterfeier auf 80 Tonnen Sand
Ab da ging's schnell nach oben: ein Jahr in der A-Klasse, zwei in der Kreisklasse, drei in der Kreisliga. In mehreren aufeinander folgenden Jahrgängen gab es eine Reihe talentierter Spieler, die schon als Kinder "auf dem Dorf" miteinander kickten und, so Hesselbach, im Verein "durch eine großartige Jugendarbeit mit engagierten Trainern" gefördert wurden.
"Wir haben im Verein eine tolle Gemeinschaft, da fühle ich mich sehr wohl", sagt Hesselbach. Es gehöre freilich dazu, Erfolge zu feiern. Das wollen sie sich auch diesmal nicht nehmen lassen, dafür aber einen günstigen Zeitpunkt abwarten. Ihren Aufstieg in die Bezirksliga hätten sie mehrere Tage lang gefeiert: auf 80 Tonnen Sand, die ein Mitspieler im Überschwang bestellt hatte.
"Wir haben und hatten Trainer, die sich immer sehr am Menschen orientiert haben. Das ist für mich ein weiterer wesentlicher Grund", erklärt Hesselbach. Mit jedem Trainer sei die Mannschaft weitergekommen. Dabei waren es nur vier in den vergangenen 17 Jahren: Joachim Sadler, Marco Amrehn, Manuel Gröschl und jetzt Martin Lang.
Freundschaften, die Gemeinschaft, die Trainer: drei Gründe, weshalb beide auch den Avancen anderer Klubs widerstanden. Freilich hätten sie längst höherklassig spielen können. "Aber unser Verein hat uns so viel gegeben, deswegen war es im Nachhinein immer richtig zu bleiben", findet Wolff. Er war sechs Jahre lang Spielführer. Die Kapitänsbinde hat er an Nicolas Schubert übergeben: "Es ist ganz wichtig, dass jetzt auch die Jüngeren Verantwortung übernehmen."
Fast alle kommen aus Rottendorf
Ein weiterer Grund: die Beständigkeit. Der Großteil der Mannschaft bestehe aus Rottendorfern, ein paar Mitspieler kämen aus umliegenden Orten, spielten aber schon seit ihrer Jugend beim TSV. "Wenn du anfängst, Spieler zu bezahlen, fällt dir das irgendwann ganz schwer auf die Füße", sagt Wolff.
Fußball ist das eine. Das andere: "Wenn alles wieder losgeht, freuen wir uns am meisten auf das Vereinsleben, die Menschen hier, das Miteinander, das Zusammensitzen und Fachsimpeln", sagt Hesselbach, denn "dieser Erfolg ist das Ergebnis von 20, 25 Jahren harter und langer Arbeit, an der ganz, ganz viele Menschen ihren Anteil haben".
Zwei von ihnen sind Helga und Werner Dürr. "Die Meisterschaft ist für Werner, wir denken gerade besonders an ihn, weil wir wissen, was wir an Kerlen wie ihm haben, die ihr halbes Leben für den TSV eingebracht haben." Und Bernd Horak, der Vorsitzende des Gesamtvereins, fährt den Vereinsbus mit einer Handvoll Mitfahrer schon mal zum Auswärtsspiel.
"Was wir geschafft haben, verstehen wir vielleicht erst, wenn wir beim ersten Landesligaspiel auf dem Platz stehen", ahnt Hesselbach. Darauf bereiten sich die Rottendorfer inzwischen vor, die Saison beginnt am 25. Juli mit einem Heimspiel gegen Schwebenried/Schwemmelsbach.
Ein Traum, Landesliga zu spielen
Die beiden wissen: Allzu lange werden sie wohl nicht mehr auf dem Platz mit dabei sein. "Unsere Zeit als Fußballer ist endlich. Wir werden noch ein, vielleicht zwei Jahre kicken", bekennt Wolff. "Für uns war es immer ein Traum, in der Landesliga zu spielen. Darauf will ich mich noch mal bestmöglich vorbereiten."
Auch Hesselbach habe "schon mit dem Gedanken gespielt, mit dem Aufstieg als Höhepunkt aufzuhören". Aber es reize ihn zu sehr: Die bevorstehende Saison sei für ihn "eine Bonusrunde", doch "nebenbei nimmst du eine Landesligasaison nicht mit". Also werde er wohl "nach der Arbeit den einen oder anderen Lauf machen, auf den ich eigentlich keinen Bock habe".
Für beide sei es ein Geschenk, dass sie sich jetzt noch mal mit ihrem Verein in dieser Liga versuchen dürfen: "Wir wollen auf dem Platz aufhören. Wenn es mal so weit ist, wollen wir den 150, 200 Leuten, die immer da sind, tschüss sagen." Was ganz unten losging, hört fast zwei Jahrzehnte später dann recht weit oben auf.