Letzte Minute der Nachspielzeit: Hösbach schlägt den Ball weit nach vorne, Rottendorfs Verteidiger Paul Lücke aber springt hoch und köpft den Ball aus dem eigenen Strafraum, als der finale Pfiff ertönt. Lücke und seine Mitspieler vom TSV Rottendorf reißen die Arme nach oben und jubeln ausgelassen im Mittelkreis.
So wie hier beschrieben, wird es in dieser Saison wohl nicht ablaufen. Es erscheint zunehmend unwahrscheinlicher, dass die laufende Saison tatsächlich noch zu Ende gespielt werden kann. Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat auch schon angekündigt, dass er über einen Abbruch entscheiden werde, sollte bis zum 3. Mai "kein nahezu uneingeschränkter Trainingsbetrieb" möglich sein.
Die entscheidende Phase war im Herbst vergangenen Jahres
Sollte die Saison abgebrochen werden, sieht die Spielordnung vor, dass die Platzierungen für Auf- und Abstieg per Quotientenregel (erzielte Punkte geteilt durch absolvierte Spiele) zu bestimmen wären und Relegationsspiele ausfielen. In der Bezirksliga West würde das bedeuten: Der TSV Rottendorf wäre Meister mit einem Quotienten von 2,27 vor der DJK Hain, die 2,2 Punkte pro Spiel holte.
Im Herbst vergangenen Jahres, als die Ligen für wenige Wochen den Spielbetrieb wieder aufnehmen konnten, gewann Rottendorf alle Spiele und verdrängte den Konkurrenten von der Spitze. "Es spricht für uns, dass wir damals trotz aller Umstände konzentriert und ordentlich gearbeitet haben", schaut Rottendorfs Trainer Martin Lang auf die womöglich entscheidende Phase zurück.
Spieler und Verantwortliche gehen daher offen mit der Aufstiegsmöglichkeit um: "Da wir das erreichen können, sprechen wir natürlich auch darüber. Das lässt sich nicht verhindern und das wollen wir auch gar nicht. So kurz vor Schluss ist das für uns ein legitimes Ziel", sagt Lang.
Rottendorfs Spieler halten sich fit und Kontakt miteinander
Für ihn war es richtig, dass der BFV im vergangenen Jahr entschieden habe, die 2019 gestartete Saison nicht abzubrechen, sondern zu verlängern. Inzwischen glaubt aber auch er nicht mehr daran, dass bald wieder gespielt werden könne: "Auch uns wäre es lieber, wenn wir die Saison regulär zu Ende spielen würden. Das Geschehen lässt das offenbar nicht zu, so dass es zu einer anderen Lösung kommen muss."
Als ein kontaktloses Kleingruppentraining für kurze Zeit erlaubt war, nutzten die Rottendorfer die Gelegenheit. Ansonsten halten sich die Spieler individuell fit und regelmäßig Kontakt miteinander. "Wir versuchen die fußballlose Zeit so sinnvoll wie möglich zu überbrücken", sagt der 49 Jahre alte Lang. "Aber es würde für mich keinen Sinn ergeben, jetzt Spannung aufzubauen. Wie will man die über einen unbestimmten Zeitraum aufrecht halten?"
Mehr als das beschäftigt ihn in diesem Zusammenhang eine andere Frage: "Wir konnten seit einem halben Jahr weder trainieren noch spielen. Für viele wird es auch ein Thema sein, sich wieder einer Sache zu verschreiben, die für lange Zeit nicht stattgefunden hat."
Auf den Aufstieg in die Landesliga wäre Rottendorf vorbereitet
Wenn es wieder losgeht, könnten die Rottendorfer Fußballer in der Fußball-Landesliga sein. "Wir haben unsere Hausaufgaben bereits erledigt. Das ist bei uns eine recht überschaubare Aufgabe, denn der TSV Rottendorf rekrutiert sich seit Jahren hauptsächlich aus der eigenen Jugend." Noch vor Ende des vergangenen Jahres hätten die Verantwortlichen mit allen Spielern gesprochen und von ihnen die Zusage bekommen, dass sie auch weiterhin im Verein blieben.
Während somit kein Abgang feststeht, kam in der Winterpause mit Levi Wendel aus Kleinrinderfeld ein Neuzugang dazu. "Ich kenne ihn seit unserer gemeinsamen Zeit beim Würzburger FV", sagt sein Trainer über den 24-Jährigen, der die Uni Würzburg vor rund eineinhalb Jahren bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Hochschulen in China vertrat.
"In anderen Vereinen ist die Fluktuation wohl höher als bei uns", meint Lang über die kaum sichtbaren Veränderungen im Rottendorfer Kader. "Der Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, Spielern, die er in der Jugend ausbildet, weiter eine Plattform zu bieten. Wir haben eine große und gute Auswahl an solchen Spielern, daher müssen wir nicht aktiv auf andere zugehen." Das passiere zwar, ergänzt der Trainer, aber nur "sehr gezielt".
Verein setzt bewusst auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs
Auch in den nächsten Jahren werde es daher so sein, dass vor allem Spieler aus dem eigenen Nachwuchs beim TSV in der ersten und zweiten Mannschaften spielen. "Es sind genügend Jungs da. Der Verein legt Wert darauf, dass sie zum Einsatz kommen", erklärt Lang. Dieser Prozess sei vor vielen Jahren angestoßen worden und zahle sich nun eben besonders aus.
"In den vergangenen Monaten erleben wir sportlich eine Ausnahmesituation. Die Leistungen, die uns auf den aktuell ersten Platz gebracht haben, sind das Ergebnis aus vielen Faktoren", sagt Lang und nennt mit der "guten Mischung aus erfahrenen Spielern, die seit mehr als zehn Jahren in der ersten Mannschaft spielen und nun Verantwortung übernehmen - und vielen talentierten jungen Spielern, die langsam in diese Rolle hineinwachsen" einen.
Der Trainer weiß: "Wenn einer aus der Jugend kommt, ist er selten ein fertiger Spieler. Mit den Jungs muss man arbeiten, ihnen das Vertrauen schenken und sie einsetzen. Unsere Jungs wissen, dass der TSV Rottendorf auf sie setzt. Und das stärkt auch ihr Vertrauen zum Verein."