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Was macht eigentlich?
Warum die Fecht-Olympiasiegerin Anja Fichtel mit einer Zeitmaschine gern in die 1960er Jahre reisen würde
Früher im Stadion oder der Halle erfolgreich – und jetzt? Wie geht es Menschen, die den Sport prägten, nach der Karriere? Diese Woche erzählt mit Anja Fichtel eine der erfolgreichsten Fechterinnen aus ihrem Leben.
Gehört mit 14 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zu den erfolgreichsten Fechterinnen: Anja Fichtel, hier im Juli 1996 in Atlanta. 
Foto: dpa | Gehört mit 14 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zu den erfolgreichsten Fechterinnen: Anja Fichtel, hier im Juli 1996 in Atlanta. 
Dominik Großpietsch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:51 Uhr

Sie war eine der besten Fechterinnen der Welt. Und doch ist es um Anja Fichtel ruhig geworden – obwohl sie im Alter von 17 Jahren zur jüngsten Weltmeisterin ihres Sports wurde und 1988 mit 20 in Seoul schon zwei Olympia-Goldmedaillen einheimste. Die 1968 geborene Tauberbischofsheimerin prägte ihren Sport wie kaum eine andere Fechterin, wovon satte 14 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zeugen.

Begonnen hatte ihre Karriere beim Fecht-Club in Tauberbischofsheim. Von dort aus machte sich die gelernte Reise- und Bürokauffrau auf, dem deutschen Fechten neuen Glanz zu verleihen, was ihr über Jahre hinweg gelang. Die Trägerin des Silbernen Lorbeerblatts blieb dabei stets eine Freundin der offenen Worte und scheute nie die Konfrontation mit Emil Beck, ihrem Coach und langjährigen Förderer. Einst drohte sie sogar, für Österreich starten zu wollen. 

Freudestrahlend präsentieren sich nach ihrem Dreifacherfolg bei den Olympischen Sommerspielen von Seoul im September 1988 im Florett die Tauberbischofsheimer Fechterinnen Sabine Bau (Silber, links), Anja Fichtel (Gold) und Zita Funkenhauser (Bronze).
Foto: dpa | Freudestrahlend präsentieren sich nach ihrem Dreifacherfolg bei den Olympischen Sommerspielen von Seoul im September 1988 im Florett die Tauberbischofsheimer Fechterinnen Sabine Bau (Silber, links), Anja Fichtel ...

Doch diese Zeiten sind vorbei. Fichtel hat das Florett längst aus der Hand gelegt - und gab zwischenzeitlich gar an, nicht mehr zu wissen, wo ihre Medaillen lägen. Die Anja Fichtel von damals sei sie nicht mehr, hieß es. "Ich war schon in sehr jungen Jahren sehr erfolgreich, was ein Grund war, warum ich meine Karriere so früh beendete. Zusätzlich war meine ursprüngliche Überzeugung, mit beziehungsweise nach der Geburt meines ersten Kindes aufzuhören – das habe ich dann mit der Geburt meiner Tochter final getan. Grundsätzlich sollte man niemals nie sagen – vielleicht mache ich ja irgendwann nochmal was mit meiner Fecht-Leidenschaft", erklärt die 53-Jährige heute.

Mittlerweile fiebert Fichtel, die sich als "Hausfrau und Mutter" beschreibt, mit dem SC Freiburg in der Fußball-Bundesliga mit. Eine Leidenschaft, die Andreas Koper (44), mit dem sie seit 2006 verheiratet ist und mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat, mit in die Ehe gebracht hat. Die Fecht-Legende, die neben drei Kindern mittlerweile auch drei Enkelkinder im Alter von zwei, drei und acht Jahren hat, ist "bei einem Optiker im Büro als Bürokauffrau" beschäftigt. 

Frage: Wie erleben Sie die Corona-Krise und mit welchen Erwartungen gehen Sie in die nächsten Monate?

Anja Fichtel: Jede Krise ist auch eine Chance, vor allem, wenn man seine Ängste ablegt, sich nicht verrückt machen lässt und jeden Moment so nimmt, wie er ist.

Ihre gegenwärtige Form?

Fichtel: Ich fühl mich wohl in meiner Haut.

Für welchen Sport bewegen Sie sich noch?

Fichtel: Nordic Walking, Qi Gong, Yoga.

Und was bewegt Sie?

FichtelMeine alte B-Klasse, die mich zuverlässig von A nach B bringt.

Wofür wären Sie heute gerne noch mal jung?

Fichtel: Für die wilden 80er. Beste Musik ever.

Was schätzen Sie am Alter am meisten?

Fichtel: Dass man auf einen immensen Erfahrungsschatz zurückgreifen und somit gelassen darauf vertrauen kann, dass einen so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringt. Außerdem das Gefühl, nichts mehr zu verpassen.

In welche Zeit würden Sie mit einer Zeitmaschine reisen und warum?

FichtelIn die 60er Jahre. Style, Umgang, Musik.

Rät anderen Sportlerinnen und Sportlern, den Augenblick des Sieges zu genießen: Anja Fichtel,  hier mit dem damaligen Fecht-Bundestrainer Emil Beck (rechts) nach dem Gewinn der Bronzemedaille im Florett-Mannschaftswettbewerb bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996.
Foto: Andreas Altwein | Rät anderen Sportlerinnen und Sportlern, den Augenblick des Sieges zu genießen: Anja Fichtel,  hier mit dem damaligen Fecht-Bundestrainer Emil Beck (rechts) nach dem Gewinn der Bronzemedaille im ...
Ihr Lieblingsort?

Fichtel: Die Liebfrauenbrunn-Kapelle bei Werbach im Main-Tauber-Kreis. Einer der magischsten Orte.

Was haben Sie vom Leben gelernt?

Fichtel: Es kommt, wie es kommt, und alles hat seine Zeit.

Und was hat Sie der Sport gelehrt?

Fichtel: Kämpfen. Und dass nichts verloren ist, bis es vorbei ist. Geht nicht, gibt's nicht.

Bei welchem Thema werden Sie angriffslustig?

Fichtel: Ich bin schon ein milder Löwe (Sternzeichen) geworden.  

Und wen oder was würden Sie immer verteidigen?

Fichtel: Meine Familie. 

Glücklich: Anja Fichtel (rechts) und ihr Mann Andreas Koper bei der Sportler-des-Jahres-Gala 2014 in Baden-Baden. 
Foto: Schreyer, imago sportfotodienst | Glücklich: Anja Fichtel (rechts) und ihr Mann Andreas Koper bei der Sportler-des-Jahres-Gala 2014 in Baden-Baden. 
Wie waren die ersten Wochen/Monate nach Ihrem Karriereende in der Familie?

FichtelSchwierig.

Welchen Moment Ihres Lebens würden Sie gerne noch einmal erleben?

Fichtel: Ich würde gerne nochmal meine Mutter treffen, die vor 20 Jahren gestorben ist.

Welches sportliche oder menschliche Foul würden Sie gerne rückgängig machen?

Fichtel: Ich will nichts rückgängig machen.

Wenn Sie nicht Sportler geworden wären – was dann?

Fichtel: Langweilig. Der Sport hat mir die Welt gezeigt.

Ihr Lieblingssportler heute?

Fichtel: Raphael Koper, der gemeinsame Sohn von mir und meinem Mann Andy. Viele Grüße an das Wolfsrevier in Rimpar.

Was war das größte Abenteuer Ihres Lebens?

Fichtel: Einen deutlich jüngeren Mann zu heiraten (lacht).

Nach wessen Pfeife tanzen Sie heute?

Fichtel: Nach keiner.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?

Fichtel: Über meine Antwort hinsichtlich des größten Abenteuers meines Lebens. 

Was regt Sie auf?

Fichtel: Dass man sich über alles aufregt. Ich würde mir mehr Gelassenheit wünschen.

Wen bewundern Sie – und wofür?

Fichtel: Meinen Mann Andy, der sich nach seiner Hirnblutung zurück ins Leben gekämpft hat. Dank an dieser Stelle an die großartige Arbeit der Kopfklinik in Würzburg!

Anja Fichtel, hier 2011, arbeitet als gelernte Reise- und Bürokauffrau auch heute noch in Teilzeit im Büro bei einem Optiker.
Foto: Bodo Marks/dpa/lno | Anja Fichtel, hier 2011, arbeitet als gelernte Reise- und Bürokauffrau auch heute noch in Teilzeit im Büro bei einem Optiker.
Wer oder was macht Sie glücklich?

Fichtel: Dass ich so sein darf, wie ich bin.

Und vor welchem Unglück fürchten Sie sich?

Fichtel: Vor keinem. Nein, Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Was möchten Sie noch lernen?

Fichtel: Alle Menschen immer so zu nehmen, wie sie sind.

Was möchten Sie unbedingt noch erleben?

Fichtel: Den SC Freiburg als deutscher Meister! Mein Mann hat die Liebe zum SC aus seiner Studienzeit in Freiburg mit in die Ehe gebracht. Raphael hat sich in den letzten Jahren davon anstecken lassen, und das macht mich wiederum irgendwie auch zum Fan, und wir fiebern alljährlich mit dem Verein mit. Zusätzlich ist Christian Streich ein toller Trainer!

Wovon träumen Sie?

Fichtel: Ich hab' alles, was ich brauche.

Welche Botschaft würden Sie (jungen Sportlern) gerne hinterlassen?

FichtelIn der Niederlage zu erkennen, dass es nur ein Sport ist – und im Sieg das volle Glück des Augenblicks zu genießen. Man ist und bleibt derselbe Mensch.

Als wer oder was würden Sie gerne wiedergeboren werden?

Fichtel: Als ein Mensch.

 
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