Es war der Morgen danach: Auch wenn man sich im Umfeld der Würzburger Kickers so langsam an die schnellen Personalwechsel gewöhnt hat, Normalität sind solche Rausschmisse auch im schnelllebigen Profifußball nicht. Ob die Trennungen von Trainer Torsten Ziegner und Sportvorstand Sebastian Schuppan beim Fußball-Drittligisten die gewünschte Wirkung entfalten, bleibt abzuwarten. Emotional aufgewühlt hat die Situation das Umfeld und auch die Mannschaft schon. Das spürt man, als das Team am Tag nach dem großen Personalbeben erstmals zum Training am Dallenberg zusammengekommen ist. Auch wegen des Interesses. So viele Pressevertreter und Kamerateams kommen selten zu den Übungseinheiten. Der Klub ist in der 3. Liga auf den vorletzten Tabellenplatz abgerutscht, aber das Interesse ist noch da.
Eigentlich sollte alles ja ganz anders kommen. "Kontinuierliche Arbeit ist unsere Zielsetzung", sagte Kickers-Vorstandsvorsitzender Christian Jäger auch noch an diesem Dienstag, als nebenan das Interims-Trainer-Duo Sebastian Neumann und Dieter Wirsching die erste Trainingseinheit abhielt. Im Juli war Jäger neu angetreten. Es sollte ein Neuanfang nach der chaotisch verlaufenen Zweitliga-Saison werden. Nun muss der Rothosen-Chef den Rausschmiss der kompletten sportlichen Führung begründen. "Auch wenn wir wissen, dass wir im letzten Jahr schon etliche Trainer hier hatten. Aber es gab keine andere Alternative", sagt er. Zu enttäuschend sei die Entwicklung gewesen: "Die Mannschaft hat absolut die Klasse, um in der 3. Liga eine gute Rolle zu spielen. Es liegt nicht an der Qualität der Spieler."
Warum dann auch Sportvorstand Schuppan gehen musste? Das sei letztlich eine Entscheidung des Aufsichtsrats gewesen. Dessen Vorsitzender Thorsten Fischer, als Geschäftsführer der Online-Druckerei Flyeralarm auch Investor und Hauptgeldgeber, hatte sich, so ist zu hören, von Vertrauten beraten lassen. Er habe seine Meinung "eingebracht", sagt Jäger. Ob er für einen Verbleib oder die Trennung von Schuppan war, verrät er nicht.
Nun soll der Blick schnell nach vorne gehen. Auf dem Platz haben nun erst einmal mit Wirsching und Neumann zwei Männer das Sagen, die mit einer neuen Ansprache frischen Wind ins Team bringen wollen. Auch wenn bereits feststeht, dass sie nur Aushilfstrainer sein können, schon alleine wegen der fehlenden Fußballlehrer-Lizenz. Neumann hat als Mannschaftskapitän bei den Kickers nach dem Zweitliga-Abstieg 2017 eine ganz ähnliche Situation erlebt. Damals wurde, ebenso wie diesmal, nach elf Drittliga-Spieltagen der Trainer getauscht. Unter Stephan Schmidt war das Team tief gefallen, ehe dessen vormaliger Assistent Michael Schiele übernahm und die Mannschaft noch ins Vorderfeld der Tabelle führte. Die Lage sei, so stellte Neumann am Dienstag fest, schwer. Aber das Beispiel von damals soll Mut machen.
Die Aufgabe für die folgenden Tage definiert Wirsching: "Wir werden den Charakter hinterfragen." Wer sich nicht im Sinne des Teams verhält, für den sollen schwierige Zeiten anbrechen. Das macht Wirsching ohne Umschweife klar. "Faule Äpfel können wir hier nicht gebrauchen." Wer weiß: Womöglich ist es ja diese eindeutige, unverstellte Ansprache, die bei den Kickers den Prozess in Gang setzt, an dessen Ende aus Einzelspielern eine Mannschaft wird. "Irgendetwas muss nicht gepasst haben", stellt Wirsching fest. Dies gelte es nun zusammen mit dem verbliebenen Trainerteam zu ergründen.
Dann soll bald ein neuer Cheftrainer übernehmen. Beim nichtöffentlichen Test gegen Süd-West-Regionalligist Großaspach am Donnerstag werden Wirsching und Neumann das Kommando haben. Spätestens beim nächsten Liga-Spiel am 17. Oktober bei Viktoria Köln soll die Trainerfrage aber geklärt sein, so der Vorstandsvorsitzende Jäger: "Wir wollen einen Trainer, der konzeptionell und inhaltlich mit den Spielern arbeiten kann - und keinen Feuerwehrmann . Aber natürlich muss die erste Priorität sein, dass wir den Klassenerhalt sichern", sagt er.
Noch mit Schuppan hatte der Klub sich in den vergangenen Wochen auf dem Trainermarkt umgeschaut, um für den Fall eines Wechsels vorbereitet zu sein: "Wir werden zeitnah mit möglichen Kandidaten sprechen", so Jäger. Ob der Trainer womöglich auch aus dem eigenen Lager kommen kann? Auch Ralf Santelli, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, ist offenbar noch nicht aus dem Rennen. Die Suche nach einem neuen Chefcoach hat, laut Jäger, erst einmal höchste Priorität noch vor der Personalie des Sportvorstands. Der Verein muss sich zum x-ten Mal in den letzten Monaten neu sortieren. Es wird keine leichte Übung.
Sonst würde man in allerhöchster Not einen "Feuerwehrmann" suchen und keinen der vielen Schönredner.
FWK: Der Profifußball sagt leise servus...