
Es war 17.01 Uhr am Sonntag, als durch die Emil-Beck-Halle in Tauberbischofsheim ein Schrei gellte. Es war der Schrei der Siegerin des German Masters im Florettfechten. Der Schrei von Leonie Ebert.
Man hätte viel in ihn hineininterpretieren können. Die "Aufregung" angesichts des ersten Turniers nach neun Monaten Corona-Pause, von der die Olympia-Hoffnungsträgerin sprach. Die Anspannung, die nach ihrem zugleich letzten Wettbewerb des Pandemie-Jahres von ihr abgefallen sein dürfte. Und vor allem auch die Freude. "Es hat so viel Spaß gemacht, endlich wieder unter Wettkampf-Bedingungen zu fechten. Ein mega Gefühl! Das nehme ich mit ins neue Jahr", sagte Leonie Ebert nach ihrem 15:12-Finalsieg über ihre Vereinskollegin Carolin Golubytskyi von Future Fencing Werbach.
Golubytskyi geht die Puste aus
Golubytskyi war mit 3:0 ins Gefecht gestartet, hatte dann beim Stand von 5:4 aber fünf Treffer in Folge kassiert und war in Rückstand geraten. Da sei ihr ein bisschen "die Puste ausgegangen", sagte die Nummer vier der deutschen Rangliste hinterher. Auf mehr als zwei Treffer kam sie nicht mehr ran. Ob sich die erfahrene, fast 35 Jahre alte Fechterin über die Niederlage gegen die 21-jährige Nationalteam- und Sportsoldaten-Kollegin ärgerte? "Ach, gar nicht. Klar gewinne ich gerne, aber ich war auch zwei Wochen krank. Dafür war's super."

Bei den Männern hatten sich am Samstag mit Luis und Felix Klein zwei Fechter des FC Tauberbischofsheim im Finale ein Bruderduell geliefert. Am Ende setzte sich der jüngere Luis mit 15:10 durch. Dritter wurde Alexander Kahl (Hanau), der Tom-Florin Löhr (Münster) mit 15:5 bezwang.
Peter Joppich scheidet frühzeitig aus
Eine Überraschung war, dass Peter Joppich (Koblenz) nicht im Endgefecht stand. Dem vierfachen Einzel-Weltmeister gelang in der Vorrunde nur ein Sieg, in der K.o.-Runde schied er frühzeitig aus.

Bei den Frauen bestritten mit Leandra Behr und Aliya Dhuique-Hein zwei Lokalmatadorinnen des Gastgebervereins das "kleine Finale". Die Tochter der Fecht-Olympiasieger Matthias Behr und Zita Funkenhauser, Nummer fünf der deutschen Rangliste, unterlag Dhuique-Hein (17.) mit 11:15.
Anne Sauer mit Coronavirus infinziert
Die Drittplatzierte war für Anne Sauer (Werbach) nachgerückt, die nach einer Operation am Hüftknochen im Juni noch nicht wieder ins Fechttraining zurückgekehrt ist - und aktuell dazu noch andere gesundheitliche Probleme hatte. Wie Sauer am Freitag auf ihrem Instagram-Kanal veröffentlichte, hat sie gerade erst eine Covid-19-Infektion überstanden. "Testergebnis - Corona positiv", schrieb sie dort "nach elf Tagen häuslicher Isolation". Davon sei es ihr fünf Tage lang richtig schlecht gegangen.

Die 16 Starterinnen in Tauberbischofsheim belohnten sich indes für die langen Trainingsmonate. "Ohne Wettkämpfe hat man schon manchmal das Gefühl, kaum noch eine Berechtigung zu haben, jeden Tag sieben Stunden in der Halle zu stehen", hatte die Ranglisten-Führende Leonie Ebert im Vorfeld gesagt. Nach fünf souveränen Siegen in der Vorrunde, die auf fünf Treffer gefochten wurde, meinte sie vor der K.o.-Runde: "Wer beim 15-er Gefecht gewinnt, der hat an dem Tag auch die bessere Leistung erbracht. Da entscheidet nicht mehr viel das Glück, das ist dann wirklich Können." Nach dem Endkampf gegen Golubytskyi resümierte die Würzburgerin: "Am Anfang war ich noch etwas zögerlich und musste erst in meinen Rhythmus finden. Als ich dann im Tunnel drin war, ist alles wie von alleine passiert."
Christbäume zwischen den Planchen
So steckten all die sich entladenden Emotionen vielleicht tatsächlich in Eberts letztem Schrei. Und doch war der auch nur einer von vielen Schreien an diesem Tag am Olympiastützpunkt, wo sonst nur das Klingen der Floretts und die Kommandos der Obmänner zu hören waren. Denn Zuschauer waren rund um die fünf Planchen, zwischen denen vier kleine und zwei große Christbäume standen, angesichts der strengen Hygienevorschriften nicht erlaubt. "Das Wochenende ist reibungslos verlaufen, alle Tests waren negativ", zeigte sich Sven Ressel erleichtert, der Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes.
Der Verband hat die dreiteilige German-Masters-Serie erstmals aufgelegt, als Alternative für die Ende November ausgefallenen deutschen Meisterschaften. Aus Sicherheitsgründen dürfen beim Masters pro Disziplin und Geschlecht allerdings jeweils nur die 16 statt der 72 Ranglisten-Besten teilnehmen. Den Wettkämpfen im Florett- und Degenfechten, mit dem die Serie am vergangenen Wochenende in Leipzig gestartet war, attestierte Ressel trotz der langen Pause "ein sehr gutes Niveau".
Säbelfechten-Masters in Bonn noch fraglich
Ob den abschließenden dritten Teil im Säbelfechten, das für kommendes Wochenende in Bonn geplant ist, aufgrund des Lockdowns tatsächlich stattfinden wird, stand am Montag (14.12.) noch nicht abschließend fest. "Wir holen erst mal ein Stimmungsbild der Athleten ein", teilte Sprecherin Isabelle Keller am Mittag auf Anfrage mit. "Falls die an den Start gehen möchten, müssen wir warten, ob es im Laufe der Woche von der Politik noch Verschärfungen für den Profisport gibt. Notfalls würden wir das Turnier auf Januar verschieben."

"Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, diesen Wettkampf hier auszutragen", sagte Leonie Ebert nach insgesamt acht Gefechten am Sonntag, die meisten gegen Kolleginnen aus ihrer Trainingsgruppe. "Das war mental herausfordernd, wir kennen uns ja so gut." Sie habe dennoch einfach versucht, möglichst viel "Spaß "zu haben. "Ich weiß, das klingt wie eine Floskel, die fast jeder Athlet sagt", schob sie nach. "Aber auch jeder, der mal auf Leistungssport getrimmt war, weiß, dass es unglaublich schwierig ist, gerade in Drucksituationen Spaß zu haben. Wenn man diese Leichtigkeit findet, dann hat man noch mal ein ganz anderes Niveau und kann eine ganz andere Leistung bringen."
Ressel glaubt an Austragung von Olympia
Ob, wann und wie es im neuen Jahr mit Wettkämpfen weitergehen wird, vermag aktuell niemand zu prognostizieren. Der Auftakt der Weltcup-Saison wurde bereits auf Februar verschoben. "Ich glaube daran nicht", bekräftigte Ressel einmal mehr. "Ich denke, dass es eher erst Richtung April wieder losgehen wird." Der DFB-Sportdirektor räumte angesichts des parallel zum Turnier in Tauberbischofsheim verkündeten Lockdowns ein: "Immerhin kommt er in einer Phase, der für den Leistungssport aufgrund der Feiertage günstig ist. Wir haben schon veranlasst, dass wir ab dieser Woche das Kadertraining runterfahren und nur noch in ganz kleinen Gruppen umsetzen werden. Wir müssen darauf achten, dass alle gesund bleiben. Das hat Priorität."

Dass die auf 23. Juli 2021 verlegten Olympischen Spiele in Japan stattfinden werden, glaubt Ressel indes schon. "Vor einem halben Jahr hätte ich eher nicht erwartet, dass sie ausgetragen werden, aber nach den letzten Entwicklungen sieht es doch danach aus." Die Weltranglisten-Elfte Ebert ist als einzige Florettfechterin für Tokio qualifiziert, die Mannschaft verpasste die Qualifikation.
Weihnachten im Familienkreis
Nun freut sich die Olympia-Hoffnung aber erst mal auf Weihnachten im engsten Familienkreis mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern, Basketballer-Bruder Constantin Ebert und Schwester Amelie Ebert, frühere Synchronschwimmerin und heutige Sportpolitikerin und Ärztin. "Sie arbeitet im Krankenhaus mit Corona-Patienten", berichtete die Florettfechterin. "Mal schauen, ob sie überhaupt frei kriegt."
Sollten die vier an Heiligabend in Würzburg zusammensitzen und auch übers Fechten reden, dann kommt vielleicht ja noch mal die Geschichte auf den Tisch, als Constantin Ebert zum ersten Mal bei einem Wettkampf seiner Schwester zuschaute. "Als er in die Halle kam, stand auf der Bahn vor ihm eine Ungarin, die in dem Moment die Maske abgenommen und wie ein Bulle geschrien hat", erzählte Leonie Ebert in Tauberbischofsheim lachend. "Mein Bruder wusste gar nicht, wie ihm geschieht. Unsere Welt ist eben ein bisschen eine andere." Ihr eigener Siegesschrei klang am Sonntag darin nach.