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Würzburg
Leonie Becks Drama um das Olympia-Ticket
23 lange Minuten muss die Freiwasserschwimmerin bangen – und nach Jubel und Tränen nochmals zittern. Wie sie das Rennen und die emotionale Anspannung danach erlebt hat.
Leonie Beck beim Interviewtermin in der Main-Post.
Foto: Christoph Weiß | Leonie Beck beim Interviewtermin in der Main-Post.
Sabrina Knoll
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:31 Uhr

23 Minuten sind eigentlich keine allzu lange Zeit. Im Vergleich zu einem Arbeitstag etwa oder einem Zehn-Kilometer-Rennen bei einer Weltmeisterschaft. Das hatte Leonie Beck gerade hinter sich gebracht, als sie dort stand auf der Startbrücke und auf die Anzeigetafel starrte. Denn: Eine erste Auswertung hatte die Würzburgerin zwar zunächst als Neunte des Freiwasserrennens in Yeosu ausgewiesen. Aber es war ein sehr unübersichtlicher Zielsprint. Und nur ein Platz unter den ersten Zehn in Südkorea bedeutete die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Stefan Lurz als erster Gratulant

So dauert es eben jene 23 Minuten, bis das Ergebnis offiziell und damit zum allgemeinen Jubel im Team des SV Würzburg 05 freigegeben wurde. Erster Gratulant war Trainer Stefan Lurz, der später sagen sollte, diese 23 Minuten seien fast aufregender gewesen als das Rennen selbst. Als Beck dann in die Arme ihres Vaters Alexander sank, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Das war ziemlich aufregend gerade“, sagte die 22-Jährige wenig später: „Als das Ergebnis dann durchgesagt wurde, war es sehr erleichternd.“ Wie es in der äußerlich stets ruhig wirkenden jungen Frautatsächlich ausgesehen haben muss, lässt sich bei einem Blick auf das Endergebnis erahnen: Zwei Zehntelsekunden trennten Beck nach zehn Kilometern und 1:54:51,0 Stunden von Platz elf.

Wimmelbild: Der Blick auf das Zehn-Kilometer-Freiwasserrennen der Frauen bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Yeosu.
Foto: HANDOUT | Wimmelbild: Der Blick auf das Zehn-Kilometer-Freiwasserrennen der Frauen bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Yeosu.

Einspruch nach der Erleichterung

Tatsächlich ließ sich der Zieleinlauf mit bloßem Auge kaum erkennen. Überall klatschten Hände scheinbar gleichzeitig an das Zielbrett. Die gesamte Top Ten war innerhalb von gerade einmal 3,9 Sekunden ins Ziel gekommen. Ein eindrucksvolles Bild dafür, dass es bei dieser WM um so viel mehr ging als um Gold (Xin Xin/China, 1:54.47,2 Stunde), Silber (Haley Anderson/USA, 1:54:48,1) und Bronze (Rachele Bruni/1:54:49,9). Es ging um den Traum von Olympia. Steht der auf dem Spiel, können auch 23 Minuten sehr lang sein. Zumal nach der Erleichterung, den Umarmungen und den freudigen Interviews die nächste Hiobsbotschaft das deutsche Team erreichte: Frankreich hatte im Namen der elftplatzierten zweifachen Weltmeisterin Aurelie Muller Einspruch eingelegt. Betroffen von der Prüfung: die Plätze neun bis elf. Würde es doch noch schiefgehen? Nein. Der Einspruch wurde abgelehnt. Knapp zwei Stunden nach Rennende war endgültig klar: Leonie Beck reist zu Olympia.

In Tokio wird es für die Würzburgerin im kommenden Jahr auch darum gehen, die Erinnerungen an ihre ersten Spiele in Rio de Janeiro verblassen zu lassen, bei denen sie im Becken im Vorlauf über 800 Meter deutlich über ihrer Bestzeit geblieben war. Anschließend hatte sie gar mit dem Gedanken gespielt aufzuhören.

Froh über Wechsel vom Becken

Der Wechsel ins Freiwasser aber ließ sie an eine zweite Chance glauben. Nach ersten Enttäuschungen sammelte die EM-Zweite über fünf Kilometer und mit der Staffel mehr und mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Heute sagt sie: „Ich fühle mich viel besser im Freiwasser als im Becken.“

Das Rennen um Olympia, in dem sie sich im Hafenbecken von Yeosu gegen 50 Schwimmerinnen durchgesetzt hat, war ein weiterer Beweis für Becks Entwicklung. Sie verlor immer wieder die Führungsgruppe, in der sie sich eigentlich von Beginn an hatte festsetzen wollte. „In der ersten Runde hat nichts funktioniert, dann habe ich mich vorgekämpft, dann habe ich bei den Bojen wieder was verloren, dann habe ich mich wieder vorgekämpft, dann habe ich bei der Verpflegung verloren, mich wieder vorgekämpft. Es war ein richtiger Kampf, das Rennen“, sagte Beck. Nun sei sie froh, dass sich das Kämpfen gelohnt hat, in diesem Rennen, aber auch zuvor: „Die ganzen Jahre, die ich dafür gearbeitet habe, haben sich rentiert.“

Deutsche Schwimmer können Geschichte schreiben

Da sich mit Finnia Wunram auch die zweite deutsche Schwimmerin als Achte (1:54:50,7) ins Team Tokio geschwommen hat, konnte der DSV sich zwei Jahre nach der medaillenlosen WM für die Freiwassersparte erstmals in der noch jungen Olympia-Geschichte des Freiwasserschwimmens beide möglichen Startplätze für das Zehn-Kilometer-Rennen der Frauen sichern. Eine große Erleichterung, auch für Bundestrainer Lurz.

Sollte am Dienstag Rob Muffels und Florian Wellbrock dasselbe gelingen, werden die deutschen Freiwasserschwimmer Geschichte schreiben: Noch nie hat eine Nation seit der Olympia-Premiere des Zehn-Kilometer-Rennens 2008 alle vier möglichen Startplätze für sich verbuchen können. „Ich drücke den Jungs auf jeden Fall die Daumen“, sagte Leonie Beck.

 
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