Menschen, deren angeborene Geschlechtsmerkmale nicht ihrer individuellen Geschlechtswahrnehmung entsprechen, führen vor ihrem Outing einen Kampf mit sich, viele anschließend einen gegen Diskriminierung. Eine Suizidrate von 35 Prozent innerhalb dieser in Deutschland 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung zählenden Gruppe dokumentiert immense psychische Belastungen. Transmenschen werden noch nicht in dem Maße wie früher wahrgenommene Minderheiten erfasst von einem sich zu Toleranz und Akzeptanz verschiebenden Wertesystem.
Ein Wertesystem, dem sich der Sport, der Fairness als höchstes Gut postuliert, nicht verschließen darf. Fairness bedeutet, niemanden auszugrenzen. Genau das passiert in den USA, wo die Aberkennung der durchaus überschaubaren sportlichen Erfolge der Schwimmerin Lia Thomas von Konkurrentinnen und Verbänden offen diskutiert wird. Auch in Deutschland existieren, bisweilen nachvollziehbare, Vorbehalte gegenüber Transfrauen im Frauensport. Es werden auf Muskelmasse und früherem Hormonhaushalt basierende physische Vorteile genannt. Fehlende Fairness gegenüber biologischen Frauen – gemeint ist Chancengleichheit.
Die Chance auf ein Leben ohne Diskriminierung
Genau um die muss es tatsächlich gehen, nur eben in allen Bereichen des Lebens und für alle Menschen. Um die Chance auf ein Leben ohne Diskriminierung. Dazu gehört auch die freie Ausübung von Wettkampfsport, gleich auf welcher Leistungsebene. Nur: Mit wem soll sich eine Transfrau, die nach Hormontherapie und Personenstandsänderung vor dem Gesetz eine Frau ist, sportlich messen? Mit Männern? Sie ist kein Mann – ganz abgesehen davon, dass Testosteronblocker und Hormontherapie Muskelmasse stark schwinden lassen.
Ausschließlich mit anderen Transgendern? Das käme einer ungeheuerlichen Ausgrenzung gleich, würde Transidentität auf eine Stufe mit körperlicher oder geistiger Behinderung stellen. In einer politischen Entwicklungsphase, in der in Deutschland Transidentität durch eine überfällige Änderung des 42 Jahre alten Transsexuellen-Gesetzes künftig nicht mehr als Krankheit gelten soll, ist es inakzeptabel eine gesetzlich legitimierte Frau nicht bei Frauen starten zu lassen.
Der Sport muss abwägen: Zwischen einer tatsächlich in Einzelfällen gefährdeten Wettkampf-Chancengleichheit und der gesamtgesellschaftlichen Chancengleichheit für alle Menschen. Keine einfache Entscheidung – aber eine, die zu Gunsten von Transfrauen getroffen werden sollte, um ihnen weitere Diskussionen und die damit verbundene Missachtung ihrer Würde zu ersparen.