Die Nachricht von der Absage des legendären Ironman im Februar auf Hawaii erreichte die deutschen Triathleten zu nachtschlafender Zeit – Carolin Lehrieder noch bevor sie ins Bett ging. Unerwartet kam sie nicht. Nicht für die 31 Jahre alte Würzburgerin und nicht für die Weltmeister. „Aufgrund der Corona-Entwicklungen der vergangenen Wochen war das fast klar. Daher ist die Enttäuschung jetzt nicht mehr ganz so groß. Es ist gut, so früh Gewissheit zu haben. Die Absage ist ein richtiger und vernünftiger Schritt“, sagte Lehrieder am Mittwoch recht gefasst auf Anfrage dieser Redaktion.
So reagieren die Weltmeister Haug und Frodeno
„Ich bin natürlich sehr traurig darüber“, meinte Titelverteidigerin Anne Haug gegenüber der dpa, „aber die Entscheidung ist in Anbetracht der aktuellen Situation mehr als nachvollziehbar.“ Ähnlich äußerte sich der dreimalige Champion Jan Frodeno. „Eine Weltmeisterschaft ist momentan nicht durchführbar mit Athleten aus allen Kontinenten, wir müssen einfach weiterhin noch regionaler denken und handeln.“ Für 2014-Weltmeister Sebastian Kienle kam die Absage ebenfalls nicht überraschend. Er verwies auf die dramatische Corona-Entwicklung in den USA. „Das Reisen ist kaum möglich“, sagte der 36-Jährige.
Zeitgleich mit der Pressemitteilung war per persönlicher Mail in der Nacht auf Mittwoch die Absage wegen der Coronavirus-Pandemie in den Postfächern der Athletinnen und Athleten gelandet. „Wir waren hoffnungsvoll, dass wir unsere Athleten, deren Familien und Fans für diese Veranstaltungen willkommen heißen können, aber der andauernde Einfluss der Pandemie macht das unmöglich“, sagte Ironman-Chef Andrew Messick.
Erste Absage seit 1978
Nach einer Verschiebung war das Kultrennen über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen vom 10. Oktober für den 6. Februar 2021 neu angesetzt worden. Nun wurde die Absage mitgeteilt. Seit der Premiere des Rennens auf Hawaii 1978 ist es das erste Mal. Auch die WM 2020 über die halbe Ironman-Distanz wird nicht stattfinden. „Es ist hart, diese Entscheidung im Juli zu treffen, aber das bringt die notwendige Klarheit für Athleten, Gastgeber und Partner“, betonte Messick.
Ein Problem waren auch die Qualifikationskriterien. Durch die globale Ausbreitung des Coronavirus fanden in diesem Jahr noch keine Ironman-Rennen statt, zuletzt wurde auch der zunächst in den September verschobene Ironman Hamburg abgesagt, die EM in Frankfurt gab und gibt es in diesem Jahr auch nicht. „Man weiß gar nicht, wer bei der WM hätte starten sollen“, sagte Kienle der dpa.
Dennoch hatten sowohl Frodeno & Co als auch Lehrieder die Trainingspläne bereits nachjustiert und mit der Vorbereitung auf den Höhepunkt und Klassiker im Triathlon Anfang kommenden Jahres begonnen. „Ich bin richtig fit und könnte in sechs Wochen in einen Wettkampf gehen“, sagte Carolin Lehrieder. Da einzelne Herbst-Rennen in Europa noch nicht abgesagt sind, trainiere sie voraussichtlich bis September weiter – „wenn auch sicherlich nicht mehr mit der ganz großen Motivation und Spannung“ –, gehe dann wie in einer normalen Saison in die Pause und nehme im November die Vorbereitung für 2021 wieder auf. In der Hoffnung, dass der Ironman dann im Oktober stattfinden kann. Ihre Qualifikation, die sich die Würzburgerin mit ihrem Sieg beim Ironman Italy im September 2019 erstmals in ihrer Profikarriere gesichert hatte, hat weiter Bestand.
Ob sie jemals ans Aufhören gedacht habe, als „die Enttäuschung von Rennabsage zu Rennabsage wuchs“? „Überhaupt nicht“, versicherte Lehrieder: „Jetzt hab ich einmal diesen Traum erreicht, da will ich ihn mir auch erfüllen.“ Die für den SV Würzburg 05 startende Triathletin räumte ein: „Scheiße ist es schon, wie alles gelaufen ist. Ich war so gut drauf und hab vor Selbstvertrauen gestrotzt, nachdem ich seit letztem Jahr auf einer Welle geritten bin. Die ist jetzt erst mal gebrochen.“ Aber die 31-Jährige sagte auch: „Wir sind alle in der gleichen Situation. Jeder muss für sich seinen inneren Weg finden, um damit umzugehen.“
Carolin Lehrieder überlegt, sich statt Hawaii etwas zu gönnen, wovon sie auch schon lange geträumt, aber wofür sie bisher nie Zeit hatte: eine Trans-Alp-Tour mit dem Rad.
Mit Material von dpa
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