Tagelang, so ist es in Internetblogs zu lesen, war die Altstadt im Herbst 2015 in schwarze Tücher gehüllt. Selbst die Anwohner wussten damals nicht, was im Geheimen vor sich ging. Es waren die Dreharbeiten zur sechsten Staffel von "Game of Thrones". Die Stufen zur Kathedrale von Santa Maria, das alte Kloster Sant Pere de Galligants, die Placa dels Jurats und die Gassen verwandelten sich in die Welt von Braavos, King‘s Landing und Oldtown.
Carolin Lehrieder hat die Fantasy-Fernsehserie nicht gesehen. Aber gehört hat sie hier einiges davon. Dort, wo Arya Stark in "Game of Thrones" bei den gesichtslosen Männern ausgebildet wird, hat die Würzburger Profi-Triathletin ihr zweites Trainingslager aufgeschlagen: im spanischen Girona im Nordosten Kataloniens. Ein "Triathletennest" nennt Lehrieder die 100 000-Einwohner-Stadt am Onyar-Fluss, rund 100 Kilometer entfernt von Barcelona und nahe der Costa Brava.
Mehr Radsportler als Autos
Die Touristen, die auch wegen der berühmten Filmkulisse in Girona einfallen, sind im Februar noch nicht in Massen da, trotz anhaltenden Sonnenscheins und warmen 18 Grad am Tag. Carolin Lehrieder genießt kleine Auszeiten in den Cafés der Altstadt, wo sie sich mit ihrer Triathlon-Freundin Daniela Bleymehl und einem dritten Sportsfreund im Bunde eine Ferienwohnung teilt. Vor allem aber genießt sie, "dass man in den Bergen des Umlands mehr Radfahrern als Autos begegnet". Zum Radfahren ist sie nämlich vor allem da - seit zwei Wochen und noch eine dritte. Nach Lanzarote im Januar ist es das zweite Trainingslager der 30-Jährigen auf ihrem Weg zur WM: dem Ironman am 10. Oktober auf Hawaii.
"Hier sind die Bedingungen ähnlich gut wie auf Lanzarote", sagt Lehrieder am Telefon, "aber es ist einen Tick paradiesischer. Die Landschaft ist abwechslungsreicher, es gibt noch keine Sportressorts, aber dafür mehr Straßen. Hier kann man halbe und dreiviertel Stunden lang Anstiege fahren, und noch dazu viele verschiedene." Ein Highlight für die Unterfränkin: "Die Küstenstraße, die sich malerisch am Meer entlangschlängelt."
50-Meter-Becken von Sturmtief beschädigt
Auch Laufen macht in einer solchen Umgebung mehr Spaß als auf asphaltierten Wegen: "Man kann hier 50 Kilometer lang auf Sand laufen." Nur Schwimmen ist aktuell schwierig: Nach dem Sturmtief "Gloria" im Januar über Katalonien hinweggefegt ist und für Überschwemmungen und Schäden gesorgt hat, wird das einzige 50-Meter-Becken in Girona noch repariert. "Jetzt trainieren wir alle im gleichen Ausweichpool, einem 25-Meter-Becken in einem Hallenbad. Da ist es ganz schön voll." Mit "alle" meint Lehrieder die anderen Elite-Triathleten, die teils auch schon zeitgleich mit ihr auf Lanzarote im Club La Santa waren, unter anderem ihre dänische Freundin Maja Stage Nielsen und die Trainingsgruppe von Laura Philipp.
Der Star der Szene lebt sogar vor Ort: Jan Frodeno hat Girona zu seiner Wahlheimat gemacht. Dem amtierenden Weltmeister "läuft man hier öfter über den Weg", erzählt die Würzburgerin. "Wir sagen uns 'Hallo', wenn wir uns begegnen. Aber ich bin kein Fangirl, das sich im Café zu ihm setzt." Mehr noch als für Triathleten, die nach und nach vom überlaufenen Mallorca nach Girona überschwappen, ist Nordost-Katalonien ein Magnet für Radsportler. "Früher hat sogar Lance Armstrong hier trainiert", weiß Carolin Lehrieder.
Erste Standortbestimmung bei der "Challenge Salou"
Die Athletin des SV Würzburg 05 behält auch in Spanien ihren Trainingsrhythmus wie in Deutschland bei, der da heißt: fünf Tage Belastung, zwei Tage nur Schwimmen. "Aber ein Ortswechsel ist immer eine willkommene Abwechslung für den Kopf", erklärt sie. Insgesamt ist sie im Februar 82 Kilometer geschwommen, 60 Stunden Rad gefahren und 24 Stunden gelaufen.
Am 9. März fliegt Carolin Lehrieder zurück in die Heimat und bereitet sich nach einem dreitägigen Treffen zur Saisonerföffnung mit ihrem Proteam Mohrenwirt im österreichischen Fuschl am See in Würzburg auf ihr erstes Rennen 2020 vor: der "Challenge Salou" am 29. März südlich von Barcelona. Eine Mitteldistanz mit "guten Meldungen", sprich: namhafter Konkurrenz. "Es soll eine erste Standortbestimmung sein, ob das gute Gefühl, das ich im Training habe, auch im Wettkampf hält", sagt Lehrieder: "Und ob ich tatsächlich auf dem richtigen Weg bin." Dem Weg, der sie auf den Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere führen soll. Der Weg nach Hawaii.
- Lesen Sie auch:
Teil 1 : Die Magie von Hawaii ist WM-Motivation für Carolin Lehrieder
Teil 2: Aktivurlaub am Herzensort
Teil 3: Auf Lanzarote mit der Triathlon-Elite