Es könnte ein Präzedenzfall für den Profisport in Deutschland werden: Die Footballer der Dresden Monarchs sollen 100 Prozent der Hilfsgelder zurückzahlen, die sie während der Corona-Pandemie vom Staat erhalten haben – und verklagen deswegen die Bundesrepublik Deutschland. Auch Basketball-Bundesligist Würzburg Baskets und Handball-Drittligist Wölfe Würzburg ziehen mit gleichem Anwalt vors Verwaltungsgericht. Bei ihnen geht es in den Verhandlungen am 15. Dezember in Würzburg jeweils um nicht bewilligte Gelder aus der sogenannten Überbrückungshilfe IV.
Nicht nur für die Wölfe seien die finanziellen Folgen der Pandemie bedrohlich, sagt Geschäftsführer Roland Sauer. Er spricht von einem "Aufschrei", den er sportartenübergreifend in Gesprächen mit Profiklubs in Bayern höre, nicht nur im Handball und Basketball, auch im Fußball und Eishockey. Neben den bereits getätigten oder noch drohenden Corona-Rückzahlungen werde es für viele Profiklubs wirtschaftlich immer problematischer, sich selbst und den Spielbetrieb am Leben zu halten. Sauer: "Es geht um die Existenz der Vereine und die Erhaltung des Spitzensports in Bayern."
Wenngleich bei den Baskets die Lage nicht annähernd so angespannt ist wie bei den Wölfen, verbirgt sich die Bedrohung für Vereine hinter viel Bürokratie und sperrigen Begrifflichkeiten. "Ich habe insgesamt bestimmt drei Monate Arbeitszeit in die Hilfen investiert", berichtet Annina Schmitt, Leitung Rechnungswesen und Personal bei Würzburgs Basketballern.
Fragen und Antworten rund um eine komplexe Situation im Profisport und die zwei davon in Würzburg betroffenen Klubs.
Welche Corona-Hilfen gab es für Profisportvereine?
In den Jahren 2020 bis 2022 unterstützte der Bund mit den sogenannten "Coronahilfen Profisport" gezielt Vereine, Unternehmen und Verbände im professionellen Sport. Die Gelder sollten die finanziellen Einbußen durch wegbrechende Ticketeinnahmen in Folge von Saisonabbrüchen und Geisterspielen nach Ausbruch der Pandemie abmildern und das Überleben der Klubs sowie ihre Arbeitsplätze absichern. Die Corona-Hilfen waren also dafür gedacht, Insolvenzen zu verhindern.
Haben Profivereine in der Zeit Einnahmen erzielt, werden diese nachträglich mit den Fördergeldern verrechnet. Die Frist für diese Schlussabrechnung ist zum 30. Juni 2023 abgelaufen. Inzwischen sind viele Klubs darüber informiert, wie viel Geld sie zurückzahlen müssen, teilweise haben sie die Rückforderungen schon beglichen.
Neben den "Coronahilfen Profisport" konnten Vereine, die ihren Spielbetrieb in einer GmbH organisiert haben – wie Baskets und Wölfe –, auch die Wirtschaftshilfen beantragen, namentlich die November- und Dezemberhilfen 2020 sowie die Überbrückungshilfen I, II, III, III Plus und IV. Diese Staatshilfen beschloss der Bund für alle deutschen Unternehmen.
Unter welchen Umständen müssen Profiklubs die "Corona-Hilfen Profisport" zurückzahlen?
Zu Beginn der Pandemie hatte die Politik dem Profisport schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen. Auf den Webseiten der dafür zuständigen Wirtschaftsministerien war damals zu lesen: "Die Soforthilfe muss grundsätzlich nicht zurückbezahlt werden, soweit die relevanten Angaben im Antrag richtig und vollständig waren und wahrheitsgemäß gemacht wurden." So weit, so gut. Aber es hieß auch: "Sollte sich der beantragte erwartete Liquiditätsengpass (...) rückwirkend als zu hoch erwiesen haben, ist der entstandene Überschuss zurückzuzahlen."
Wölfe-Chef Sauer sagt: "Kein Verein war und ist in der Lage, in der schwierigen Zeit seit Corona Rücklagen zu bilden oder gar Gewinne zu erwirtschaften." Die Krux ist: Für die Beantragung ihrer Lizenzen benötigen die Klubs positive Zahlen – zum Beispiel durch Rücklagen oder Bürgschaften –, um die Spielberechtigung für die Bundesligen wie im Handball (HBL) oder Basketball (BBL) zu erhalten; um den Rückforderungen der Corona-Hilfe zu entgehen, mussten sie aber negative Zahlen beziehungsweise Verluste nachweisen. "Das fliegt den Vereinen jetzt um die Ohren", sagt Sauer.
Welche Corona-Hilfen hatten Baskets und Wölfe erhalten und was müssen sie davon zurückzahlen?
Die Baskets Würzburg hatten auf die "Corona-Hilfe Profisport" verzichtet und stattdessen 2020 die November- und Dezemberhilfe beantragt, um aufgrund der Wahl des Beihilferahmens später keinen Verlust nachweisen zu müssen. Damit erhielten die Basketballer eine hohe sechsstellige Summe als Unterstützung.
Die Wölfe Würzburg, die vor ihrem Abstieg im Juni 2023 in der 2. Handball-Bundesliga spielten, hatten laut Sauer dagegen 210.000 Euro an Corona-Hilfe empfangen. Nun sollen sie rund 50.000 Euro davon wieder zurückzahlen. Ein Betrag, den sie nicht eingeplant hatten.
"Wir hatten nicht mit einer Rückforderung gerechnet, da wir weder Rücklagen gebildet noch Gewinn erwirtschaftet haben – im Gegenteil", sagt Sauer. Doch sei das negative Betriebsergebnis der Wölfe Würzburg GmbH unter anderem aufgrund der steuerlichen Bewertung nicht anerkannt worden.
Sowohl Baskets als auch Wölfe hatten zudem Überbrückungshilfe IV beantragt. Beiden Klubs wurden nur Teile der Hilfe bewilligt. Dagegen ziehen sie nun vor Gericht.
Wogegen klagen die Baskets und Wölfe vor dem Verwaltungsgericht Würzburg genau?
Die Baskets und Wölfe haben jeweils gegen individuelle Ablehnungsbescheide der IHK München für Überbrückungshilfe IV Klage am Verwaltungsgericht Würzburg eingereicht. Beiden Klubs wurde die Hilfe nicht in beantragter Höhe bewilligt. Den Baskets fehlen dadurch 150.000 Euro, den Wölfen 42.000 Euro.
Die Überbrückungshilfe IV ist eine Bundeshilfe, wird aber über die Bundesländer verteilt – weshalb es je nach Bundesland unterschiedliche Rechtsauslegungen gibt. "Wir wissen von Vereinen aus Niedersachsen, bei denen die gesamte Hilfe bewilligt wurde", erklärt Annina Schmitt von den Baskets. Eine Ungleichberechtigung und ein Wettbewerbsnachteil, über den man sich beim Basketball-Bundesligisten und beim Handball-Drittligisten gewaltig aufregt.
Die Überbrückungshilfe IV – laut Schmitt eine Art Anschubhilfe, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen – galt zwischen Januar und Juni 2022. Mit ihr wurden Fixkosten – also planbare Kosten – wie Mieten der Halle oder von Spielerwohnungen, Versicherungen, Personal- oder speziell wegen der Pandemie auch Reinigungskosten zu 40 Prozent gefördert, wenn der Umsatz 30 bis 50 Prozent unter dem Wert des normalen Vor-Corona-Spielbetriebs von 2019 lag. Bei den Baskets ist das der Fall.
Als weitere Begründung im Ablehnungsbescheid erklärt die IHK München, die den Freistaat Bayern in diesen Fällen vertritt, dass es ab April keine Corona-Einschränkungen mehr im Freistaat Bayern und somit auch keine Zuschauerbeschränkungen im Profisport gab. Theoretisch hätten also wieder bis zu 3140 Menschen zu den Basketball-Heimspielen der Würzburger kommen dürfen – praktisch kamen jeweils nur um die 2000. "Wenn man solche Hilfen für ein halbes Jahr ankündigt, muss man sie dann auch auszahlen", findet Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler. Dem Bundesligisten wurden aber nur die Hilfen für die ersten drei Monaten teilweise bewilligt. Auch die Förderung der Wohnungen für die Spieler, die bei den Würzburgern Teil der Personalkosten sind, wurden abgelehnt.
Auch bei den Wölfen erkennt die IHK München Fixkosten wie die Miete der tectake Arena oder die Verlegung des Hallenbodens nicht an. "Mit der Begründung, das seien variable Kosten und damit nicht förderfähig", sagt Sauer. "Das ist betriebswirtschaftlich absoluter Nonsense! In der Fachliteratur wird als eines der ersten Beispiele für Fixkosten Mieten genannt." Zudem werde angezweifelt, dass der Zuschauerschwund nur auf Corona zurückführen sei. Vielmehr würden die Rückgänge das allgemeine Geschäftsrisiko darstellen.
Was Sauer besonders sauer macht: "Bisher wurde uns immer die Gelegenheit gegeben, unsere Sicht der Dinge dazulegen. Einspruch ist diesmal nicht möglich. Wir müssen direkt beim Verwaltungsgericht Würzburg klagen, was wieder mit Kosten und Risiken verbunden ist." Auf diese Weise, so vermutet er, sollen möglichst viele Vereine von der Klage abgehalten werden.
Den Baskets tun fehlende 150.000 Euro weh, aber sie gefährden die Existenz des Klubs nicht, dessen Saisonetat in den vergangenen Jahren geschätzt zwischen drei und vier Millionen Euro lag. "Aus unserer Planung haben wir das alles schon herausgenommen. Es trifft uns hart, beeinflusst aber die diesjährige Planung nicht mehr", sagt Liebler dazu.
Bei den Wölfen ist die Situation dramatischer. Durch die nicht eingeplanten 50.000 Euro an Rückzahlung der "Coronahilfe Profisport" und die nicht bewilligten 42.000 Euro aus der Überbrückungshilfe IV haben die Handballer eine Deckungslücke von gut 90.000 Euro. Der Fehlbetrag dürfte mutmaßlich rund ein Viertel ihres Saisonetats ausmachen, mindestens.
"Die Rückforderung und die nicht bewilligten Zahlungen kamen für uns absolut überraschend und erfordern weitere Maßnahmen", sagt Sauer, ohne konkreter werden zu wollen. "Was der bayerische Freistaat den Vereinen damit antut, ist den Verantwortlichen entweder nicht bewusst oder egal." Ob es ums Überleben der Wölfe Würzburg geht? Sauer: "Darum geht es bei uns immer."