
Wer die aktuelle Bedeutung von Otis Livingston II für das Spiel von Basketball-Bundesligist Würzburg Baskets betonen will, braucht nur einen flüchtigen Blick zurück auf die letzte Begegnung beim FC Bayern zu werfen. Bis zum Pausentee hatte der 27-Jährige mit 16 Punkten sein Team fast im Alleingang in Schlagdistanz gehalten (34:42). Als es dem amtierenden Pokalsieger in der zweiten Halbzeit gelang, den US-Amerikaner besser unter Kontrolle zu bringen, war es um die Baskets-Herrlichkeit geschehen. Am Ende setzte es eine 64:87-Niederlage beim Liga-Krösus.
Keine Frage: Livingston II ist bislang der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Würzburger. Mit durchschnittlich 31:03 Minuten pro Partie steht er am längsten auf dem Parkett und erzielt mit 15,3 Punkten pro Spiel im Schnitt die meisten seiner Mannschaft. Dass der Klub mit zwei Siegen aus vier Liga-Partien passabel aus den Startlöchern gekommen ist, ist sicher auch sein Verdienst.
"Der Auftakt war okay. Wir haben gezeigt, dass wir wettbewerbsfähig sind, aber die Saison ist noch lang bis Mai. Es wird Aufs und Abs geben. Wir dürfen Siege nicht überbewerten und Niederlagen dürfen uns nicht zu sehr beeinträchtigen", sagt Livingston II vor dem nächsten Heimspiel an diesem Samstag, 4. November, gegen die Niners Chemnitz (20 Uhr, tectake Arena).
Stationen in Dänemark, Mazedonien und Serbien
Nach Stationen in Dänemark, Mazedonien und Serbien wechselte der Spielmacher vergangene Saison erstmals nach Deutschland, heuerte bei Crailsheim Merlins an. 17 Mal lief er für das Team auf, ehe ihm Mitte Februar unvermittelt der Stuhl vor die Tür gestellt wurde.
"Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass es gut läuft. Aber der Klub hat es wohl anders empfunden", sagt Livingston II und muss rückblickend herzhaft lachen, wenngleich der Grund der Trennung für ihn bis heute schleierhaft ist: "Ich kann es immer noch nicht wirklich verstehen, aber es ist nicht wichtig. Auch daraus habe ich gelernt und dann in Bayreuth eine bessere Erfahrung gemacht."

Bei den Oberfranken verbrachte er die zweite Saisonhälfte, wo er zwar den Abstieg nicht mehr verhindern konnte. Doch persönlich hinterließ er bei seinen Auftritten im Bayreuther Dress mit starken Stats einen nachdrücklichen Eindruck, unter anderem mit seinen 38 Punkten im Heimspiel gegen Heidelberg. Das Scorer-Gen scheint Livingston II im Blut zu liegen, und auch in Würzburg hat er die Lizenz zum Werfen. "Coach Filipovski gibt uns das Selbstvertrauen, gute Würfe zu nehmen und nicht ängstlich werfen."
Lob für den Würzburger Chefcoach
Der Wechsel im Sommer in die Domstadt war insofern nur folgerichtig, denn Cheftrainer Saša Filipovski setzt gerne auf dominante Guards, die das Spiel orchestrieren. "Ja, es stimmt, sein Spielstil passt sehr gut zu mir. Darüber hinaus ist Saša ist großartiger Coach, der viel Erfahrung bei europäischen Top-Klubs hat. Ich war wirklich glücklich, als der Klub mich angefragt und mir ein Angebot unterbreitet hat", sagt Livingston, der sein Augenmerk aber nicht nur auf die eigene Punkteausbeute legt. Mit durchschnittlich 5,3 Assists pro Spiel zählt er aktuell zu den Top10-Passgebern der Liga.
"Auch die Defensive ist wichtig. So wie ich versucht jeder Spielmacher, sein Team ins Laufen zu bringen. Das zu unterbinden, ist auch eine meiner Aufgaben", sagt der 1,80-Meter-Mann aus Linden im Bundesstaat New Jersey, der ohne Scheu in die große Fußstapfen seines Vorgängers Stanley Whittaker trat.
Sein Landsmann hatte eine überragende Saison im Baskets-Dress hingelegt und den Klub um ein Haar in die Play-offs geführt, ehe es ihn zum zahlungskräftigeren Champions-League-Teilnehmer Dinamo Sassari zog. "Ich habe vergangene Saison zweimal gegen ihn gespielt. Wir sind unterschiedliche Spielertypen und daher nur schwierig zu vergleichen. Ich versuche, dem Spiel auf meine Art den Stempel aufzudrücken, um am Ende erfolgreich zu sein", so Livingston II, der sich bewusst für ein zweites Jahr in Deutschland entschieden hat: "Ich fühle mich hier sehr wohl, ich mag das Land und seine Leute, sie sind sehr offenherzig und begeisterungsfähig."
Beeindruckt von der Mülltrennung in Deutschland
Eine Sache aber wird ihm aus Deutschland nachhaltig in Erinnerung bleiben, wie er mit einem breiten Grinsen verrät: "Das Beste hier ist die Mülltrennung. Wir recyclen in den USA auch. Aber dass es für Papier, Bio, Restmüll, Plastik jeweils eine eigene Tonne gibt, das kannte ich nicht. Aber ich find’s toll."