Nur noch 90 Minuten plus bestenfalls nur Nachspielzeit oder möglicherweise auch Verlängerung und Elfmeterschießen trennen die Würzburger Kickers vom großen Ziel. Sollte das Team von Trainer Marco Wildersinn am Sonntag (Anstoß: 13.30 Uhr) im entscheidenden Rückspiel um den Aufstieg in die 3. Liga in der einstigen Hannoveraner WM-Arena nicht verlieren, wäre der Aufstieg geschafft. Der 1:0-Sieg aus dem Hinspiel am Mittwoch sorgt für ein kleines Polster auf dem sich die Kickers aber gewiss nicht ausruhen können.
"Ich sehe noch Potenzial, wo wir uns verbessern können, noch Dinge, die wir nutzen können", sagte Kickers-Trainer Marco Wildersinn am Rande der Übungseinheit am Freitag: "Ich gehe davon aus, dass wir am Sonntag ein besseres Spiel machen und es am Ende für uns entscheiden." An diesem Samstag wird sich die Mannschaft nach dem Abschlusstraining und dem Mittagessen auf den Weg in Richtung Niedersachsen machen auf die letzte Dienstreise der Saison zu einem Spiel, das in die Kickers-Historie eingehen soll und um das sich bereits jetzt einige Geschichten ranken:
Saliou Sanés Heimkehr
Im Hinspiel zeigte Saliou Sané als Mittelstürmer eine, wie nicht nur Trainer Wildersinn fand, "herausragende" Leistung. Immer wieder gewann er Kopfballduelle gegen die großgewachsenen 96-Innenverteidiger, legte Bälle auf, schuf Räume für Mitspieler, kam auch gegen eine Überzahl von Gegenspielern zum Torabschluss. Und auch den Freistoß, den Ivan Franjic formvollendet zum 1:0 nutzte, hatte Sané herausgeholt. Zur Belohnung gab es beim Training am Freitag reichlich Lob von den anwesenden Kiebitzen. Dabei steht Sané gegen die Hannoveraner sowieso schon besonders im Fokus. Schließlich ist der 31-Jährige in Hannover geboren und spielte in der Jugend selbst für die 96er.
Sein Trainer in der U17 hieß Daniel Stendel, der jetzt mit der U23 die Kickers bezwingen will. Seine erste Saison als Trainer überhaupt sei das damals vor 16 Jahren gewesen, erinnert sich der Coach. Allzu melancholisch ist Sané aufgrund der Rückkehr aber nicht. "Ich kenne dort ja sonst kaum noch jemanden", sagt er. Der Vorteil: Seine Familie hat keine weite Anreise zum Spiel. Neben seinen Eltern wird auch Sanés Schwester ihren Bruder im Stadion anfeuern. Auf die Frage, ob er denn angesichts der Drucksituation am Sonntag keine Angst habe, sagt Sané: "Fußball macht Spaß. Das ist am Ende ein Spiel, das man gewinnen will. Da braucht man keine Angst vor irgendetwas haben."
Der fehlende Goalgetter
In Hannover ist das Fehlen von Lars Gindorf nach dem Hinspiel das bestimmende Thema. Der Torjäger, der für das Regionalliga-Team der 96er bei 22 Einsätzen 21 Tore erzielt hat, gehört inzwischen fest zum Zweitliga-Kader und soll sich deshalb bis zum Trainingsstart schonen. So haben es Cheftrainer Stefan Leitl und Sportdirektor Marcus Mann entschieden und kassieren dafür auch mächtig Kritik. Die "Neue Presse" schreibt in einem Kommentar von "einer tragischen Geschichte, an deren Sinnhaftigkeit man ernsthaft zweifeln kann".
Trainer Stendel wollte sich in Würzburg zum Verzicht auf Gindorf nicht äußern. "Das kann ich nicht zu 100 Prozent beantworten", sagte er zu den Gründen für die Entscheidung. Zeit hätte Gindorf gehabt. Am Mittwoch saß der 22-Jährige, der einst für den FC Memmingen gekickt hatte und, wie zu hören ist, vor seinem Wechsel nach Hannover auch das Interesse der Kickers auf sich gezogen hatte, am Dallenberg auf der Tribüne. Auch für das Rückspiel in Hannover hat er sein Kommen angekündigt.
Die große Kulisse
Mehr als 20.000 Tickets für das Rückspiel in der Hannoveraner WM-Arena sind schon weg. Es dürfte also eine für beide Teams ziemlich ungewohnte Kulisse werden. Auch die Hausherren sind Spiele im großen Stadion nicht gewohnt. In die eigene Heimspielstätte des Amateurteams passen gerade einmal 2500 Besucher. Trotzdem sehen die Niedersachsen die Fan-Unterstützung als großen Vorteil. "Mit der Wucht auf den Rängen haben wir noch sehr gute Chancen, wir hoffen natürlich auf ein möglichst volles Stadion", sagte zum Beispiel Trainer Stendel: "Ich setze auf die Unterstützung von den Rängen. Da ist dann noch einmal mehr möglich. Da kommt der letzte Kick, der den letzten Meter bringt, der darüber entscheidet, ob es eine Torchance gibt oder nicht."
Wildersinn nimmt das Ganze recht gelassen auf: "Hannover stützt sich extrem auf die eigenen Fans. Sollen sie gerne machen. Die Fans werden sie vielleicht auch brauchen, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen, das Spiel umzubiegen. Wir wollen versuchen, uns davon möglichst wenig beeinflussen zu lassen", sagte er: "Ich habe den Jungs gesagt, dass es eigentlich egal ist, ob 10.000 oder 20.000 Zuschauer da sind. Laut ist es so oder so."