Auch für ihn sei es ein sehr anstrengender Abend gewesen, gab Trainer Marco Wildersinn nach dem 1:0 seiner Würzburger Kickers gegen Hannover 96 II zu. "Es war sehr intensiv. Da gehst du natürlich auch draußen extrem mit." Am Ende hat sich sein Team im Duell der Meister der Fußball-Regionalligen Bayern und Nord um den letzten freien Platz in der 3. Liga einen kleinen Vorsprung erarbeitet.
"Wir haben eine gute Ausgangsbasis geschaffen", sagte Wildersinn. "Wir wissen, was da am Sonntag auf uns zukommt und wir werden vorbereitet sein." Vermutlich über 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden beim Rückspiel in Hannover dabei sein. Auch eine neue Erfahrung für dieses Rothosen-Team.
Wie stehen die Chancen der Kickers vor dem alles entscheidenden Spiel? Was spricht für die Würzburger und was gegen sie? Eine Analyse in sechs Punkten.
1. Die Statistik
Ein Hinspiel-Sieg ist im Kampf um den Drittliga-Aufstieg enorm viel wert. Das sagt zumindest die Bilanz. Seit der Regionalliga-Reform im Jahr 2012 gab es insgesamt 23 Aufstiegsspiele – bis zur Neuregelung des Aufstiegs 2018 mussten noch alle Viertliga-Meister und der Südwest-Zweite daran teilnehmen. Bei all diesen 23 Vergleichen, scheiterte nur zweimal ein Team, nachdem es das Hinspiel gewonnen hatte. Beide Male übrigens die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg. Ansonsten war ein Hinrunden-Erfolg stets eine sichere Bank für die Teams.
2. Die Form der Kickers
Was sich schon in den letzten Partien angedeutet hatte: Die Kickers sind rechtzeitig zum Saison-Höhepunkt in Top-Verfassung. "Wir mussten im Vergleich zur Liga noch einmal etwas draufpacken", meinte auch Trainer Wildersinn mit Blick auf die Leistung seiner Mannschaft. Vor allem in Sachen Zweikampfführung und Intensität verlangte Hannovers mit fünf Akteuren aus dem Zweitliga-Kader verstärkte U23 den Kickers einiges ab.
Auch ein Grund, warum das Spiel nicht so flüssig lief wie bei manch Liga-Sieg. "Das ist ein starker Gegner. Hannover hat uns 90 Minuten gestresst und nie in Ruhe gelassen. Dann ist Kurzpassspiel manchmal auch nicht möglich", sagte Kickers-Abwehrroutinier Daniel Hägele. Rein körperlich scheinen die Rothosen aber derzeit voll auf der Höhe zu sein.
3. Die Zweitliga-Profis von Hannover 96
"Die Jungs, die von oben gekommen sind, haben uns geholfen, ins Spiel zu finden", stellte Hannovers Trainer Daniel Stendel am Mittwochabend fest. Und sein Würzburger Gegenüber Wildersinn fand, dass jene Akteure, die in dieser Saison zum Zweitliga-Aufgebot zählten, die 96er Mannschaft "noch stärker als in der Liga" gemacht hätten: "Da fehlt zwar ein bisschen die Eingespieltheit. Aber diese Spieler geben einen letzten Punch mehr. Daran mussten wir uns erst einmal gewöhnen."
Vor allem der 33-jährige Ex-England-Legionär Julian Börner stabilisierte die Abwehr der Niedersachsen spürbar. Doch die Hannoveraner erhalten nicht nur Hilfe vom Zweitliga-Team. Torjäger Lars Gindorf war zwar in Würzburg im Stadion, saß aber auf er Tribüne, weil die sportliche Leitung der 96er ihn lieber für die Zweitliga-Vorbereitung schonen will. Dass auch die bereits abwanderten Leihspieler Antonio Foti und Muhammed Damar in den Aufstiegsspielen fehlen, ist für Stendel unübersehbar. "Wenn wir die Rückrunde sehen, haben wir gefühlt alle Torschützen nicht dabei."
4. Die Abwehrstärke der Kickers
Es lag aber nicht nur an den Umstellungen im 96-Angriff, sondern vor allem an der starken Abwehrleistung der Kickers, dass vor dem Rothosen-Kasten nur wenig anbrannte. Das Innenverteidiger-Duo mit Daniel Hägele und Tim Kraus, der bekanntlich erst in der abgelaufenen Rückrunde zum Verteidiger umgeschult wurde, scheint perfekt zur Spielweise des Gegners zu passen.
"Es geht darum, schnell und flink zu sein und eine gewisse Ruhe am Ball zu haben", so Wildersinn. Genau das bringen beide mit. Doch Hägele warnte gleich nach dem Hinspiel vor den Hannoveraner: "Es war immer ganz kurz davor, richtig gefährlich zu werden. Wir haben diesmal immer wieder klären können. Aber man muss gegen diesen Gegner über 90 Minuten voll konzentriert sein, immer wieder den Sprint anziehen. Das ist extrem anstrengend."
5. Die Willenskraft der Würzburger
Vielleicht ist das der entscheidende Punkt: Die Kickers vermittelten vom Start weg das Gefühl, für diesen Aufstieg zu brennen. Wer sah, wie Abwehrmann Kraus eine gelungene Grätsche an der Außenlinie bejubelte, der spürte, wie groß die Leidenschaft war, mit der die Kickers zu Werke gingen. Und wer verfolgte, wie sich Saliou Sané in der Sturmspitze immer wieder gegen zwei Gegenspieler behauptete, der erkannte, dass die Kickers auch eine enorme Leidensfähigkeit in diese Spiele einbringen. "Das war brutal. Gefühlt sind ständig zwei oder mehr Leute auf ihn drauf gerannt und immer abgeprallt", sagte Hägele über seinen Kollegen Sané.
6. Die Atmosphäre in den Stadien
Die Fans sollen Hannovers U23 im Rückspiel tragen, hofft Trainer Stendel: "Dann ist noch ein bisschen mehr möglich, macht jeder noch einen Schritt mehr", glaubt er. Im Hinspiel waren es die Kickers-Fans, die unter anderem mit einer aufwendigen Choreografie das Heimteam an die Leistungsgrenze brachten. "Das pusht enorm", so Wildersinn: "Dieses Erlebnis werden wir in die nächsten Tage mitnehmen."
Aufstiegsspiele zur 3. Liga, Hinspiel
Würzburger Kickers – Hannover 96 II 1:0 (1:0)
Würzburg: Friedsam – Montcheu, Kraus, Hägele, Kurzweg (89. Haas) – Franjic (87. Franjic), Zaiser, Meisel (87. Wegmann) – Caciel (87. Moll), Sané, Karimani (63. Junge-Abiol).
Hannover: Weinkauf – Arkenberg, Börner, Uhlmann, Matsuda (81. Stepantsev) - Podrimaj (54. Moustier), Walbrecht – Ezeh, Oudenne (88. Luyeye-Nkulu), Chakroun – Garlipp (46. Scott).
Schiedsrichter: Max Burda (Berlin).
Zuschauende: 10.600 (ausverkauft).
Tor: 1:0 Ivan Franjic (22.).