Es hatte ein wenig gedauert, bis die Korbjäger von s.Oliver Würzburg die bleierne Schwere der Enttäuschung, die sich mit Ertönen der Schlusssirene wie Mehltau über sie gelegt hatte, ein Stück weit abschütteln konnten. Wer mochte ihnen ihre Niedergeschlagenheit verdenken – es hatte nicht viel zum großen Coup im Fiba Europe-Cup-Wettbewerb gefehlt, zum ersten Titel der Vereinsgeschichte, dem ersten internationalen einer Würzburger Mannschaft überhaupt. Am Ende aber standen die Baskets mit leeren Händen da, während der Tross von Dinamo Sassari ausgelassen feiernd die silberne Trophäe in die Konfetti-verregnete Luft der s.Oliver Arena reckte.
Nach dem 84:89 im Hinspiel auf Sardinien glückte es den Unterfranken im Rückspiel am Mittwochnachmittag nicht, die Finalserie zu ihren Gunsten zu drehen. Mit 79:81 (46:41) verloren sie auch das zweite Aufeinandertreffen, in der Addition waren es sieben Pünktchen Differenz – eine Winzigkeit nach 80 Spielminuten.
Dementsprechend leer waren die Blicke bei der Siegerehrung, geknickt ließen sich Spieler, Trainer und Betreuer von Fiba-Europe-Generalsekretär Kamil Novak und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt die Silbermedaillen um den Hals hängen. Doch nach und nach, als zunehmend die Erkenntnis Raum gewann, auch ohne Pokal zu etwas Außergewöhnlichem beigetragen zu haben, wich die Trauer dem Stolz über das Erreichte: „Normalerweise gerätst du als Verlierer schnell in Vergessenheit“, sagte Baskets-Cheftrainer Denis Wucherer im Wissen um die „The-Winner-takes-it-all“-Logik des Sports, die Ruhm und Ehre ausschließlich für den Sieger bereithält.
„Aber“, so der 45-Jährige, „alle, die das hier miterlebt haben, werden sicher auch noch in ein paar Jahren davon sprechen und sich dann gerne zurückerinnern.“ Das sah auch der aus Köln angereiste und dem Finale in erster Reihe beiwohnende Stefan Holz, Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, in seinem Fazit nicht anders: „Ein tolles Finale, ein Fest, so wie wir diesen Sport mögen. Friedlich, fröhlich, freundlich. Das war Werbung für den deutschen Basketball.“ Die Stadt Würzburg hatte noch am Mittwochabend „einen Empfang für die erfolgreichen Korbjäger“ angekündigt.
Tatsächlich war es ein denkwürdiger Nachmittag in der mit 3140 Zuschauern ausverkauften, von der ersten Sekunde an von einer elektrisierenden Stimmung auf den Rängen getragenen Partie, an deren Ende die Zuschauer ein feines Gespür für den Augenblick hatten. Kaum einer von ihnen verließ trotz der bitteren Niederlage vorzeitig die Halle, stattdessen feierten die Baskets-Anhänger noch lange nach Spielende ihr Team mit stehenden Ovationen und tosendem Applaus. Erwähnt sei zudem eine eigentliche Selbstverständlichkeit, die nicht immer eine ist: Auch den siegreichen Italienern spendete das Würzburger Publikum fair Beifall. „Das war eine Wahnsinnsatmosphäre. Die Mannschaft macht Spaß, kommt an bei den Fans. Sie haben das Team ins Herz geschlossen, weil sie alles gibt und nie aufsteckt“, sagte Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler, der mitten in den Planungen für die kommende Spielzeit steckt und die gewiss nicht leichte Aufgabe hat, den einen oder anderen Leistungsträger vom Verbleib in der Domstadt zu überzeugen. „Daran arbeiten wir, den Kern zusammenzuhalten und das Team an der einen oder anderen Stelle zu verstärken.“
Dass es am Ende nicht zum ganz großen Erfolg gereicht hat, hing zweifellos auch mit der Doppelbelastung aus Liga-Alltag und internationalem Geschäft zusammen, die zum ungünstigsten Zeitpunkt weiteren Tribut forderte. Zu den ohnehin Langzeitverletzten Kresimir Loncar und Johannes Richter sowie den angeschlagenen Felix Hoffmann und Joshua Obiesie gesellte sich mit Jordan Hulls auch der beste Werfer des Teams. Der 29-Jährige, der jüngst seinen Vertrag um zwei Jahre bis 2021 verlängert hatte, hatte am Tag vor dem entscheidenden Spiel die Hiobsbotschaft erhalten, dass er mit einer Rippenverletzung bis Saisonende passen muss.
„Jordan war einer der überragenden Spieler in diesem Wettbewerb, sein Ausfall war natürlich schmerzlich. Man hat gemerkt, dass uns hintenraus die Körner ausgegangen sind“, sagte Liebler mit Blick auf das Häufchen Aufrechter, das Wucherer im vielleicht wichtigsten Spiel der Klub-Historie nur zur Verfügung stand. „Mit Hulls wäre es vielleicht ein anderes Spiel geworden. So war die Rotation der Würzburger doch sehr kurz“, bemühte Holz mit Blick auf den US-Guard den Konjunktiv.
Das „Abenteuer Europa“, das spätestens ab der K.o.-Phase auch sportlich anspruchsvolle Unterhaltung bot und zunehmend die Fans in seinen Bann zog, möchten die Würzburger daher auch künftig allen Strapazen zum Trotz nicht missen. „Es hat Spaß gemacht und dazu beigetragen, dass das Team zusammengewachsen und in der Liga die Kurve bekommen hat“, sagte Wucherer mit Blick auf den holprigen Saisonstart mit neun Niederlagen in den ersten 13 Bundesliga-Spielen.
Und US-Spielmacher Skyler Bowlin, mit 20 Punkten bester Werfer gegen Sassari, fügte mit einem schelmischen Grinsen an: „Ich spiele lieber mittwochs irgendwo in Europa, als fünfmal die Woche täglich zweimal zu trainieren.“