Es hat nicht sollen sein. Voller Motivation war die Würzburger Triathletin Carolin Lehrieder am frühen Sonntagmorgen in den Ironman Frankfurt gestartet. Um Spaß zu haben, wie sie im Vorfeld gesagt hatte, und um sich vielleicht noch ein Ticket für die Ironman-WM auf Hawaii im Herbst zu sichern. Am Ende hinderte sie ein platter Hinterreifen an ihrem Rennrad daran, ins Ziel zu kommen. Dabei hatte um 6.30 Uhr am Langener Waldsee südöstlich von Frankfurt alles so hoffnungsvoll begonnen.
Mit dem für sie so typischen breiten Grinsen im Gesicht war Lehrieder nach dem Schwimmen als erste der Profi-Triathletinnen in die Wechselzone gespurtet - vor den anderen fünf Frauen, die gleichzeitig mit ihr im rund 24 Grad warmen Wasser gestartet waren. Die Würzburgerin schnappte sich ihr Rad und düste unter dem Applaus der Umstehenden los. Bereit, den Spaß zu haben, den sie sich nach den Rückschlägen in der jüngsten Vergangenheit verdient hatte. Gut zwei Minuten Vorsprung hatte sie zu diesem Zeitpunkt auf die Zweite, ihre gute Freundin Daniela Bleymehl. Alles schien in Lehrieders Sinne zu laufen.
Dass Bleymehl, die aus Darmstadt kommt und bekannt ist für ihre Stärke auf dem Rad, im Lauf der ersten Kilometer aufschloss, war erwartbar gewesen und kein Problem für Lehrieder. Im Gegenteil: Noch am Vortag hatte die Würzburgerin davon gesprochen, dass es gut für die Motivation sei, könnte sie einen Teil der Radstrecke gemeinsam mit ihrer Freundin zurücklegen, die sie 2013 beim Ironman Frankfurt kennengelernt hatte, als sie in der hessischen Großstadt ihre erste Langdistanz überhaupt absolviert hatte.
So fuhren die beiden das erste Stück der durch und rund um Frankfurt führenden Strecke abwechselnd an der Spitze des Profi-Frauenfeldes - bis ein kaputter Hinterreifen die Unterfränkin bei Kilometer 62 ausbremste. Es handelte sich um einen sogenannten "Schleicher", wie ein Betreuer später erklärte. Sprich: Der Reifen verlor nicht sofort, sondern nach und nach seine Luft. Der Schaden war alleine nicht zu beheben.
Lehrieder wartete auf ein Reparaturfahrzeug – vergeblich. Zunächst blieb sie zuversichtlich: "Wäre in absehbarer Zeit jemand gekommen, so nach zehn oder 15 Minuten, hätte ich weitergemacht", sagte sie nach dem Rennen im Gespräch mit dieser Redaktion. So aber wartete sie über eineinhalb Stunden auf Hilfe. An eine Fortsetzung des Rennens war aus mentaler Sicht danach nicht mehr zu denken. Ironie des Schicksals: Während sie wartete, half Lehrieder noch einem Altersklassen-Athleten beim Reifenwechsel. Es klappte problemlos.
2022 - es scheint nicht Lehrieders Jahr zu sein.
Die Pechsträhne von Carolin Lehrieder hält schon länger an
Eigentlich hatte ihre Pechsträhne schon damit angefangen, dass die WM, für die sie sich als Siegerin des Ironman Italy bereits 2019 qualifiziert hatte, wegen der Corona-Pandemie zweimal verschoben werden musste. Zwischendurch hatte sie im August 2021 den schon sicher geglaubten Sieg beim Ironman Hamburg wegen Magenproblemen noch aus der Hand geben müssen. Und als die Weltmeisterschaft im Mai 2022 endlich im amerikanischen Bundesstaat Utah stattfand, war Lehrieder isoliert in ihrem Hotelzimmer: Das Corona-Virus hatte sie zwei Tage vor dem Wettbewerb ausgeknockt.
In bemerkenswerter Manier hatte sich die 33-Jährige danach wieder aufgerappelt, war nach ihrer Genesung voller Motivation wieder ins Training zurückgekehrt und wollte sich mit der Teilnahme am Ironman Frankfurt für ihr Engagement belohnen. Dass es am Main unter den Frauen auch einen Platz für die WM auf Hawaii im Oktober zu gewinnen gab, war für sie nachrangig. "Ich hab' mich für Frankfurt entschieden, obwohl es nur einen Slot gibt. Aber ich wollte unbedingt ein Rennen machen, für das ich Feuer in mir entfachen kann. Und deshalb hat mich mein Weg jetzt hierhergeführt", hatte Lehrieder noch am Samstagabend im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt. Der Weg führte sich nicht bis ins Ziel.
Am Sonntagnachmittag, beim Gespräch in der Hotel-Lobby, wirkt die 33-Jährige dann vor allem hilflos: "Das ist so bitter. Mir fehlen einfach die Worte." In den nächsten Tagen will sie erst mal ein bisschen zur Ruhe kommen, versuchen, den Spaß an ihrem Sport wiederzufinden. Wie genau es für sie weitergeht, das weiß sie noch nicht.
Ironman in Frankfurt wurde am Sonntag der Franzose Denis Chevrot in 7:52:54 Stunden. Er ist damit auch Europameister. In Abwesenheit der Weltelite um den dreimaligen Weltmeister Jan Frodeno wurde Paul Schuster aus Darmstadt auf Rang vier bester Deutscher. Bei den Frauen siegte Bleymehl nach 9:02:55 Stunden. Das Hawaii-Ticket sicherte sich die Drittplatzierte Dimity-Lee Duke aus Australien, da sowohl der Erste als auch die Zweite, Nikki Bartlett, schon für die WM qualifiziert sind.
Auf Servicewagen wie bei Radrennen hat man keinen Anspruch.
Das würde aber bedeuten, daß die Triathleth*in mit einem Materialanhänger starten müsste, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein...
Viele Grüße
Carolin Münzel, Main-Post Sportredaktion