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Fußball
Regenbogen-Debatte: Ernst Gehling legt Mandat als Delegierter nieder
DFB-Interimspräsident Rainer Koch hätte klare Kante zeigen und sich über die Uefa hinwegsetzen sollen, findet der Abteilungsleiter der FT Schweinfurt. Und zieht Konsequenzen.
FTS-Abteilungsleiter Ernst Gehling engagiert sich nicht nur im Fußball, sondern auch für die Schweinfurter Tafel.
Foto: Nicolas Bettinger | FTS-Abteilungsleiter Ernst Gehling engagiert sich nicht nur im Fußball, sondern auch für die Schweinfurter Tafel.
Carolin Münzel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:49 Uhr

Ernst Gehling ist stinksauer. So sauer, dass der Abteilungsleiter des Fußball-Landesligisten FT Schweinfurt beschloss, sein Mandat als Delegierter für den Bezirk Unterfranken beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) niederzulegen, als die Debatte um die Illumination der Münchner Arena in Regenbogen-Farben am Dienstagabend ihren Höhepunkt erreichte. Gefühlt ein ganzes Land streitet gerade darüber, ob es tragbar ist, dass der Europäische Fußballverband Uefa unter dem Deckmantel der politischen Neutralität eine derartige Beleuchtung verbietet. Klar musste sich dazu auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) positionieren -  und tat das in Person von Interimspräsident Rainer Koch in einer Weise, die Gehling sauer aufstieß.

Koch, der zugleich Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes ist, betonte zwar in einer offiziellen Stellungnahme, dass "die deutsche Sicht anders ist als die Perspektive der Uefa", doch nahm er den Europäischen Verband in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite am Dienstag auch in Schutz: "Da die Beleuchtung vom Münchner Stadtrat als eine gezielte Aktion gegen die Entscheidung des ungarischen Parlaments begründet worden ist, handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion." Somit sei die Entscheidung der Uefa verständlich.

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Genau das findet Gehling nicht. Für ihn wäre die Beleuchtung der Arena als Reaktion auf das in Ungarn kürzlich erlassene Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt, ein Akt der Toleranz und Menschlichkeit, kein politisches Statement gewesen. Dass Koch angekündigt hat, am Mittwochabend vor dem Stadion beim Verteilen von Regenbogen-Fähnchen zu helfen, reicht ihm nicht: "Was soll denn das? Das ist doch alles Alibi." Koch stelle sich bei Anti-Rassismus- und Fairplay-Kampagnen immer vorne hin, als ob sie seine Babys wären. Aber wenn es einmal darauf ankomme, zeige er kein Rückgrat.

"Als Mensch hat er sich für mich disqualifiziert."
Ernst Gehling über DFB-Interimspräsident Rainer Koch

"Als Mensch hat er sich für mich disqualifiziert. Aus diesem Grund möchte ich in keinen Gremien mehr sein, denen er (Rainer Koch, Anm. d. Red.) vorsitzt", sagt der 65-jährige Gehling, der seit über 40 Jahren bei der FT Schweinfurt aktiv ist und dort unter anderem 25 Jahre am Stück Trainer war. Er war vor drei Jahren auf dem Kreistag als Delegierter gewählt worden.

Damit hatte er das Recht, als einer von  175 aus den Bezirken entsandten Verantwortlichen beim BFV-Verbandstag, bei dem unter anderem der Präsident gewählt wird, seine Stimme abzugeben. Das will er nun nicht mehr, denn der Frust sitzt tief: "Ich bin wirklich angefressen im Moment. Ich würde am liebsten den kompletten Fußball zur Seite schieben, so leidenschaftlich ich auch dabei bin." Das Gehling, der sich unter anderem auch bei der Schweinfurter Tafel engagiert, das nicht tut, liegt allein an der Verbundenheit zu seinem Verein, den er nicht im Stich lassen will.

Die E-Mail, in der er erklärt, dass er sein Amt niederlegt, hat er sowohl an die Geschäftsstelle des Fußballbezirks Unterfranken als auch an den Bezirksvorsitzenden und BFV-Vizepräsidenten Jürgen Pfau geschickt. Der bestätigt deren Erhalt und bedauert Gehlings Rückzug: "Ich hoffe, dass seine Entscheidung nicht auf Dauer gilt. Ich kenne und schätze ihn schon lange und sein Rat ist immer gefragt."

DFB-Interimspräsident Rainer Koch will nicht als Verteidiger der Uefa wahrgenommen werden.
Foto: TimGroothuis | DFB-Interimspräsident Rainer Koch will nicht als Verteidiger der Uefa wahrgenommen werden.

Auch Koch bedauert, dass Gehling sein Mandat niederlegt. Auf Nachfrage lässt er am Mittwoch über seinen Pressesprecher Fabian Frühwirth erklären: "Er (Ernst Gehling, Anm. d. Red.) kennt mich und ich kenne und schätze ihn. Ich hätte es den besseren Weg gefunden, miteinander zu sprechen." Koch betont, dass er die Uefa-Entscheidung nicht verteidigt habe und macht deutlich: "Die deutsche Sicht ist anders als die der Uefa. Die Entscheidung des ungarischen Parlaments entspricht in keiner Weise unseren Überzeugungen und unserer Haltung, sie ist aus unserer Sicht ein absolutes No-Go." Zumindest in diesem Punkt dürften sich Koch und Gehling einig sein. Geht es nach dem BFV-Präsidenten, würde er darüber gerne direkt mit seinem Schweinfurter Kritiker reden: "Ich lade Ernst Gehling sehr gerne zum persönlichen Gespräch ein. Da bietet sich der Zeitraum vom 3. bis zum 11. Juli bestens an, dann ist ,Pride Week', der Münchner Christopher Street Day, und der BFV ist dort seit Jahren treuer Unterstützer."

 
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  • W. S.
    Ich finde die Reaktion etwas überzogen mit dem Austritt.
    Gleichfalls sollte man auch in Zukunft aber auch politische Kante zeigen - z.B. in dem man die Ukraine unterstützt, bei Spielen gegen Russland, Belarus deutlich politische Position zeigt. Was dann natürlich auch die Türkei und nächstes Jahr bei der WM ganz viele Spiele beinhaltet.
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  • C. H.
    Mir sagte mal jemand: "nimm mal einen Malkasten und mische alle Farben zusammen die da drin sind. Dann schau was dabei herauskommt"

    Hm....
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  • U. S.
    Zitat: Gefühlt ein ganzes Land streitet gerade darüber, ob es tragbar ist, dass der Europäische Fußballverband Uefa unter dem Deckmantel der politischen Neutralität eine derartige Beleuchtung verbietet.

    WEIL man neutral ist wurde es verboten. Hätte man es erlaubt, wäre man nicht mehr neutral.
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  • W. S.
    Nein, man war und ist keineswegs neutral, wie hier schon früher ausgeführt. Das Neutralitätsargument entspricht der Verlogenheit und Ignoranz derer, die es vorbringen.
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  • H. E.
    Lieber Herr Gehling, sind es in Wirklichkeit nicht andere Gründe zu dieser medienwirksamen Maßnahme?
    Haben Sie nur einen Grund gesucht?
    Man kann trefflich über die Entschneidung der UEFA oder die Situation im DFB streiten und ja, es ist alles andere als eine gute Situation!
    Aber diese Reaktion damit in Verbindung zu bringen, sogt bei einigen Claqueuren für Beifall, aber bei näherem Hinsehen für Verwunderung!
    Als gewählter Delegierter in einem noch dazu untergeordnetem Verband ist es dem DFB so egal wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.
    Nehmen Sie sich da nicht zu wichtig?
    Oder wollen Sie bewusst Ihre Verbandsstruktur schwächen oder abstrafen? Die Vereine können nichts dafür! Die Ebene und das EHRENAMT ist doch nicht betroffen!
    Sie können auch in Schweinfurt alles kunterbunt beleuchten was und wie Sie wollen!
    Außdem hat das auch nichts mehr mit Demokratie zu tun!
    Der Grund ist ein anderer!
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  • J. W.
    Und was ist mit dem Druck, den die UEFA auf die Politik ausübt, damit die geltenden Corona-Gesetzte z.B. in England für Delegierte und Sponsoren nicht gelten? Was ist mit den Quarantäneregeln für Einreisende aus England in Deutschland? Die gelten doch auch nicht für die Fußballer. Wenn hier alle aktuellen Gesetze umgesetzt würden, hätte das sicherlich eine Dauer der EM von zwei bis drei Monaten zur Folge
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  • B. L.
    10.000 Regenbogenfahnen, wollten sie verteilen. Habe den Eindruck, so gut wie niemand hat sie ihnen abgenommen. Alles nur durch die Presse hochgejubelt. Hat aber fast keiner davon Gebrauch gemacht, und das ist gut so.
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  • P. K.
    Warum ist das gut so?
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  • L. W.
    @ Franken48

    Das lag vielleicht auch an den einigen Hundert "Problemfans" aus Ungarn die ja auch im Stadion waren.

    Diese sahen für mich schon bedrohlich aus und lenkten ja auch Torwart Neuer in der ersten Halbzeit von der Arbeit ab.

    In deren Gegenwart würde ich auch keine Regenbogenfahne tragen.
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  • h. k.
    Koch stelle sich bei Anti-Rassismus- und Fairplay-Kampagnen immer vorne hin, als ob sie seine Babys wären. Aber wenn es einmal darauf ankomme, zeige er kein Rückgrat.

    Genau das ist die Art des Herrn Koch, er ist immer dafür, dass er dagegen ist. Er ist nicht zu greifen und überlebt jeden Skandal im DFB, weil er nie Stellung bezieht.
    Es ist an der Zeit, dem guten Mann eine Auszeit zu gönnen Personen in das Amt zu wählen, die klare Kante zeigen.
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  • M. L.
    Ist die Debatte immer noch nicht beendet?
    Fürchterlich dieses überzogene Gutmenschentum.

    Wer gestern das Spiel im TV gesehen hat, hat sicher auch mitbekommen, dass max. 1..2 dieser BUNTEN Fähnchen präsent waren, mehr nicht! Ein Freund im Stadion teilte mit, dass die Aktionisten auf ihrem Haufen BUNTER Fähnchen sitzen blieben. Kaum einer wollte das Ding bzw. wanderte noch vor dem Stadion in die Tonne. Und das ist auch gut so.

    Und Neuer legte gestern nicht unbedingt eine Glanzleistung hin, sicher auch weil er massiv beschimpft wurde von Ungarn-Fans. Keine Frage, das ist nicht in Ordnung! So liefen ja auch zus. Polizei Kräfte auf, zu sehen auch im TV. Nur kein Bericht darüber.
    Denn man muss ja nicht unbedingt den "Anstoß" geben und diesen Reiz auch noch provozieren mit seiner bunten Armbinde. Böse Zungen behaupten, diese Binde am linken Arm des Neuer hinderte ihm gar beim Verhindern des 0:1. zwinkern

    Schon allein aus diesem Grund haben politische Botschaften im Sport nichts zu suchen.
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  • H. W.
    Also gerade zum Ende hin wird es in Ihrem Kommentar schon ziemlich konfus. Um rassistische und ultra-nationalistische "Fans" nicht zu provozieren soll man lieber kuschen? Und eine Kapitänsbinde behindert wenn sie bunt statt einfarbig ist?
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  • L. W.
    @ ParkandRead

    Wirklich albern.

    Dann dürften Torwarte nie Mannschaftskapitän werden, wenn eine Kapitänsbinde bei der Arbeit hinderlich ist. Welche Farbe dieses Bändchen hat kann ja keine Auswirkungen auf die Beweglichkeit der Arme haben.
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  • M. L.
    Darum hing es nicht, es ging um die BUNTE Armbinde, denn da ist auch ein wenig Psyche dabei, die Beeinflussungen hervor ruft auf der einen und auf der anderen Seite, nur wollen Sie das wohl nicht verstehen.
    Zur Erklärung: Hätte er seine normale Kapitätsbinde getragen, hätte es niemand mokiert und er hätte nicht einmal die ungarischen Fans damit zusätzlich gestichelt aufgrund der hinterlegten Botschaft. Ansonsten ist natürlich eine Armbinde eine Armbinde.
    Und noch einmal... Politische Botschaften haben nichts im Sport zu suchen. Da Sie doch gern in den tiefen Erinnerungen graben, sollte dies Ihnen doch um so mehr bewußt sein. Nur diesmal passt es nicht ins (ihr) Schema, das ist das Problem. zwinkern
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  • L. B.
    Was soll das Ganze. Ein Vereinsdelegierter wird alle 4 Jahre beim Bezirkstag neu gewählt und darf dann beim Verbandstag den "neuen" Präsidenten wählen, sofern überhaupt ein Gegenkandidat es "wagt" seine Gedanken beim Verband einzubringen. Manche hängen an ihrem Posten sei es DFB oder BFV.
    Trotzdem ein mutiger Schritt, da mit der Verbandsführung nicht erinverstanden. Herr Koch hätte besser geschwiegen!!
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  • W. H.
    Super Ernst ,ein Mann mit Rückgrat
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  • R. M.
    unter dem Vorwand etwas gutes für die Ungarn zu tun , wird hier doch nur von dem viel aktuellerem Thema Maskenpflicht in der AllianzArena abgelenkt. Plötzlich muss alles in Regenbogenfarben erleuchten und ich garantiere im Stadion trägt wieder keiner eine Maske.
    DFB das hast du geschickt eingefädelt
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  • H. W.
    Chapeau!

    Da mussten sicher einige beim Verband erst einmal das Wort "Rückgrat" im Duden nachschlagen um die Entscheidung zu versehen.
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  • E. W.
    Aber jetzt zurückzutreten, weil eine Entscheidung getroffen wurde die einem nicht passt ist auch kein Gutes Zeichen für die Demokratie. Es gibt halt immer mehrere Gesichtspunkte. Und ich sehe das genauso wie sepele. Aus sicht der politischen Neutralität darf die Arena nicht in Regenbogenfarben beleutet werden.
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  • S. B.
    Völlig überzogene Reaktion. Koch hat natürlich recht. Wir müssen aufpassen, der Sport nicht instrumentalisiert wird für politische Aktionen zwischen Staaten.

    Was kommt denn sonst als Nächstes? Russland mit einer symbolischen Aktion gegen deutsche Innenpolitik, dann China?

    Die Entscheidung der UEFA ist sicher nicht populär. Und sie ist nicht einfach, das ist auch jedem bei der UEFA bewusst. Wäre sehr viel einfacher gewesen, die Beleuchtung zuzulassen, dafür braucht es keinen Mut.

    Aber das verbot ist konsequent und es ist richtig.
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