zurück
Würzburg
Kommentar: Menschlichkeit ist keine politische Botschaft
Die UEFA verbietet der Stadt München, die Arena beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen. Eine weitere Scheinheiligkeit der Fußball-Funktionäre.
Die Regenbogenfarben stehen für Toleranz und Vielfalt. So hätte die Münchner Arena am Mittwoch beim Spiel der deutschen Elf gegen Ungarn erleucht werden sollen. Die UEFA hat etwas dagegen.
Foto: Tobias Hase, dpa | Die Regenbogenfarben stehen für Toleranz und Vielfalt. So hätte die Münchner Arena am Mittwoch beim Spiel der deutschen Elf gegen Ungarn erleucht werden sollen. Die UEFA hat etwas dagegen.
Achim Muth
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:49 Uhr

Erst vor wenigen Tagen ist im ZDF der großartige Dokumentarfilm "Schwarze Adler" gesendet worden – irgendwann spät in der Nacht, als der Live-Fußball von der Europameisterschaft zur besten Sendezeit vorbei war. Immerhin. Darin sprechen schwarze Fußballspielerinnen und -spieler, die für Deutschland den gestickten Adler auf der Trikotbrust getragen haben, über Rassismus, den sie hierzulande erfahren haben. Erwin Kostedde etwa, erster Schwarzer in der Nationalelf, sagt in die Kamera, dass sich niemand vorstellen könne, wie das sei, "mit so einer Hautfarbe durch Deutschland zu laufen". Er habe sich als Kind oft stundenlang gewaschen, um weißer zu werden.

Im EM-Studio des ZDF hatte auch Jimmy Hartwig auf dem Sofa gesessen. Auch er ist ehemaliger deutscher Nationalspieler, auch er hat – nicht nur im Stadion – offenen Rassismus erlebt, ist beschimpft, beleidigt worden. Auch er ist ein Protagonist des Films und ein leidenschaftlicher Streiter für Toleranz, für Respekt. Hartwig beschwört die einende Kraft, die der Fußball in seinem Ursprung besitzt. Das ist der Kern des Spiels. Egal, welche Hautfarbe: eine Mannschaft, ein Ziel. Dieser Film, sagt Hartwig, gehöre in den Schulen gezeigt.

Doppelpässe mit Despoten gehören zum Spielsystem der Verbände 

Von Jimmy ist es nicht weit zum Regenbogen und zur neuesten verlogenen Debatte im immer mehr verkommenden Milliarden-Geschäft Fußball. Es geht um die Frage aus dem Erdaltertum des Spiels: Darf Fußball politisch sein?

Nein, sagen die großen Verbände und führen gerne die Neutralität an, zu der sie sich zwar offiziell verpflichtet fühlen, die sie selbst aber ständig missachten, sobald es um wirtschaftliche Interessen und Machterhaltung geht. Doppelpässe mit Despoten gehören längst zum eingeübten Spielsystem von Verbänden wie FIFA, UEFA oder dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC).

Oder hat sich zuletzt einer dieser drei Verbandspräsidenten zu den unmenschlichen Bedingungen geäußert, unter denen die Arbeiter die Stadien errichten müssen in Katar, dem Gastgeberland der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft im Winter 2022?

Das vom europäischen Fußball-Verband UEFA mit Verweis auf politische Neutralität ausgesprochene Verbot, die Münchner Arena zum EM-Spiel an diesem Mittwoch gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, ist scheinheilig.

Der Kompromissvorschlag der UEFA ist zynisch 

Kritiker könnten einwenden, dass der Stadt München als Initiator die besondere Erleuchtung der Arena sehr spät eingefallen sei, zwei Spiele haben bei dieser EM schließlich dort bereits stattgefunden. Die UEFA hat dieses Argument gerne in ihrer Begründung aufgegriffen und spricht von einer Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abziele. Dort hat die vom rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán geführte Regierung ein Gesetz verabschiedet, das die Informationsrechte von Jugendlichen zu Homosexualität und Transsexualität einschränkt.

Und wenn es so wäre? Richtig, Toleranz sollte einem nicht erst bei Beispielen wie dem aus Ungarn einfallen. Dennoch hätte das Arena-Licht ein wichtiges Signal sein können. So aber zeigt die UEFA, was von all ihren Aktionen zu halten ist, mit denen sie per Plakaten in Stadien zu mehr Respekt auffordert: nichts. Sie sind Etikettenschwindel, Marketing. Der dem Verbot von der UEFA hinterhergeschobene Vorschlag, die Arena an einem anderen Tag bunt erstrahlen zulassen, ist zynisch dazu: Menschlichkeit nur nach Terminkalender?

Ist Menschlichkeit politisch? Oder ist Menschlichkeit der Wert, auf dem alles fußt: Frieden. Freiheit. Auch Fußball. Die Farben des Regenbogens stehen für  diese Menschlichkeit, für Toleranz, für Vielfalt, für Respekt. Für den Schutz von Minderheiten in einer Gesellschaft, deren sozialer Zusammenhalt immer mehr zerbröselt. Sich für diese Werte einzusetzen, ist keine politische Botschaft. Es ist ein Zeichen von Empathie.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Achim Muth
Europameisterschaften
FIFA
Fußball-Verbände
Fußball-Weltmeisterschaften
Fußballerinnen
Fußballfunktionäre
Fußballnationalmannschaften
Humanität
Internationales Olympisches Komitee
Jimmy Hartwig
Regierungen und Regierungseinrichtungen
Toleranz
UEFA
Ungarisches Parlament
Viktor Orbán
ZDF
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • J. B.
    die NSDAP hat damals den Fussball missbraucht für ihre menschenverachtende Propaganda, danach kam die SED mit Honecker, die auch den Fussball für ihre sozialistische Ideologie benutzt haben, jetzt wiederholt es sich zum dritten Mal .... auf solche deutschen Traditionen können wir echt verzichten!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Erbärmlich wie der Fußball hier mißbraucht wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. H.
    Ganz ehrlich, ich bin genervt, so richtig genervt. "Eigentlich" wollte ich mir das Spiel heute Abend auf dem Sofa sitzend ansehen, doch mir ist das inzwischen wirklich vergangen. Nochmal: Es geht hier um Sport, es geht um Fußball und für mich in diesen 90 Minuten um nichts anderes. Ich wollte bewusst abschalten von all den Nachrichten, Talkshows, politischen Sendungen und einfach nur ......ich sag's nochmal: Fußball schauen. Dazu ein paar Sti man zum Spiel vorher, mittendrin und nacher anhören. Mehr nicht.
    Ich befürchte aber, dass es heute Abend nur am Rande um das Spiel gehen wird, weil eben vorher, mittendrin und nachher viel mehr um das Drumherum der Regenbogenfarben gehen wird. Auch während des Spiels wird mit Sicherheit immer wieder davon die Rede sein und jedes Fähnchen groß zu sehen sein.
    Muss das sein, muss man den Sport so instrumentalisieren und politisieren, dass der Sport ....um den es eigentlich bei so einem Spiel geht kaum noch beachtet wird?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    An dieser Stelle möchte ich mich heute verabschieden. Bleiben Sie streitbar, denn so funktioniert gelebte Demokratie. Sollte ich einen von Ihnen persönlich beleidigt haben, dann entschuldige ich mich hiermit. Alles Gute und bleiben Sie gesund.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. L.
    @Albatros, danke! Ich schließe mich an.
    Sie formulieren nicht nur den passenden Kommentar, sondern finden auch die perfekten Schlussworte.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. H.
    Vielen Dank! Ich wünsche Ihnen eine schönen Abend.

    Wir werden sicher wieder voneinander hier im Forum lesen! grinsen

    Bleiben Sie ebenfalls gesund! Danke.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. H.
    Muss zugeben

    dieser ganze Fußball-Hype interessiert mich eh nur mittelmäßig, aber das Spiel heute Abend werde ich bewusst nicht schauen, dann haben all die armen Werbewirtschaftler ihr Geld ganz umsonst investiert. Wenn das noch "ein paar mehr Leute" so handhaben wie ich, entsteht vielleicht der einzige Druck, den auch die UEFA spürt: nämlich wirtschaftlicher.

    An alle die meinen der Herr Orban und seine politischen (Irr-)Wege gingen sie/ uns nichts an bzw. das sei sogar OK so: Diskriminierung ist eine sehr willkürliche Sache und es kann sich niemand wirklich sicher sein, niemals selber davon betroffen zu werden. Besser wir alle setzen ein gemeinsames Zeichen gegen jedwede gesellschaftliche Brandmarkung (und die Brandmarker) - bevor jemand, aus welchem bornierten Grund auch immer, uns brandmarkt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. M.
    Jetzt muss ich auch wieder mal meinen Senf dazu geben: Die Verlogenheit von UEFA, FIFA oder auch dem IOC ist himmelschreiend! Ich bin ja grundsätzlich gegen Gewalt aber der nur sinnbildliche Spruch "Alle in einen Sack gesteckt und draufhauen und man trifft niemals die verkehrten!" sagt eigentlich alles. Von der Entscheidung der UEFA kann man aber auch was positives ableiten. Erst dadurch ist das Thema nicht nur europäisch so richtig hochgekocht! Also genau das, was Orban und die UEFA vermeiden wollten. Dass der Autokrat Orban nun auch noch seinen Besuch beim Spiel abgesagt hat, ist auch eine Folge der Diskussion. Gut so! Er hat halt keinen Bock drauf sich auspfeifen zu lassen. Getroffene Hunde bellen halt!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. K.
    Brauchen wir wirklich die Arena in Bunt? Wir haben doch alle soviel Möglichkeiten unsere Toleranz zu zeigen. Können wir nicht einfach einmal friedlich NUR Fußball schauen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. G.
    die uefa ist halt ein konservativer haufen...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. W.
    Würde ich so gar nicht sagen. Wenn es ums Geldverdienen geht sind sie durchaus kreativ und wendig zwinkern
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. L.
    Schauen wir doch mal heut' Abend im TV, wie viele bunte Fähnchen die Fans im Stadion heute hin und her wedeln. Die werden wohl an einer Hand abzählbar sein. Sicher wird die mediale TV-Präsenz "auftragsgerecht" jedes einzelne Fähnchen in den Fokus holen.
    Hoffentlich vergessen die Kameras nicht, dem Ball auch zu folgen.

    Dieses mediale bunte Ausschlachten geht einem gehörig auf die Nerven.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. W.
    Ein paar Kerle spielen Fussball.
    Von mir aus.
    Und das ganze Gekaschper drumherum,
    das ist
    mediales Ausschlachten.
    Allerdings ein milliardenschweres mediales Ausschlachten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Offensichtlich gefällt es vielen Millionen Menschen, haben Sie ein Problem damit? Ach ja, es müssen offensichtlich Minderheiten sind, damit Sie sich für etwas begeistern können.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. W.
    Es geht hier doch offensichtlich um den Begriff der "medialen Ausschlachtung". Lesen und Textverständnis ist nicht jedermanns Sache.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Und Sie sind wohl der neue "Hausmeister". Glauben Sie im ernst ich benötige Ihre Hilfe in Sachen medialer Wahrnehmung? Ganz sicher nicht. Aber Sie reihen sich gut ein im Club der Main-Stream-Gläubigen, Sie werden sich wohl fühlen, da bin ich mir ganz sicher.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. W.
    Jetzt machen Sie sich mal einen Tee und dann lesen Sie in Ruhe nochmal den Beitrag von "ParkAndRead" und von "GWM" durch. Ersterer beklagt sich über die mediale Ausschlachtung, letzterer merkt an, dass die EM im Endeffekt auch nur die mediale und kommerzielle Ausschlachtung eines profanen Sportwettbewerbs ist.

    Da wird niemandem Verboten Fußball zu schauen, da geht es nicht um irgendwelche Minderheiten oder was auch immer Sie in diese Aussage hineininterpretieren wollen. Auch der Begriff der "Main-Stream-Gläubig(keit)" verwundert mich in diesem Kontext.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Bitte bleiben Sie beim Thema.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. L.
    Richtig @Stotch, Textverständnis ist nicht jedermanns Sache, Ihre wohl auch net. zwinkern
    Es geht um das mediale BUNTE Ausschlachten. Habs extra nochmal groß geschrieben. Es nervt dieses BUNTE Getue und die deutsche Missionierung anderer Länder.

    Wenn denn doch Deutschland mal so laut tönend und medial gehyped auftreten täte, wenn es seitens der EU bzw. anderer Mitgliedsstaaten Kritik an Deutschland gebe., Bsp. gebe es genug. @Albatros hat Recht mit seiner Main-Stream-Gläubigkeit in Dtl., nur Sie haben's nicht verstanden. Machen Sie sich mal einen Schuss in Ihren Tee und probieren es nochmal.

    Im Kontext, Politik hat im Sport nix zu suchen. Man will einfach nur in Ruhe Fußball schauen. Nur hab ich schon keinen Bock mehr auf das Spiel und mir wäre es fast schon egal, ob die deutsche Nationalmannschaft heute weiter kommt, denn bei einem Abflug hat das BUNTE Getue zwangsläufig ein Ende. Denn anderen Ländern ist dieser BUNTE Hype völlig Wurscht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten