Es gab Zeiten, da lagen die Freien Turner Schweinfurt am Boden. Dem Dino der Fußball-Landesliga war die Luft ausgegangen. In die Bezirksliga musste er, ja sogar in die Kreisliga. Das war in der Saison 2017/18 - der Tiefpunkt. Doch die FTS raffte sich auf und kam zurück. Wiedererstarkt liegt die erste Turner-Mannschaft mit 40 Punkten auf Rang fünf der Landesliga Nordwest.
Dass dieser Dinosaurier nicht ausstarb, lag letztlich an einer kleinen, aber feinen Kur. Neu war sie nicht. Bei der Turnerschaft besann man sich auf die Werte, die sie stark gemacht hatten, als Trainer-Legende Ernst Gehling noch 90 Minuten lang an der Seitenlinie auf und ab schritt, hier Korrekturen vornahm und da deutlich machte, wenn ihm irgend etwas auf dem Feld nicht gefiel. Kameradschaft, Zusammenhalt und der Glaube an die eigene Stärke bildeten die Basis.
Gehling, der seit 2014 Sportleiter ist und sich nach seiner Trainerkarriere mit den Worten, er könne sich "jetzt nicht zurücklehnen und eine Radlermaß trinken" gegen den sportlichen Ruhestand wehrte, holte 2017 in Adrian Gahn einen Coach, der lange an der Maibacher Höhe gespielt hatte. Gahn verstand es, aus jungen Wilden, die oft schon in der Jugend das FTS-Leibchen getragen hatten, einen funktionierenden Haufen zu machen.
Frühere Turner sollen auch in Zukunft das Gerüst bilden
Und er funktioniert noch immer. Gahn, der während des Spiels nicht unbedingt so viel an der Linie läuft wie sein Mentor, hat verlängert und mit Fuaad Kheder (FC Bad Kissingen), Lukas Dinkel (TSV Großbardorf) und Marius Heinze (TSV Bergrheinfeld) seit der verordneten Corona-Pause drei Neue im Kader. "Es freut mich, dass wir bei den jungen Spielern glaubhaft rüberkommen. Derzeit kicken acht, neun Ex-Jugendspieler bei uns in der Ersten. Wir wollen frühere FTS-Talente einbinden, und das gelingt. Lukas Dinkel war beispielsweise bis zur C-Jugend bei uns", erklärt der mittlerweile 64 Jahre alte Gehling, der nicht als "Neunmalkluger rüberkommen" will.
Und so lässt er Gahn, dessen Co-Trainer Thilo Hetterich, Benjamin Freund, dem Coach der zweiten Mannschaft, sowie seinem spielenden Assistenten Marcel Schmitt – die übrigens ebenfalls bei der FT bleiben – den Raum, den sie brauchen. "Ich mische mich nicht ein, ich habe da vollstes Vertrauen. Alle würden von mir eine glatte Eins bekommen." Doch damit nicht genug: "Auch wenn es schlecht läuft, werde ich nie einen Trainer entlassen."
Die Trainer hätten großen Anteil daran, dass der oft zitierte Turner-Geist immer noch über die Maibacher Höhe huscht. "Wir waren unter der Woche sehr oft zusammengesessen und haben Fußball geschaut – doch dann kam uns Corona dazwischen." Aber eben nur dazwischen. Angst vor der Zukunft hat Gehling, mittlerweile zumindest offiziell Rentner, nicht. "Es laufen sogar noch Gespräche mit zwei Leuten, die gerne wiederkommen würden. Der Kontakt ist nie abgerissen – und sie rennen nicht dem großen Geld hinterher, sondern wollen mit ihren Kumpels spielen", lässt der Langzeit-Coach durchblicken – wie die Tatsache, dass nahezu die komplette erste Mannschaft ihre Zusage für die kommende Runde gegeben hat.
Und die will angreifen. Wohl erst ab dem Sommer, da angesichts der neun Punkte Rückstand auf den Tabellenzweiten aus Haibach diese Saison wohl nicht mehr viel gehen wird. Dass Gehling das Wort "Bayernliga" in den Mund nimmt, zumindest aber in die Landesliga-Spitze will, mag angesichts der aktuellen Lage erstaunen. Aber nur auf den ersten Blick.
Der Bezirksliga-Abstieg war auch ein Segen
Dominik Popp, mit 24 Toren zweitbester Schütze der Nordwest-Staffel, gehört zu denen, die gerne ihre Freunde um sich wissen und die Turnerschaft in all ihren Facetten schätzen. Wohl auch deshalb hat der angehende Speditionskaufmann zugesagt, weiter nahe der Christuskirche kicken zu wollen. Spieler wie er sollen auch in der neuen Spielzeit das Gerüst des Teams bilden und für Jubel sorgen.
Den gab es seit dem besorgniserregenden Bezirksliga-Abstieg zuhauf. Auch an das Kreisliga-Jahr mitsamt der unangefochtenen Meisterschaft erinnert man sich bei der FTS gern zurück. "Das Jahr war für uns ein Segen. Wir haben fast nur gewonnen, alle haben gelacht und waren fröhlich – und wir hatten ständig Spiele, zu denen man auch mit dem Fahrrad hätte fahren können", so Gehling, der auch auf einen positiven Effekt nach der Pandemie-Pause hofft.
Doch er wird nachdenklich angesichts der langen Auszeit. "Das ist so, als hätte dein ganzes Team plötzlich einen Kreuzbandriss. Man weiß nie, wie gut man dann zurückkommt. Ich bin echt froh, dass wir so viele Punkte haben. Ich sehe die verbleibenden Spiele eher als Vorbereitung auf die neue Saison." Was Coach Gahn sofort unterschreiben würde. "Es ist echt schwer, die Motivation hoch zu halten. Ich tausche mich ja auch mit anderen Trainern aus, aber für uns ist es nicht leicht", erklärt der 40 Jahre alte Gahn.
Schwer werden könnte es für Spieler, die nicht mehr richtig in Tritt kommen. Doch auch da soll ein Turner-Effekt greifen. Benjamin Freund, der mit der Zweiten von der Kreisklasse in die Kreisliga will und sich nach Knorpelschäden im linken und rechten Knie im Aufbautraining befindet, hat die Aufgabe, diese Akteure aufzufangen. "Wir behalten auch die Reserve im Blick. Wer Kreisklasse spielt, sollte sich einfach nicht aufgeben", macht Gehling klar. Was auch klar ist: Ihm entgeht bei der FTS – nach wie vor – nichts.