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Fußball
FC-05-Profi Daniel Adlung: "Damit macht man Menschen kaputt!"
Der 34-Jährige spielte in Deutschland zweite Liga, in Australien erste. Er spricht über die Schattenseiten des Geschäfts, Homosexualität, Mobbing, Klimaschutz – und Graumulle.
Ein Mann mit vielen Facetten: Daniel Adlung ist Führungsspieler beim Regionalligisten FC 05 Schweinfurt – und alles andere als ein typischer Fußballprofi.    
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Ein Mann mit vielen Facetten: Daniel Adlung ist Führungsspieler beim Regionalligisten FC 05 Schweinfurt – und alles andere als ein typischer Fußballprofi.    
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:55 Uhr

Seit Januar steht Daniel Adlung unter Vertrag beim Fußball-Regionalligisten FC 05 Schweinfurt. 2009 wurde er mit der deutschen U-21-Nationalmannschaft Europameister – an der Seite von Mesut Özil, Manuel Neuer und Jérôme Boateng. Der Mittelfeldspieler absolvierte für Greuther Fürth, Energie Cottbus und den TSV 1860 München insgesamt 287 Zweitliga-Partien und für Adelaide United 25 in der australischen A-League.

Vor seinem Wechsel nach Schweinfurt war der heute 34-Jährige spielender Co-Trainer bei der SpVgg Greuther Fürth II, wo er für das Engagement beim FC 05, wo er einen bis Juni 2022 gültigen  Vertrag hat, freigestellt worden ist. Der verheiratete Familienvater hat zwei Kinder, eine vierjährige Tochter und einen sechs Monate alten Sohn. Im Interview mit dieser Redaktion, in dem es nicht um den FC 05 gehen sollte, äußert sich der Routinier zu gesellschaftspolitischen Themen und klärt ein Missverständnis auf. 

Frage: Adelaide United – ein australischer Fußballverein, der in Schweinfurt allenfalls mit Blick auf Ihre Vita bekannt ist. Jetzt ist er in deutschen Medien aufgetaucht, weil er weltweit der erste Erstliga-Klub ist, in dem sich mit dem 22-jährigen Josh Cavallo ein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet hat. Ist das in Australien leichter?

Daniel Adlung: Es gab keinerlei negatives Aufsehen, im Gegenteil: nur positives. Australien ist ein sehr offenes Land, da ist es wohl etwas leichter als in den europäischen Ligen. Ich habe mir sofort die Nummer von dem Jungen besorgt, weil ich ihn nicht mehr aus meiner Zeit dort kannte. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu schreiben, habe mit ihm hin und hergetextet und ihm gesagt, dass ich es mega gut finde, den Schritt gewagt zu haben. Es ist schade, dass das hier im Männersport nicht so einfach ist, obwohl die Gesellschaft insgesamt schon weiter wäre.

Warum ist das in Europa so kompliziert?

Adlung: Das ist schwer zu verstehen und zu erklären. Der Mensch ist dadurch doch kein bisschen anders. Der Fußballer spielt nicht schlechter. Eigentlich gibt es kein Argument dagegen, sich zu outen.

Steht der Profifußball nicht längst auf einem viel zu hohen Podest? Werden die Sportler zu wichtig genommen, oder nehmen sie sich sogar selbst zu wichtig?

Adlung: Profifußball ist eine Blase. Die Menschen lechzen nach Fußball. Die Stars sind entsprechend präsent. Sie können sich keinen Tag frei bewegen. Das ist alles zu groß, da ist kaum noch Bezug zur Realität. Was ein Mensch, der bei Aldi an der Kasse sitzt, tut, interessiert ja auch keinen. Im Fußball wird furchtbar viel Geld verdient. Ein Mensch ist nicht 150 Millionen Euro wert. Doch das Geld, das Mbappé oder Neymar bei ihren Wechseln nach Paris gekostet haben, haben die Vereine binnen kürzester Zeit durch Merchandise wieder hereingeholt. Das Geld ist ja nie wirklich verbucht, es wird zwischen den Beteiligten nur hin und her geschoben, ist immer im Umlauf. 

Die Öffentlichkeit nimmt diese Summen zum Anlass, Spielern jede Privatsphäre abzusprechen.   

Adlung: Damit macht man Menschen kaputt. Es gab und gibt Fußballer mit Depressionen, nicht nur das Beispiel Robert Enke. Nicht jeder Mensch ist für dieses Geschäft geschaffen. Selbst bei uns in der Regionalliga ist es so, dass sich fremde Menschen scheinbar ein Urteil über uns erlauben dürfen. Passiert das als Beurteilung des Spielers, ist das okay. Aber in den Sozialen Medien bist du nur eine Nummer, Freiwild. Daran können Menschen zerbrechen.

Social Media als Mobbing-Multiplikator?

Adlung: Absolut. Schon Kinder in der Schule erleben das. Hallo! Wie weit muss man sein, wenn man mit 14 keinen Ausweg mehr sieht und sich das Leben nimmt? Von Angesicht zu Angesicht würde kaum einer andere Menschen derart attackieren. Aber das Netz ist anonym, dort können Leute ihrem Hass freien Lauf lassen, ohne dass es großartig bestraft wird. 

"Der Mensch ist dadurch doch kein bisschen anders. Der Fußballer spielt nicht schlechter."
Daniel Adlung über ein Outing homosexueller Fußballer
Sind Sie auf Facebook?

Adlung: Ich habe schon vor längerem Facebook, Instagram oder Twitter sein lassen. Ich habe nichts, was ich mit der Welt teilen müsste. Ich genieße lieber für mich privat. So sitze ich weniger vor dem Handy und erspare mir Konflikte. Ich hatte keinen Nerv mehr dafür, zu hören, was für ein schlechter Mensch ich sei.

Nun sind Sie ja auch Papa zweier Kinder. Würden Sie die ruhigen Gewissens, Talent vorausgesetzt, ins Rampenlicht gehen lassen? In eine Welt, die nur schwarz und weiß, aber keine Grautöne zu kennen scheint.

Adlung: Schwere Frage. Meine Frau und ich wollen, dass unsere Kinder sich frei entfalten können. Ich würde nie meine Kinder, egal, welches Talent ich erkenne, in eine bestimmte Richtung zwingen. Wenn sich Spitzensport herauskristallisieren sollte, okay. Aber ich würde sie mit dem Wissen, was passieren kann, begleiten, oder in einzelnen Punkten gegensteuern.

Sein vielleicht größter Erfolg: Daniel Adlung (links) wird 2009 Europameister mit der deutschen U-21-Auswahl, in der unter anderem auch Fabian Johnson (Mitte) und Jérôme Boateng standen.
Foto: imago sportfotodienst | Sein vielleicht größter Erfolg: Daniel Adlung (links) wird 2009 Europameister mit der deutschen U-21-Auswahl, in der unter anderem auch Fabian Johnson (Mitte) und Jérôme Boateng standen.
Wie es laufen kann, erfährt aktuell Joshua Kimmich. Unabhängig von der Beurteilung seines Impfstatus wirkt die allgemeine Häme nach seiner Corona-Infektion befremdlich.

Adlung: Es wird der Mensch außer Acht gelassen. Wir haben noch keine Impfpflicht. Also ist es seine Entscheidung, auf einen noch nicht auf dem Markt befindlichen Impfstoff zu warten. Keiner hat das Recht, ihn derart zu verunglimpfen, es ist so traurig, dass freie Entscheidung immer schwerer wird. Ganz Deutschland glaubt, mitreden zu müssen.

Wie sind Sie selbst bisher durch die Pandemie gekommen? Sind Sie geimpft?

Adlung: Ja, bin ich. Wir hatten in der Familie einen Fall, der tödlich geendet ist. Ich habe keine Angst vor dem Virus, aber tue alles Mögliche, mich und meine Mitmenschen zu schützen. Dazu gehören auch Selbsttests.

Neben Corona dominiert der Klimaschutz die Schlagzeilen. Sie scheinen da ja vorbildlich mobil zu sein mit Ihrem Hyundai-Kleinwagen. Viele Kicker bevorzugen PS und vier Auspuffrohre.

Adlung: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich früher als Zweitliga-Profi nicht ein solches Auto gefahren hätte. Da hätte ich mir aus heutiger Sicht sehr viel Geld sparen können. Aber ich bin so gereift, dass ein Auto kein Statussymbol mehr sein muss. Mein Auto muss sicher sein, mich von A nach B bringen – und wenn ich damit einen Beitrag für das Klima leisten kann, ist das gut. Ich verurteile jedoch nicht, wenn junge Kollegen das anders sehen. Nur: Der Klimaschutz ist ein wichtiges Thema, das geht uns alle an.

"Die Leute verlangen nach Typen. Wenn dann mal einer da ist, dann gilt er als Querulant."
Daniel Adlung über die Gleichförmigkeit der Gesellschaft
Profifußball wirkt in diesem Zusammenhang oft wie ein Anachronismus. Immer mehr internationale Wettbewerbe bedeuten immer mehr Flüge.

Adlung: Absolut. Wer braucht zum Beispiel diese Conference League? Wenn sich ein Tabellenachter für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert, ist es genug. Bald gibt es noch die Conference League zwei, drei und vier, dann spielt der 16. international. Und alle fliegen kreuz und quer durch Europa. Das braucht kein Mensch, genauso wenig wieWeltmeisterschaften alle zwei Jahre. Oder die Nations League. Das ist nicht kompatibel zur Klima-Diskussion.

Sie wissen schon, dass Sie im Profi-Kosmos aus dem Rahmen fallen? 

Adlung: Ich bin wie ich bin, versuche immer, geradeaus zu sein. Wenn ich eine Meinung habe, vertrete ich die auch. Ich bin in meiner Laufbahn öfter angeeckt, habe damit aber kein Problem. Dennoch würde ich jungen Spielern keine Vorwürfe machen, wenn sie sich anders verhalten. 

Es gibt zu wenige Typen heute.

Adlung: Definitiv. Aber das ist so: Die Leute verlangen nach Typen. Wenn dann mal einer da ist, gegensteuert und seine Meinung – anders, als von der Öffentlichkeit erwartet – äußert, dann gilt er als Querulant. Das ist ja das Problem der Nachwuchs-Leistungszentren. Da werden Stereotype produziert. Die haben alle Disziplin, grundsätzlich ja nicht falsch, aber: Sie sind alle gleich. Aalglatt. Wenn du in einem NLZ eine andere Meinung hast, bist du ein Problem, bekommst deine Papiere und bist morgen weg. Deswegen sterben Typen wie früher Effenberg, Basler oder Matthäus aus. Nur wenige Fußballer haben heute in Europa noch solche Strahlkraft.

Etwas ganz anderes. Im Rahmen einer, sagen wir nicht bierernsten Mannschaftsvorstellung in dieser Zeitung, haben Sie den Lesern verraten, dass Sie am liebsten im Harz Urlaub machen und einen Graumull zum Haustier haben. Vermutlich grober Unfug.

Adlung: Richtig. Um das mal aufzulösen: Lukas Billick und ich haben uns damals einen Spaß mit dem Fragebogen gemacht. Wir haben jeweils für den anderen ausgefüllt und wollten etwas Abwechslung hineinbringen. Er hat keinen Lada 4x4 zu Hause, ich keinen Graumull.

Ein außergewöhnliches Haustier hätte zu Ihnen gepasst.

Adlung: Ich habe aber keines. Außer ein paar Spinnen, die ab und zu mal vorbeischauen.

 
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