Seit Januar steht Daniel Adlung unter Vertrag beim Fußball-Regionalligisten FC 05 Schweinfurt. 2009 wurde er mit der deutschen U-21-Nationalmannschaft Europameister – an der Seite von Mesut Özil, Manuel Neuer und Jérôme Boateng. Der Mittelfeldspieler absolvierte für Greuther Fürth, Energie Cottbus und den TSV 1860 München insgesamt 287 Zweitliga-Partien und für Adelaide United 25 in der australischen A-League.
Vor seinem Wechsel nach Schweinfurt war der heute 34-Jährige spielender Co-Trainer bei der SpVgg Greuther Fürth II, wo er für das Engagement beim FC 05, wo er einen bis Juni 2022 gültigen Vertrag hat, freigestellt worden ist. Der verheiratete Familienvater hat zwei Kinder, eine vierjährige Tochter und einen sechs Monate alten Sohn. Im Interview mit dieser Redaktion, in dem es nicht um den FC 05 gehen sollte, äußert sich der Routinier zu gesellschaftspolitischen Themen und klärt ein Missverständnis auf.
Daniel Adlung: Es gab keinerlei negatives Aufsehen, im Gegenteil: nur positives. Australien ist ein sehr offenes Land, da ist es wohl etwas leichter als in den europäischen Ligen. Ich habe mir sofort die Nummer von dem Jungen besorgt, weil ich ihn nicht mehr aus meiner Zeit dort kannte. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu schreiben, habe mit ihm hin und hergetextet und ihm gesagt, dass ich es mega gut finde, den Schritt gewagt zu haben. Es ist schade, dass das hier im Männersport nicht so einfach ist, obwohl die Gesellschaft insgesamt schon weiter wäre.
Adlung: Das ist schwer zu verstehen und zu erklären. Der Mensch ist dadurch doch kein bisschen anders. Der Fußballer spielt nicht schlechter. Eigentlich gibt es kein Argument dagegen, sich zu outen.
Adlung: Profifußball ist eine Blase. Die Menschen lechzen nach Fußball. Die Stars sind entsprechend präsent. Sie können sich keinen Tag frei bewegen. Das ist alles zu groß, da ist kaum noch Bezug zur Realität. Was ein Mensch, der bei Aldi an der Kasse sitzt, tut, interessiert ja auch keinen. Im Fußball wird furchtbar viel Geld verdient. Ein Mensch ist nicht 150 Millionen Euro wert. Doch das Geld, das Mbappé oder Neymar bei ihren Wechseln nach Paris gekostet haben, haben die Vereine binnen kürzester Zeit durch Merchandise wieder hereingeholt. Das Geld ist ja nie wirklich verbucht, es wird zwischen den Beteiligten nur hin und her geschoben, ist immer im Umlauf.
Adlung: Damit macht man Menschen kaputt. Es gab und gibt Fußballer mit Depressionen, nicht nur das Beispiel Robert Enke. Nicht jeder Mensch ist für dieses Geschäft geschaffen. Selbst bei uns in der Regionalliga ist es so, dass sich fremde Menschen scheinbar ein Urteil über uns erlauben dürfen. Passiert das als Beurteilung des Spielers, ist das okay. Aber in den Sozialen Medien bist du nur eine Nummer, Freiwild. Daran können Menschen zerbrechen.
Adlung: Absolut. Schon Kinder in der Schule erleben das. Hallo! Wie weit muss man sein, wenn man mit 14 keinen Ausweg mehr sieht und sich das Leben nimmt? Von Angesicht zu Angesicht würde kaum einer andere Menschen derart attackieren. Aber das Netz ist anonym, dort können Leute ihrem Hass freien Lauf lassen, ohne dass es großartig bestraft wird.
Adlung: Ich habe schon vor längerem Facebook, Instagram oder Twitter sein lassen. Ich habe nichts, was ich mit der Welt teilen müsste. Ich genieße lieber für mich privat. So sitze ich weniger vor dem Handy und erspare mir Konflikte. Ich hatte keinen Nerv mehr dafür, zu hören, was für ein schlechter Mensch ich sei.
Adlung: Schwere Frage. Meine Frau und ich wollen, dass unsere Kinder sich frei entfalten können. Ich würde nie meine Kinder, egal, welches Talent ich erkenne, in eine bestimmte Richtung zwingen. Wenn sich Spitzensport herauskristallisieren sollte, okay. Aber ich würde sie mit dem Wissen, was passieren kann, begleiten, oder in einzelnen Punkten gegensteuern.
Adlung: Es wird der Mensch außer Acht gelassen. Wir haben noch keine Impfpflicht. Also ist es seine Entscheidung, auf einen noch nicht auf dem Markt befindlichen Impfstoff zu warten. Keiner hat das Recht, ihn derart zu verunglimpfen, es ist so traurig, dass freie Entscheidung immer schwerer wird. Ganz Deutschland glaubt, mitreden zu müssen.
Adlung: Ja, bin ich. Wir hatten in der Familie einen Fall, der tödlich geendet ist. Ich habe keine Angst vor dem Virus, aber tue alles Mögliche, mich und meine Mitmenschen zu schützen. Dazu gehören auch Selbsttests.
Adlung: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich früher als Zweitliga-Profi nicht ein solches Auto gefahren hätte. Da hätte ich mir aus heutiger Sicht sehr viel Geld sparen können. Aber ich bin so gereift, dass ein Auto kein Statussymbol mehr sein muss. Mein Auto muss sicher sein, mich von A nach B bringen – und wenn ich damit einen Beitrag für das Klima leisten kann, ist das gut. Ich verurteile jedoch nicht, wenn junge Kollegen das anders sehen. Nur: Der Klimaschutz ist ein wichtiges Thema, das geht uns alle an.
Adlung: Absolut. Wer braucht zum Beispiel diese Conference League? Wenn sich ein Tabellenachter für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert, ist es genug. Bald gibt es noch die Conference League zwei, drei und vier, dann spielt der 16. international. Und alle fliegen kreuz und quer durch Europa. Das braucht kein Mensch, genauso wenig wieWeltmeisterschaften alle zwei Jahre. Oder die Nations League. Das ist nicht kompatibel zur Klima-Diskussion.
Adlung: Ich bin wie ich bin, versuche immer, geradeaus zu sein. Wenn ich eine Meinung habe, vertrete ich die auch. Ich bin in meiner Laufbahn öfter angeeckt, habe damit aber kein Problem. Dennoch würde ich jungen Spielern keine Vorwürfe machen, wenn sie sich anders verhalten.
Adlung: Definitiv. Aber das ist so: Die Leute verlangen nach Typen. Wenn dann mal einer da ist, gegensteuert und seine Meinung – anders, als von der Öffentlichkeit erwartet – äußert, dann gilt er als Querulant. Das ist ja das Problem der Nachwuchs-Leistungszentren. Da werden Stereotype produziert. Die haben alle Disziplin, grundsätzlich ja nicht falsch, aber: Sie sind alle gleich. Aalglatt. Wenn du in einem NLZ eine andere Meinung hast, bist du ein Problem, bekommst deine Papiere und bist morgen weg. Deswegen sterben Typen wie früher Effenberg, Basler oder Matthäus aus. Nur wenige Fußballer haben heute in Europa noch solche Strahlkraft.
Adlung: Richtig. Um das mal aufzulösen: Lukas Billick und ich haben uns damals einen Spaß mit dem Fragebogen gemacht. Wir haben jeweils für den anderen ausgefüllt und wollten etwas Abwechslung hineinbringen. Er hat keinen Lada 4x4 zu Hause, ich keinen Graumull.
Adlung: Ich habe aber keines. Außer ein paar Spinnen, die ab und zu mal vorbeischauen.