Schwul. Na und? Drei Worte, zwei Satzzeichen – und beinahe schon gesellschaftliches Selbstverständnis. Nicht unbedingt im Fußball-Sport, im Männerfußball, im Amateur-Männerfußball. Männer, die Männer lieben, haben keinen Platz zwischen Bällen, Bier und Bratwurst. Es muss sie aber geben, wenn nicht jede Statistik ad absurdum geführt werden soll. Aber sie müssen sich verstecken in einer archaischen Sportlerwelt, geprägt von Vorurteilen. In einer Welt, in der landläufig ein zu kurz gespielter Pass „ein schwuler Pass“ ist – einfach mal implizierend, dass Spielzüge sexuelle Neigungen haben könnten.
Wo hört Unsicherheit auf, wo fängt Homophobie an?
Wo hört Unsicherheit im Umgang mit Homosexualität auf, wo fängt die Angst vor ihr, die Homophobie an? Schulterzucken selbst beim Bayerischen Fußball-Verband. „Das Thema Homophobie ist bei uns nicht aktuell. Aber einfach nur deswegen, weil uns das Wissen darüber fehlt. Deswegen können wir das Thema auch nicht aktiv angehen“, sagt Frank Schweizerhof, der in der Münchner BFV-Zentrale als hauptamtlicher Sozialpädagoge Ansprechpartner ist bei Fällen von Diskriminierungen.
Nicht ein einziger Fußballer habe sich bisher beim Verband gemeldet, weil er wegen seiner Homosexualität angefeindet worden wäre. Schweizerhof glaubt auch zu wissen, warum: Es oute sich schlicht kein Fußballer, weil er wisse, was ihm bevorstehen könnte. „Und ganz ehrlich, ich kann mich jetzt auch nicht herstellen und sagen: Outet euch, dann geht es euch besser. Denn die Maßgabe bei uns im Verband lautet: Fußball im Amateurbereich ist Privatsache.“
Nicht einzugreifen heiße aber nicht, tatenlos zuzusehen, stellt Schweizerhof klar. Der BFV habe sich der Aufarbeitung des Themas Homophobie geöffnet. Wenngleich halbherzig: Einen Anfang hätte der Auftritt beim Münchner Christopher Street Day (CSD), dem bayerischen Hauptstadt-Ableger der so traditionellen wie schrillen Homosexuellenparade, machen sollen. Einige Verbandsmitglieder sollten, so war's geplant und auch zugesichert, an diesem Tag, an dem sogar die Allianz Arena in den Regenbogenfarben leuchtete, gemeinsam mit dem ehemaligen Fußballprofi Jimmy Hartwig und homosexuellen Fußballern auf einem Präsentationswagen unterwegs sein.
Schwule Fußballer im offiziellen Ligen-Betrieb
Mit homosexuellen Fußballern? Ja! Ein paar haben sich geoutet – doch die sind unter sich. Schwule Fußballer spielen als „Team München“ im offiziellen Ligen-Betrieb. In der C-Klasse, da wo die Luft noch ein bisschen rauer ist. Nils Müller kickt im Mittelfeld, ist Abteilungsleiter – und homosexuell. Und er erzählt, warum seine Mannschaft dann zwar unter dem BFV-Banner, aber letztlich doch ohne Offizielle beim CSD mitgefahren ist: „Es hagelte in den Tagen davor Absagen, bis am Ende keiner mehr da war. Auch nicht Jimmy Hartwig. Aber immerhin hat uns der Verband finanziell unterstützt.“ Termingründe nennt der BFV für den sukzessiven Rückzug.
Klar, das Diskriminierungspotenzial in dieser Münchner Mannschaft liegt naturgemäß bei null. Aber wie sieht's mit den Gegnern aus? „Leider Gottes muss ich hier gängige Klischees bemühen. Insbesondere durch Mannschaften mit besonders hohem Ausländeranteil kommt es zu Anfeindungen, nicht körperlich, aber da sind schon Beleidigungen weit unter der Gürtellinie dabei. Wir haben selbst drei Türken bei uns, die schämen sich für das Verhalten vieler Landsleute“, so Müller, der aber auch eine Erklärung parat hat: „Südländische junge Männer werden anders sozialisiert, da sind Schwule im Alltag bereits tabu, erst recht natürlich auf dem Sportplatz. Da geht es, gerade wenn solche Teams gegen uns verlieren, auch um verletzten Stolz.“ Und es verlieren viele gegen das „Team München“ – die Saison 2016/17 beendete es als Vierter, punktgleich mit dem letztlich aufgestiegenen Zweiten. Und in der aktuelle Runde rangieren die Jungs, denen sich vor Saisonbeginn drei Neuzugänge angeschlossen haben, nach sieben Spielen auf dem dritten Tabellenplatz.
„Bei den Frauen klappt das“
Kaum mehr als ein Trostpflaster für Müller und Co. Der Stachel, sich in einer freien Gesellschaft ob seiner sexuellen Orientierung verstecken zu müssen, sitzt tief: „Es schmerzt, dass in so vielen Bereichen für Toleranz geworben wird, die Homophobie aber untergeht. Keine Frage: Es ist wichtig, dass so viel wie möglich gegen Rassismus getan wird. Aber ich vermisse eine breite öffentliche Wahrnehmung für und Solidarität mit homosexuellen Fußballern. In so vielen Sportarten gibt es das, warum nicht im Fußball? Eigentlich muss ich sagen: im Männerfußball. Denn bei den Frauen klappt das ja.“
Zumindest im Amateurbereich, wo auch hinter der Bande primär Frauen stehen und es nicht um Werbeverträge geht, auf die Bundesliga-Fußballerinnen bei deutlich niedrigeren Bezügen als bei den Männern angewiesen sind. Da ist es dann auch nicht selbstverständlich, dass Spielerinnen mit ihrer Freundin zur Weihnachtsfeier kommen. Was an den hierarchischen Führungsstrukturen des Fußballs liegen mag. Im Präsidium des DFB findet sich nur eine Frau, selbst bei der Frauen-EM 2017 in den Niederlanden wurden zehn der 16 Teams von Männern trainiert. In gemischtgeschlechtlichen Strukturen würde das Thema möglicherweise weniger verkrampft diskutiert werden.
Dass aber generell im Alltag Frauen weniger Probleme mit Homosexualität in ihrem Umfeld hätten, wundert Müller kaum: „Wer hat denn die Probleme mit Schwulen? Überwiegend Männer. Und genau diese Männer haben komischerweise kein Problem mit lesbischen Pärchen, da geht dann womöglich sogar die erotische Fantasie mit ihnen durch.“ Dass er damit auch eingefahrene Rollenbilder bedient, weiß Müller – doch er provoziert bewusst, das Erlebte hilft ihm dabei.
Toleranz stagniert seit Hitzlspergers Outing
Generell habe sich das Verhalten anderer Mannschaften gegenüber den homosexuellen Kickern in den letzten Jahren kaum verändert. Während im Profifußball das – wenngleich nach Karriereende erfolgte – Outing von Nationalspieler Thomas Hitzlsperger einiges bewegt hat, stagniere, allen rosa oder lila Stollenschuhen zum Trotz, bei den Amateuren, so Müller, die Toleranz auf einem extrem niedrigen Niveau. Da freut er sich mit seinen Jungs über kleinste Fortschritte: „Immerhin werden wir inzwischen schon mal zu Freundschaftsspielen eingeladen.“ Die bunte Truppe hat sich 1994 als „Streetboys“ gefunden, seit 2001 geht es in der C-Klasse um Punkte und Tore.
Den Vorwurf, der Homophobie auszuweichen, indem sich die schwulen Fußballer freiwillig gettoisieren, kontert der 35-Jährige: „Es outet sich ja trotzdem jeder bei uns und damit auch gegenüber den anderen Mannschaften. Nur in der Gruppe fällt das einfacher, als wenn ein Einzelner sich im Verein der nervigen Freundin-Frage stellen und schließlich sagen müsste: Leute, ich bin schwul. Bei uns können die Fußballer vielleicht sogar das Rückgrat aufbauen für einen Wechsel zu einem ,normalen‘ Verein.“ Dann wäre ein Anfang gemacht.
Nach erfundenen Frauen-Geschichten die Befreiung
Ein Anfang, den zu machen Tony Quindt fünf Jahre Bedenkzeit kostete. Eine Bedenkzeit, die mit inneren Kämpfen und Qualen verbunden war. Bis der damals 22-jährige Russland-Deutsche sich 2008 auf einer Vereinsfeier des schleswig-holsteinischen Kreisliga-Klubs S.I.G. Elmenhorst traute und der Mannschaft seinen Lebensgefährten vorstellte. „Ich habe danach keine schlechten Erfahrungen gemacht, mich hat nie jemand als schwule Sau oder so bezeichnet“, sagte Quindt später in die Kamera des Norddeutschen Rundfunks. Befreit wirkte er. Schließlich hatte er lange genug Frauen-Geschichten erfunden. „Ich musste eine Rolle spielen, ich hatte Angst, dass es heißt: Du darfst nicht mehr mitspielen, weil du schwul bist.“
Hieß es aber nicht, weil die Mannschaft das beim Outing in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigte. „Fußball spielen und schwul zu sein ist kein Widerspruch! Ich hoffe, dass meine Geschichte vielen anderen Mut macht, sich zu outen“, sagte Quindt fünf Jahre nach seinem Outing noch einmal gegenüber dem Sportmagazin „11 Freunde“ – um sich letzten Endes aber doch seine Exotenrolle eingestehen zu müssen. Die Nachahmer blieben aus.
Wo echte Männer noch echte Männer sein müssen
Eine Erfahrung, die auch der Mittelrheinische Fußball-Verband machen musste, der vor einigen Jahren die Initiative „Einer von 11 ist schwul“ startete – und bei seinen Kickern keine Resonanz fand. Wen wundert's, wenn Fußball-Prominenz wie Philipp Lahm, Arne Friedrich oder Joachim Löw demonstrativ in die Dementi-Offensive geht, kaum dass von schicker Kleidung oder sensiblem Auftreten genährte Gerüchte laut werden – anstatt die sexuelle Neigung einfach mal unthematisiert sein zu lassen. Das Nichtschwulsein ist offenbar elementar in der Welt des Fußball, wo echte Männer noch echte Männer sein müssen. Nicht nur in Deutschland wohlgemerkt.
Was das Outing des britischen Profis Robbie Rogers 2013 bestätigt: Der damals 24-jährige Mittelfeldspieler löst nur einen Tag später seiner Vertrag bei Leeds United von sich aus auf – aus Angst vor den Reaktionen in englischen Stadien, wie er sagte.
Weswegen Müller und seine „Streetboys“ vom Team München, einem Verein, der übrigens auch so gar nicht vom Schwulen-Klischee behaftete Sportarten wie Kickboxen anbietet, ihre Strategie verändert haben, nicht mehr alleine mit Penetranz den Amateur-Fußball missionieren wollen: „Wir suchen aktiv die Kooperation mit dem Bayerischen Fußball-Verband. Der BFV hat bereits signalisiert, auf seiner Webseite für das Thema Homosexualität im Amateurfußball eine eigene Plattform einzurichten. Wir sehen in unserem Handeln als Verein auch einen politischen Auftrag.“
Schwule Fanklubs: keine Außenseiter-Gruppierungen mehr
Bundesweit habe sich im Profifußball ein bisschen was entwickelt, zumindest im Umfeld: In den Bundesligastadien sind Fanclubs wie „Andersrum Ruut-Wieß“ (1. FC Köln), „Queerpass“ (FC Bayern) oder „Hertha Junxx“ (Hertha BSC Berlin) längst nicht mehr Außenseiter-Gruppierungen, die um Leib und Leben fürchten müssten.
Der 52-malige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger ist sicher der prominenteste deutsche Fußballer, der sich als homosexuell geoutet hat, wenn auch erst nach seinem frühen Karriereende 2013, als er gerade mal 31 Jahre alt war. Als Profi war er unter anderem für den VfB Stuttgart, den VfL Wolfsburg, den FC Everton und Aston Villa aufgelaufen. Inzwischen ist der 35-Jährige seit 2016 beim VfB Stuttgart Vorstandsbeauftragter an der Schnittstelle zwischen Lizenzspielerbereich und Vereinsführung, seit 2017 auch Mitglied des Vereinspräsidiums, darüber hinaus TV-Experte und Kolumnist, sowie engagiert in einigen Projekten zu den Themen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt. In diesem Jahr wurde Hitzlsperger zum DFB-Botschafter für Vielfalt ernannt.
Es war der Januar 2014, als sich der gebürtige Münchner in einem Interview mit der „Zeit“ outete: „Ich äußere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gerne eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern.“ Das saß, das war eine mediale Sensation. Ein Profifußballer schwul. Hatte der nicht 2007 seine langjährige Freundin Inga Totzauer heiraten wollen? Ja, aber er hatte sich auch kurz vor der geplanten Hochzeit getrennt.
„Viele Leute haben ein Problem mit ihrer eigenen Sexualität“
Der Druck, die innere Zerreißprobe, hatte ihn offensichtlich dazu und auch zum Outing gedrängt. Längst geht Hitzlsperger offen mit seiner Homosexualität um, spricht auch bei offiziellen Anlässen des Weltfußballs immer wieder darüber. Und hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. So antwortete der ehemalige niederländische Nationalspieler Clarence Seedorf bei einer Fifa-Podiumsdiskussion im Frühjahr 2017 zum Thema „Equality and Conclusion“ auf die Frage, warum Hitzelsperger damals aufgestanden sei und sich geoutet habe: „Heteros würden das ja auch nicht tun. Warum ist das etwas, über das man reden muss?“ Hitzlsperger konterte den Verdrängungsgedanken Seedorfs: „Ich denke, dass es sehr wichtig ist. Viele Leute haben ein Problem mit ihrer eigenen Sexualität. Fußballer sind für viele Vorbilder. Wenn sie aufstehen, können sie etwas verändern. Natürlich sagen Leute, dass es kein Problem sein sollte. Aber es ist immer noch eines.“
Bischofsheimer Betreuer outete sich nach aktiver Zeit
Dirk Warnecke, Betreuer bei den Fußballern des VfR Stadt Bischofsheim in der Rhön, sieht diese Diskussion mit innerem Zwiespalt. Er ist selbst homosexuell, hatte sich als Kicker nicht geoutet, sondern erst, als er hinter die Bande gerückt war, und sagt: „Ich bin mir nicht sicher, ob man überhaupt immer besonders auf diese Thematik hinweisen und Aktionen starten muss. Ziel ist es doch eher, völlig natürlich damit umzugehen. Warum besonders auf Natürliches hinweisen, wenn es doch eigentlich gar nichts Besonderes ist?“ Die Betonung auf „eigentlich“ ist jedoch unüberhörbar.
Denn auch Warnecke kennt typische Fußballer-Sprüche, gleichwohl er ein so selbstbewusster Mensch ist, sie mit Ironie verarbeiten zu können: „ Eine Aussage, an die ich mich noch erinnern kann und über die ich etwas schmunzeln musste, war: Solange mich von denen keiner anmacht, ist mir das egal. Diese Aussage kam und kommt ironischerweise sehr oft von Leuten, die auf der Interessenliste Homosexueller eher im unteren Bereich angesiedelt sind.“
Schon 2014, im Jahr seines Outings, als Hitzlsperger ein viel gebuchter Interviewpartner war, forderte er immer wieder den normalen, unverklemmten Umgang mit Homosexualität, ohne je einen Sonderstatus oder überproportionale Rücksichtnahme einzufordern. „Vielleicht führt es dazu, dass es in Zukunft ein Stück weit Normalität wird, dass ein Spieler in der Kabine genauso über seinen Freund sprechen kann, wie andere über ihre Freundin oder ihre Frau“, sagte er der „Welt“. „Aber aktive Spieler, die sich outen wollen, müssen stark sein und Reaktionen aushalten.“ Gegenüber der „Bild“ äußerte er 2015: „Bei mir hat sich die Unsicherheit lange hingezogen, bis ich mir sicher war, dass ich etwas verändern muss. Da war ich Ende 20 und hatte vor, mich während der Karriere zu outen. Davon wurde mir aber abgeraten.“
Sportwissenschaftlerin Tanja Walther-Ahrens, die sich seit Jahren engagiert gegen Homophobie im Fußball, darüber hinaus Delegierte der European Gay an Lesbian Sport Federation (EGLSF) ist, schreibt in ihrem Buch „Seitenwechsel“ ein Jahr nach Hitzlspergers Outing: „Sein Schritt war nicht einmal ein Startschüsschen. Es ist ein Problem, dass es homosexuelle Spielerinnen und Spieler gibt, die sich nicht wohlfühlen und aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert werden.“
Marcus Urban war der Erste
So ein Fußballer war Marcus Urban. Er war 2007 der erste Fußballer überhaupt, der sich öffentlich als schwul geoutet hat, allerdings ohne je annähernd so prominent gewesen zu sein wie Thomas Hitzlsperger – und vor allem lange nach seiner Laufbahn. Urban hatte alle DDR-Auswahlmannschaften durchlaufen, spielte zuletzt bei RW Erfurt, war auf dem Sprung, Profi zu werden. Doch der Druck, sich als Homosexueller in der Fußballwelt verstecken zu müssen, verhinderte die Karriere – er wurde stattdessen Diplom-Ingenieur für Städteplanung und sitzt heute im Vorstand des Vereins für Vielfalt in Sport und Gesellschaft. 2008 erschien seine Biografie „Versteckspieler. Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban“, verfasst vom Journalisten Ronny Blaschke, der sich seit Jahren gegen Diskriminierungen jeder Art einsetzt.
Blaschke war es auch, der sich im Vorfeld der diesjährigen Frauenfußball-Europameisterschaft in den Niederlanden mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzte. Elf Spielerinnen der Titelkämpfe sind in der Öffentlichkeit offen lesbisch – fünf kommen aus Schweden. Die Bekannteste, Nilla Fischer, läuft bei ihrem Klub, dem VfL Wolfsburg, mit Regenbogen-Kapitänsbinde auf und unterstützt in ihrer Heimat schwullesbische Veranstaltungen.
In Deutschland haben sich Trainerin Steffi Jones oder die ehemalige Torhüterin Nadine Angerer schrittweise der Debatte genähert. Angerer postete 2016 ein Kuss-Foto von ihrer Verpartnerung. Wie es auch ablaufen kann, zeigte Isabel Kerschowski vom VfL Wolfsburg. In einem Interview erwähnte die Stürmerin ganz beiläufig ihre Freundin. In jüngerer Vergangenheit hat der DFB in Dutzenden Projekten für Vielfalt geworben, doch manchmal wurde das ad absurdum geführt, zum Beispiel in der Vermarktung der heimischen Frauen-WM 2011. Der offizielle Slogan: „20elf von seiner schönsten Seite“.
Für ein Kosmetikunternehmen posierten Nationalspielerinnen in engen Abendkleidern, und fünf Bundesligaspielerinnen ließen sich im „Playboy“ ablichten. Spielerinnen schienen nur von Interesse zu sein, wenn sie die Klischees der lesbischen „Mannweiber“ hinter sich lassen.
„Du siehst gar nicht so lesbisch aus“
Nadja Pechmann war Fußballerin. Ihrer Mutter gefiel das nicht. Als Jugendliche merkte Pechmann, dass sie auf Frauen steht. Eines Abends bei ihrem Verein, dem FC Spandau 06, rief der Trainer sie und ihre Freundin in die Kabine. Er verbat ihnen das Händchenhalten. Bald darauf wurde die Berlinerin Schiedsrichterin. Vor allem bei Partien zwischen Männern musste sie viele Sprüche erdulden: „Ich hoffe, du pfeifst so gut, wie dein Arsch aussieht.“ Pechmann entgegnete, dass sie Frauen mag – und erhielt die Antwort: „Du siehst gar nicht so lesbisch aus.“ Inzwischen ist Pechmann dreißig Jahre alt, sie sagt: „Entweder wurde ich als Sexobjekt dargestellt oder als Kampflesbe.“ Vor drei Jahren wurde sie von einem Kreisligaspieler während einer Partie auf dem Feld rüde geschubst. Sie legte eine Pause als Schiedsrichterin ein. Bis heute.
Mit Material von Ronny Blaschke