
Ganz schön viele Menschen waren am Freitagabend in Burghausen unterwegs. Nicht alle wollten das Regionalliga-Fußballspiel in der Wacker-Arena sehen. Die Mehrheit zog es in die Säle der Stadt. Zu den Konzerten im Rahmen des 54. Internationalen Jazz-Festivals. Wer doch lieber ins Stadion gekommen ist, sah einen durchaus be-swingten FC Schweinfurt 05 – fernab von chilligem Bar Jazz, fernab von atonalem Free Jazz. Mehr Fusion Jazz. Irgendwas rockig-funkiges zwischen Chick Corea und Herbie Hancock. Anspruchsvoll und (!) harmonisch. Okay, auf den Rängen wird man's eher einen stabilen Kick genannt haben.
Stabil präsentierte sich der FC 05 allemal nahe der österreichischen Grenze. Der Tabellenführer steckte die vorangegangene 0:2-Niederlage gegen Augsburg und die Nebengeräusche zweier ausstehender Gerichtsurteile genauso beeindruckend weg, wie eine Viertelstunde, in der die Partie eine andere Wendung hätte nehmen können. Dieser 5:2-Sieg in Burghausen war das unmissverständliche Signal an die Konkurrenz, dass diesen FC 05 nur noch einer stoppen kann auf dem Weg zu Titel und Aufstieg – er selbst. Die Abstände zu den sichtlich geschockten Verfolgern, von denen tags darauf nur der TSV Buchbach siegte und damit die Würzburger Kickers überholte, betragen nun neun, neun, zehn, zehn und zwölf Punkte.
05-Coach Victor Kleinhenz war bereits die personifizierte Lässigkeit, als er nach Schlusspfiff die Nachricht vom 1:1-Stolperer des FC Bayern München II kommentierte: "Das ist gut." Nicht mehr? "Sehr gut." Registrieren, abhaken. Als wäre es Teil eines Plans. Ist es tatsächlich. "Wir haben in der Hinrunde angefangen, den Spielplan in Vierer-Blöcke einzuteilen, in denen ein Zwei-Punkte-Schnitt Ziel war. Die Idee kam von der Mannschaft", so Kleinhenz. "Wir haben noch zwei solche Blöcke. Jetzt ist es das Ziel, Verfolger abzuhängen. Einen nach dem Anderen."
In der Causa Türkgücü droht eine Hängepartie
Seine Spieler bekamen fürs Wochenende frei. Kleinhenz: "Ich glaube, wir müssen keine zusätzlichen Einheiten einschieben." Aber Geduld haben womöglich. So ist zwar für nächste Woche das Sportgerichtsurteil wegen der in Ermangelung einer Spielstätte abgesagten Partie bei Türkgücü München zu erwarten, ebenso die Zuteilung von drei Punkten, die bei Nichtantreten des Gastgebers angezeigt sind. Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die Türken über ihren neuen Geschäftsstellenmitarbeiter Ullrich Bergmann Widerspruch angekündigt; sie wollen offenbar eine Neuansetzung bewirken.
Gerangel, von dem auf dem Platz nichts zu spüren war. "Eine brutale Energie" hatte Kleinhenz stattdessen ausgemacht. Den Burghausener Doppelpack durch Daniel Bares (32., 33.) bogen bis zur Pause mit Joshua Endres (17., 43,) und Michael Dellinger (37.) zwei Spieler zu einer Führung um, die zuletzt krankheitsbedingt ausgefallen waren und ihre Relevanz für die Schweinfurter Offensive bestätigten. Dass Endres mal wieder einen Ball in den Giebel gezimmert hat, kommentierte der Trainer trocken: "Josh schießt sehr gerne sehr geile Tore."

Nicht von ungefähr war Linksverteidiger Nils Piwernetz Doppelpass-Partner, der ebenfalls in die Startelf zurückgekehrt war. Mit ihm auf der Außenbahn hat das 05-Spiel im Aufbau mehr Ballsicherheit und Kreativität als in der Phase, in der ihn etatmäßige Innenverteidiger zweikampforientierter ersetzt hatten. Der insgesamt stimmige und kompakte Auftritt überzeugte Kleinhenz trotz des kurzzeitigen Burghausener Aufmuckens: "Ich habe bereits in der Pausenansprache gesagt, dass wir daraus Vieles ziehen können für den weiteren Saisonverlauf. Wir haben uns bewiesen, dass wir wieder Tore schießen und ein Spiel drehen können." Letzteres endgültig durch die Treffer von Kristian Böhnlein (60.) und Patrick Hofmann (88.).
Mit breiter Brust in die nächste Aufgabe gegen Ansbach
Da war es wieder, das Selbstverständnis, das nach dem 0:2 der Vorwoche insofern ins Wanken geraten ist, weil man der Konkurrenz mit einer möglichen zweiten Niederlage in Folge keine Steilvorlage für eine mögliche Aufholjagd liefern wollte. Stattdessen brettbreite Brust für die nächste Aufgabe am kommenden Samstag (14 Uhr) gegen die SpVgg Ansbach. Dank fünf Auswärtstoren bei einer Burghausener Mannschaft, die 2025 ungeschlagen war unter ihrem neuen Trainer Lars Bender.
Als Bender in der Ecke eines Hotel-Wirtshauses beim Feierabend-Weizen telefonisch eine Spielanalyse durchgab, zählte er nicht nur Fehler seiner Elf auf, sondern würdigte vielfach die Schweinfurter Dominanz. Und von zwei am Nebentisch sitzenden 05-Fans verabschiedete er sich später mit einer Titel-Prognose: "Des ziagt's jetzt durch." Beide hätten sicher gerne mit dem Ex-Nationalspieler gefachsimpelt. Doch ihnen erklärte gerade wortgewaltig ein älterer Herr die Spielarten des Jazz.