Man benötigt neben einer sehr guten Fitness schon eine gehörige Portion Mut, Selbstvertrauen und vor allem Abenteuerlust, um an einem Radrennen über knapp 570 Kilometer auf Schotterwegen und Pfaden quer durch den US-Bundesstaat Kansas teilzunehmen. Attribute, die auf Svenja Betz aus Nordheim vor der Rhön definitiv zutreffen.
Seit 2019 ist die Lehramtsstudentin mittlerweile im internationalen Radsportzirkus unterwegs. Anfangs im klassischen Straßenradsport, später im Radcross und seit knapp eineinhalb Jahren nun in der immer stärker wachsenden Gravel-Szene. "Ja, ich liebe neue Herausforderungen und Abenteuer in der Natur", sagt Betz einige Tage nach ihrem bisher wohl größten sportlichen Erfolg.
Als schnellste Frau unter der 24-Stunden-Marke geblieben
Zuhause in ihrem Heimatort in der Rhön angekommen, realisiert die 28-Jährige so langsam, was sie da kürzlich in den USA geleistet hat. "Jetzt ist man wieder in der Realität und muss das Erlebte erst einmal verarbeiten." Das Unbound XL gilt als eines der härtesten und bedeutendsten Gravel-Rennen weltweilt. Im vergangenen Jahr gab Betz dort ihr Debüt über die 200 Meilen (321 Kilometer). "Je länger die Distanzen sind, desto besser komme ich zurecht", hat die Nordheimerin beobachtet und daher schon länger über einen Start auf der Ultra-Langdistanz über 350 Meilen nachgedacht.
Bestärkt wurde sie bei ihren Überlegungen von Sebastian Breuer, der in Kansas ebenfalls die Langdistanz in Angriff nahm und bei den Männern in einer Zeit von 20:05:36 Stunden nach einem Zielsprint als Erster die Linie überquerte. Betz brauchte als schnellste Frau gut dreieinhalb Stunden länger (23:46:57 Stunden), ließ dabei einige Männer hinter sich und stellte zugleich einen Frauen-Streckenrekord auf.
"Die Zeit war mir eigentlich egal. Dass ich am Ende knapp unter der 24-Stunden-Marke geblieben bin, ist natürlich eine schöner Bonus", sagt Betz. Wichtiger sei ihr jedoch gewesen, nicht zeitgleich mit den schnellsten Männern der 200-Meilen-Strecke ins Ziel zu kommen. "Da wäre ich sonst wohl untergegangen und kaum beachtet worden. So aber kam ich einige Minuten vor ihnen ins Ziel und wurde von den zahlreichen Besuchern lautstark gefeiert", blickt Betz auf eine emotionale Zieleinfahrt zurück.
Für die Verpflegung auf den 570 Kilometern ist jeder selbst verantwortlich
Hinter ihr lagen da knapp 24 Stunden voller emotionaler Höhen und Tiefen. Nie zuvor war Betz auf solch einer langen Distanz unterwegs. "Auch die komplette Nacht zu fahren, war für mich neu." Eine weitere Besonderheit beim Unbound XL: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind komplett auf sich alleine gestellt und dürfen keine Hilfe von außerhalb annehmen. Für die Verpflegung müssen die Sportlerinnen und Sportler daher Tankstellen oder Shops ansteuern und dort ganz regulär einkaufen.
"Im Vorfeld habe ich mir die Läden angeschaut, um zu wissen, wo ich was finde. Lange dauert ein solcher Zwischenstopp dann nicht. Man rennt in den Laden, sucht sich schnell seine Sachen zusammen, wirft das Geld auf den Tisch und rennt ohne auf das Wechselgeld zu warten wieder raus zu seinem Rad", erklärt Betz.
Während sich die Nordheimerin in der ersten Hälfte des Rennens noch relativ gut fühlte, kam nach der Nacht das große Tief. "Als es wieder hell wurde, tat mir mein ganzer Körper weh." Erschwerend hinzu kam ein langweiliger Streckenabschnitt mit schier unendlich langen Geradeauspassagen. "Da habe ich schon auf meinem Rad geflucht und mich gefragt, was ich hier eigentlich mache", gesteht Betz. Umso erleichterter war sie, als sie irgendwann wieder einige Männer eingeholt hatte und nicht mehr alleine unterwegs war. Auch eine Matschpassage, bei der man kurzzeitig vom Rad absteigen musste, kam Betz als Abwechslung wie gerufen.
In Zukunft legt Svenja Betz ihren Fokus mehr auf den Beruf
Und als sie in der Endphase des Rennens vom Sieg ihres guten Freundes bei den Männern erfuhr, sei dies noch einmal eine Zusatzmotivation gewesen. Zumal sie unterwegs in Kenntnis war, dass sie bei den Frauen in Führung lag. "Ich wusste allerdings nicht, wie groß mein Vorsprung war und habe mich daher erst im Ziel über den Sieg freuen können", sagt Betz.
Nach diesem Abenteuer braucht die 28-Jährige nun erst einmal eine Pause, um sich sowohl körperlich als auch mental zu erholen. Im weiteren Jahresverlauf stehen noch ein Rennen auf Island und eins im Süden Spaniens, dann sogar über 800 Kilometer, auf dem Programm. "Wie es im nächsten Jahr für mich sportlich weitergeht, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht", sagt sie.
Zunächst will Betz erst einmal ihre Masterarbeit beenden, um 2025 dann ihr Referendariat anzutreten. "Es ist dann auch an der Zeit, meinen beruflichen Werdegang voranzutreiben. Denn Geld verdiene ich mit meinem Sport kaum." Nach fünf Jahren im Profiradsport werden dann die Prioritäten neu gesetzt. "Ich habe in den vergangenen Jahren so viele verschiedene Facetten des Radsports kennenlernen dürfen. Dafür bin ich vor allem meiner Familie, die mich immer unterstützt hat, unendlich dankbar."