Ihr WG-Zimmer in Münster/Westfalen hat sie noch. Aber wenn sie davon spricht, zu Hause zu sein, dann meint sie wie eh und je Nordheim vor der Rhön. Im Studium - Sport und Biologie auf Lehramt - warten noch die beiden Abschlussprüfungen sowie die Masterarbeit auf Svenja Betz, im Radsport eine neue Herausforderung. Die 27-Jährige wechselt zur kommenden Saison zum deutschen Team Maxx-Solar Rose - und fokussiert sich auf eine andere Disziplin.
"Gravel ist total im Trend und voll mein Ding", sagt Svenja Betz. Das englische Wort "gravel" bedeutet übersetzt Kies oder Schotter. Gefahren wird auf verschiedenen Untergründen, neben Asphalt, Wald- und Wiesenboden eben auch auf Schotter. "Der Mix ist ganz cool. Jeder Untergrund fordert andere Qualitäten. Auf Wiesen muss man zum Beispiel viel Kraft investieren", sagt Betz. "Man ist viel auf Feldwegen und im Wald unterwegs. Ich bin sehr naturverbunden und mag das."
Die Rhön eigne sich da als ideales Terrain für ausdauernde Trainingseinheiten. Stundenlang könne man von Nordheim aus "die Rhön hoch und durch Wald fahren", schwärmt Betz. Noch tritt sie in die Pedale ihres zwei Jahre alten Cross-Rads, zu Beginn des nächsten Jahres will sie ihr Team mit einem Gravel-Rad ausstatten. Die markantesten Unterschiede? Gravel-Räder haben einen längeren Radstand, die Sitzposition ist deutlich aufrechter und damit besser geeignet für lange Strecken.
Svenja Betz hat sich einen Gravel-Absatz in den Vertrag bei Maxx-Solar Rose schreiben lassen
"In meinem neuen Team darf ich den Gravel-Part abdecken", hat sich Betz extra einen entsprechenden Passus in den Vertrag schreiben lassen. Ihr Fokus liege ganz auf Gravel-Wettbewerben, sagt Betz, die sich aber bewusst ist, dass sie auch auf der Straße zum Einsatz kommen wird. Maxx-Solar Rose hat für 2023 eine UCI-Lizenz bekommen, wird und muss sich also auf der höchsten Ebene beweisen. "Klar, dass ich mich in den Dienst der Mannschaft stellen werde", betont Betz.
In dieser Saison war Svenja Betz bei einem belgischen UCI-Team unter Vertrag, die Zusammenarbeit endete unerfreulich. "Ich habe in Belgien ein gutes Frühjahr hingelegt und wichtige Erfahrungen gesammelt. Nach einem großen Uni-Block im Mai war ich raus aus dem Team", hört man das Unverständnis aus Betz' Stimme heraus. Eine Rundfahrt durfte sie noch bestreiten, aber die Motivation war dahin. "Ich habe mich dort dann auch bewusst zurückgezogen."
Bei der deutschen Straßen-Meisterschaft 2022 ist Svenja Betz Zehnte geworden
Platz zehn bei der deutschen Straßen-Meisterschaft bewertet Svenja Betz als einen von zwei großen Erfolgen in diesem Jahr. Der andere ist einer mit einer historischen Dimension. Vor einigen Wochen wurde in Italien erstmals ein WM-Rennen in der Disziplin Gravel gestartet. Sie war dabei und kam nach 140 Kilometern - "ich hätte mir einen anspruchsvolleren Kurs gewünscht" - als Dreizehnte ins Ziel.
"Ich bin an mein absolutes Limit gekommen und habe alles gegeben, aber am Ende waren meine Beine leer", schrieb sie hernach bei Instagram. Über ihr Abschneiden sei sie nicht hundertprozentig glücklich, wohl aber mit der Tatsache, das allererste Gravel-WM-Rennen bestritten zu haben.
Mit dem Studium kurz vor dem Abschluss stellt sich für Svenja Betz über kurz oder lang die Frage: klassischer Job oder weiter Elite-Radsport? "Ich will schon noch ein paar Jahre fahren." Eher zwei, fünf oder zehn? "Das sehe ich dann noch." Neben dem Spaß am und der Leidenschaft für den Radsport wird die Entscheidung nicht zuletzt davon abhängen, ob Svenja Betz mit ihrem Sport Geld verdienen kann: "Ich glaube schon, dass im Gravel durchaus Potenzial dafür da ist."