Mit Superlativen sollte man auch beim Handball vorsichtig sein. Was der HSC Bad Neustadt aber am Samstagabend bei seinem 22:18 (10:7)-Triumph in der Dritten Liga Mitte gegen den bis dahin verlustpunktfreien Tabellenführer HG Saarlouis ablieferte, kam einem kleinen Wunder gleich. Die personellen Probleme, die sich im Verlauf der Partie noch vergrößerten, hatten die Rotmilane in die klare Außenseiterrolle gedrängt. Schadensbegrenzung, mehr schien nicht drin.
Der Glaube versetzt Berge
„Was die Mannschaft dann gezeigt hat, verdient nicht nur großen Respekt. Sie hat an sich geglaubt und in diesem Fall hat der Glaube Berge versetzt“, so das Fazit von HSC-Coach Frank Ihl. „In Sachen Kampf sind die Spieler über sich hinaus gewachsen, haben aber auch spielerisch überzeugt“, verteilte er ein dickes Lob. Der Erfolg war unbestritten verdient. „Bad Neustadt war die bessere Mannschaft“, stimmte HG-Coach Philipp Kessler zu. Schade, dass es ein Geisterspiel, passend zu Halloween, war. Dieser denkwürdige Abend hätte eine volle Halle verdient gehabt. So mussten die Gastgeber ohne Unterstützung ihrer Fans auskommen.
Da hieß es sich selbst Mut zu machen. Das gelang, weil von der ersten Minute sowohl in der Abwehr als auch im Angriff („Wir haben uns nur drei technische Fehler geleistet“, Ihl) fokussiert und konzentriert gearbeitet wurde. Dabei legte ein herausragender Torhüter Stanislaw Gorobtschuk (16 Paraden, zwei gehaltene Siebenmeter) den Grundstein und wurde selbst vom Kontrahenten zum „Man of the Match“ gekürt. Gleich den ersten freien Wurf von Niklas Louis wehrte er ab. Die Saarländer sollten im weiteren Verlauf noch mehrmals in 1:1-Situationen den Kürzeren ziehen. In Führung gingen die Hausherren durch Jure Fistonic, doch der Streckhardt-Vertreter fiel dabei so unglücklich auf die Hüfte, dass er erst wieder in der Schlussphase eingesetzt werden konnte.
Starke Vorstellung von Benjamin Herth
Noah Streckhardt, noch geschwächt von einer Erkältung, musste also doch ran. Seine Leistung war ohne Fehl und Tadel. Nach dem Treffer von Maximilian Drude und dem Anschlusstreffer von Tom Paetow musste der trotz einer Fingerblessur auflaufende Ioannis Fraggis auf der Sünderbank Platz nehmen, den nachfolgenden Siebenmeter parierte Gorobtschuk gegen Philipp Leist. Diese Aktion sorgte zusätzlich für einen Ruck im Team, das nach Treffern von Benjamin Herth und Franziskus Gerr auf 4:1 davonzog. Nach einer Viertelstunde verschärfte sich die Situation der Hausherren beim Stand von 5:3 abermals. Drude sah nach einem Foul an Vladislav Kurotschkin die rote Karte.
Dies zwang zu Umstellungen. Die Drude-Position übernahm Benedikt Kleinhenz, Fraggis spielte dann durchgehend auf Rechtsaußen, Streckhardt rückte ins Angriffszentrum und Benjamin Herth, der seine bisher beste Vorstellung im rot-weißen Trikot zeigte, agierte auf halblinks. Die Vorentscheidung fiel zwischen der 18. und 28. Minute. Nach dem 6:5-Zwischenstand traf zunächst nur noch der HSC. Streckhardt, Kleinhenz, Gerr und Felix Wolf bei einem Konter bauten den Vorsprung auf ein erkleckliches 10:5 aus. Ein noch dickeres Polster verhinderte die Latte bei Würfen von Streckhardt und Herth. Diese visierte auch Wolf beim Stand von 10:6 an. Während einer Zeitstrafe für Gerr sorgte der hochgelobte und dann enttäuschende Loic Laurent per Siebenmeter – dem einzigen, den die Gäste verwandelten – für den Halbzeitstand.
Bad Neustadt zeigt weiterhin Entschlossenheit
Zu Beginn des zweiten Durchgangs wollte der HG-Coach mit einem Wechsel auf der Torhüterposition die HSC-Angreifer verunsichern. Aber auch diese taktische Variante zeigte keine Wirkung. Die Gastgeber zeigten bei ihren Offensivaktionen weiterhin Entschlossenheit. Streckhardt mit einem Doppelpack binnen 40 Sekunden zum 12:8 verhinderte den ergebnismäßigen Anschluss des Gegners, der nach dem 12:9 drei Treffer in Folge (Herth 2, Gerr 1) kassierte. Der noch auffälligste HG'ler, Kreisläufer Peter Walz, verkürzte auf 10:15. Wenig später scheiterte in der spielentscheidenden Phase Laurent bei einem Siebenmeter.
Beim nächsten Angriff des HSC humpelte Streckhardt erst einmal vom Parkett. „Er hat einen Pferdekuss bekommen“, so Ihl, der in den nächsten Minuten mit zwei Kreisläufern (Gerr, Rovcanin) agierte. Auch da fanden die Gäste keine Lösung. Als Fraggis, der ein Riesenpensum absolvierte, zum 19:12 traf, waren nur noch acht Minuten zu spielen. Der Gästetrainer, der noch eine Auszeit nehmen wollte, verzichtete auf eine letzte Ansprache, als Louis bei einem Tempogegenstoß zum wiederholten Male an Gorobtschuk scheiterte.
Frank Ihl zieht den Hut vor seiner Mannschaft
Die Gastgeber spielten sich nun in eine Euphorie, kassierten eine Zeitstrafe für den gerade in die Deckung zurückgekehrten Fistonic und eine zweite hinterher, weil sie im Übereifer einen Akteur zu viel auf dem Parkett hatten. Doch bezeichnend an diesem Abend: Sie trafen selbst in doppelter Unterzahl – Fraggis warf zum 20:13 ein. Das Debakel für die Kessler-Mannen hätte höher werden können. Aber die Hausherren ließen sich in den Schlussminuten zu einigen, aber unerheblichen Abwehrschnitzern hinreißen. „Aber darüber kann ich hinwegsehen. Was die Spieler trotz aller Misslichkeiten gezeigt haben, lässt mich nur den Hut ziehen“, meinte Frank Ihl. „Ein solcher Erfolg schweißt das Team zusätzlich zusammen.“
Die Statistik des Spiels
Handball, Dritte Liga Mitte
HSC Bad Neustadt – HG Saarlouis 22:18 (10:7)
Bad Neustadt: Gorobtschuk, Schmidl (n. e.), Kirschke (n. e.) – Kleinhenz 1, Fraggis 3, Wolf 2, Buchmüller (n. e.), Drude 1, Fistonic 1, Gerr 3, Rovcanin, Streckhardt 4, Früh, Herth 7/2.
Saarlouis: Schulz (1. – 30.), Jonczyk (ab 31.) – Becker, Leist 1, P. Walz 6, Grgic, Hoffmann 1, Louis 2, Thierry, Laurent 2/1, Paetow 4, Wagner, Kurotschkin 2, L. Walz.
Schiedsrichter: Hempel/Tralles (Gera).
Siebenmeter: 2/2 – 3/1.
Zeitstrafen: 10 (Disqualifikation Maximilian Drude, 15.) – 4 Minuten.
Zuschauer: keine.
Spielfilm: 2:0 (5.), 2:1 (10.), 5:3 (15.), 7:5 (20.), 8:5 (25.), 10:7 (30.) – 12:8 (35.), 14:9 (40.), 15:10 (45.), 17:11 (50.), 19:13 (55.), 22:18.
Spielbetrieb ausgesetzt
Das Spiel des HSC Bad Neustadt am Samstag gegen die HG Saarlouis war bereits die einzige Partie überhaupt in der Mitte-Staffel. Über alle 3. Ligen hinweg fielen Corona-bedingt insgesamt über 50 Prozent aller angesetzten Spiele aus. Nun hat der Deutsche Handballbund (DHB) nach den jüngsten Spielen vom Wochenende die Notbremse gezogen.
Wie der Verband am Freitagabend mitteilte, wird der Spielbetrieb in der 3. Liga und der Jugend-Bundesliga ab Montag, 2. November, bis einschließlich 15. November ausgesetzt. Die zuständigen Gremien des Verbandes würden in der Zwischenzeit in Rücksprache mit den Vereinen die Möglichkeiten der Fortsetzung des Spiel- und/oder Trainingsbetriebs und die dafür erforderlichen Maßnahmen prüfen, heißt es weiter.
Laut DHB-Vorstandsvorsitzender Mark Schober habe man größtes Verständnis für die Vereine und deren Nöte. „Wir alle befinden uns in einer ungewissen Lage. Das vorläufige Aussetzen des Spielbetriebes verschafft uns Zeit, die wir benötigen, um die gerade erst veröffentlichten Verordnungen der jeweiligen Länder einschätzen zu können“, so Schober.
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die 3. Liga den Status Amateur- oder Profisport besitzt. Für den Amateursport hatte die Bundespolitik bekanntlich in der vergangenen Woche im Rahmen des „Teil-Lockdowns“ ein Verbot des Trainings- und Spielbetriebs ab dem 2. November beschlossen. „Mit Hochdruck arbeiten wir daran, auch auf politischer Ebene diese drängenden Fragen zu klären“, sagt Schober.