An sein erstes Spiel bei den Männern kann sich Oliver Kuehnast noch gut erinnern. 18 Jahre war er alt, als er um die Jahrtausendwende erstmals für den SV Rödelmaier in der Bezirksliga im Tor stand. "Ich war damals noch Torhüter in der A-Jugend. Als Werner Feder dann aber einmal verletzt gefehlt hat, was nicht oft vorkam, durfte ich das erste Mal in der ersten Mannschaft ran und spielte gleich zu null", sagt Kuehnast.
Roland Geisler hatte zu diesem Zeitpunkt seine fußballerische Laufbahn bereits das erste Mal beendet. Nachdem sich sein Heimatverein TSV Unsleben aufgrund von Spielermangel 1997 vom Spielbetrieb zurückgezogen hatte, kickte er nur noch sporadisch bei den Alten Herren. Als die Unslebener fünf Jahre später wieder eine Mannschaft anmeldeten, war Roland Geisler als Feldspieler erneut mit dabei. Mit 41 Jahren hätte er damals wie viele seiner ehemaligen Mitspieler die Fußballschuhe eigentlich am Nagel hängen lassen können. "Ich habe mich allerdings noch fit gefühlt und hatte auch weiterhin viel Spaß am Fußball", sagt Geisler.
Als 60-Jähriger bringt Roland Geisler die Stürmer immer noch zur Verzweiflung
Spaß am Fußball hat Geisler 20 Jahre später - mittlerweile als Torhüter - immer noch. Mit 61 Jahren steht er freilich nicht mehr regelmäßig bei der ersten oder zweiten Mannschaft im Tor. "Wenn aber Not am Mann ist, sage ich sicher nicht Nein", verrät Geisler mit einem Lachen. Im Herbst half er bei der zweiten Mannschaft der SG Unsleben/Wollbach in der A-Klasse aus und rettete seinem Team beim 2:2 gegen den Aufstiegsaspiranten SG Eußenhausen/Mühlfeld mit mehreren Paraden einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf.
Die Zukunft im Tor der Spielgemeinschaft aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld gehört mittlerweile aber natürlich anderen. Der langjährige Stamm-Keeper Oliver Kuehnast denkt mit 40 Jahren so langsam ans Aufhören. Das liegt auch daran, dass mit Maximilian Gensler (19) ein junger und talentierter Torhüter in dieser Saison bereits sein Können in der ersten Mannschaft unter Beweis gestellt hat. "Die Umstellung von der Jugend zu den Männern war am Anfang schon groß, zumal ich kaum jemanden gekannt habe. Als Jüngster fühle ich mich aber total wohl in der Mannschaft", sagt Gensler.
Maximilian Gensler tritt in die Fußstapfen von Vater und Großvater
Dass man als Torhüter von der A-Jugend sofort den Sprung in die erste Mannschaft schafft und dort Stammtorhüter wird, ist nicht selbstverständlich. Geholfen hat dem 19-jährigen Wollbacher, dass er bereits in der Jugend als Torhüter gefördert wurde. "Ich habe schon auf dem Bolzplatz als kleines Kind meistens im Tor gestanden. Mit acht Jahren habe ich dann auch in der F-Jugend begonnen, als Torhüter zu spielen", erinnert sich Gensler.
Damit trat er früh in die Fußstapfen von Vater Matthias und Opa Alois, dem Altbürgermeister von Wollbach, die ebenfalls Torhüter waren. "Mein Vater war lange mein Trainer und hat in der Jugend torwartspezifische Übungen mit mir gemacht. Zusammen mit meinem Opa ist er auch oft bei den Spielen dabei und zu Hause gibt es danach meist ein ehrliches Feedback." Zwischenzeitlich trainierte Gensler zusätzlich am Stützpunkt in Großbardorf. "Das hat mir dann aber irgendwann keinen Spaß mehr gemacht."
Roland Geisler: "Früher hieß es oft: Der Langsamste geht ins Tor"
Von einer solchen Förderung konnten Geisler und Kuehnast nur träumen. "Torwarttraining gab es früher nicht. Meist wurde man ein bisschen warm geschossen und das war es dann auch schon", erinnern sich die beiden. Die Torwartposition sei generell nicht besonders attraktiv gewesen. "In der Schule hieß es: Der Langsamste geht ins Tor", so Geisler. Mit der Zeit habe es aber einen deutlichen Wandel im Fußball gegeben und sich die Überzeugung durchgesetzt, dass der Torhüter eine Schlüsselposition innerhalb des Teams sei und speziell gefördert werden müsse.
Als Geisler Ende der 1970er Jahre in die erste Mannschaft wechselte, gab es bereits einen guten Torhüter in Unsleben, deshalb "habe ich weiter als Verteidiger gespielt". Im Training stellte er sich aber schon hin und wieder zwischen die Pfosten und hatte dabei durchaus Spaß. Der endgültige Wechsel ins Tor erfolgte dann erst viele Jahre später, als bei den Alten Herren ein Torhüter benötigt wurde.
Mittlerweile hatte sich auch das Torwartspiel deutlich verändert. Früher habe die einfache Anweisung für die Schlussleute gelautet: "Der Strafraum gehört dir und da gehst du auch nicht raus. Heute agiert der Torwart aber ja schon wie ein Libero", sagt Geisler. Für ihn als gelernten Feldspieler war diese Umstellung kein großes Problem. Anders sah das bei Torhütern aus, die zuvor nie im Feld gespielt hatten. "Als in den 1990er Jahren die Rückpassregel aufgehoben wurde, musste man sich als Verteidiger schon genau überlegen, ob man den Ball wirklich zu seinem eigenen Torhüter zurückspielen kann."
Torhüter und zugleich Spielertrainer: "Eine seltene Konstellation"
Bei Kuehnast war hingegen die Größe ausschlaggebend, dass er schon im Jugendalter ins Tor gestellt wurde. "Ich habe zunächst als linker Verteidiger und Libero gespielt. Nachdem unser damaliger Torhüter aufgehört hat, war ich der Größte im Team und stand auf einmal zwischen den Pfosten." Bereut hat er diesen Wechsel bis heute nicht.
Aus beruflichen Gründen hatte er zunächst einige Jahre mit dem Fußballspielen pausiert, ehe er 2010 bei der zweiten Mannschaft des SV Rödelmaier in der Kreisklasse als Torhüter den Posten des Spielertrainers übernahm. "Das ist schon eine eher seltene Konstellation. Als Torwart musst du das ganze Spiel sehr fokussiert sein und zudem bist du von deinen Mitspielern oft auch weit weg. Das Torwartspiel und das Coaching unter einen Hut zu bekommen, war nicht immer einfach", erinnert sich Kuehnast.
Angesprochen auf das Vorurteil, dass man als Torhüter etwas verrückt sein müsse, kann er über sich selbst lachen: "Linksfuß, rote Haare, erst linker Verteidiger und dann später Keeper. Die haben immer einen an der Klatsche, habe ich oft zu hören bekommen."
Torwarttraining hilft auch beim Mountainbiken
Ein dickes Fell braucht man als Torhüter allemal. Das haben alle drei schon oft erfahren müssen. "Wenn dir ein Fehler passiert, ist es meistens ein Gegentor. Davon darf man sich nicht runterziehen lassen", sagt Kuehnast. "Auch von den Zuschauern, die hinter dem Tor stehen, bekommt man schon mal einiges zu hören. Ein gewisses Selbstvertrauen musst du als Torhüter daher schon haben", findet Geisler. Auf der anderen Seite kann man als Torhüter aber auch schnell zum gefeierten Helden werden. Auch diese Erfahrung haben alle drei schon machen dürfen.
Kuehnast erinnert sich dabei vor allem an die Hallenturniere mit der SG Unsleben/Wollbach. So wurde er beispielsweise bei der Futsal-Bezirksmeisterschaft 2018 in Aschaffenburg als bester Torhüter des Turniers ausgezeichnet. Für Maximilian Gensler waren die Partien gegen den TSV Großbardorf in der Jugend immer etwas ganz Besonderes: "Dort hatte ich meist gut zu tun und konnte mich auszeichnen. Siege gegen Großbardorf waren besonders schön."
Nach einem besonderen Spiel gefragt, muss Roland Geisler etwas länger überlegen. Doch dann fällt ihm ein Vorbereitungsspiel gegen die DJK Salz/Mühlbach vor einigen Jahren ein. "Da haben sich die gegnerischen Spieler an mir lange die Zähne ausgebissen. Nach dem Spiel kamen einige von ihnen auf mich zu und gratulierten mir zu meiner Leistung. Als sie dann erfahren haben, dass ich Ende 50 bin, waren sie schon ein bisschen erstaunt."
Doch wie kommt es, dass er mit 61 Jahren immer noch so fit ist? "Mir kommt zugute, dass ich in all den Jahren keine großen Verletzungen hatte. Zudem habe ich bis zur letzten Saison als Torwarttrainer quasi keine Trainingseinheit verpasst", erklärt Geisler. Auch abseits des Fußballplatzes ist der Inhaber eines Fahrradgeschäftes sportlich unterwegs. Beim Mountainbiken habe sich das Torwarttraining schon mehrmals bezahlt gemacht. "Wenn du mal stürzt, dann weißt du, wie du fallen musst und kannst dich entsprechend abrollen ohne dich zu verletzen", sagt Geisler.
Auch wenn er seit dieser Saison nicht mehr als Torwarttrainer bei der SG Unsleben/Wollbach fungiert, verfolgt er den Werdegang seiner ehemaligen Schützlinge genau. Neben Maximilian Gensler und Oliver Kuehnast stehen der SG mit Fabian Schmidt und Lukas Ziegler aktuell zwei weitere Torhüter zur Verfügung. "Für die Zukunft sind wir da gut aufgestellt", meint Kuehnast, der derzeit auch Fußball-Abteilungsleiter beim TSV Unsleben ist. Und wenn doch wieder einmal Not am Mann ist, weiß er, wer sicher nicht Nein sagen würde.