In Springfield im US-Bundesstaat Massachusetts steht die "Hall of Fame". In dieser Ruhmeshalle des Basketball wird den Größen des Sports gehuldigt. Eine Institution mit Strahlkraft. Eine Institution, die andere Sportarten kopieren. So hat etwa die im zwölften Wiener Bezirk ansässige Europäische Handball-Föderation (EHF) nun die Mitglieder ihrer "Hall of Fame" benannt, auch wenn diese nicht in einem futuristischem Bau wie dem in Massachusetts untergebracht sind.
"Die Hall of Fame ist erst einmal virtuell. Da die EHF aber Ende kommenden Jahres umzieht, möchte ich nicht ausschließen, dass in Zukunft die Geehrten auch einen physischen Platz bekommen", ließ Thomas Schöneich, Kommunikations-Direktor der EHF, auf Anfrage dieser Redaktion wissen.
Mit Stefan Kretzschmar und Jackson Richardson
In der virtuellen Ruhmeshalle, in der die jeweils bedeutendsten 30 Handballer und Handballerinnen der vergangenen 30 Jahre, die nicht mehr aktiv sind, ihren Platz haben, ist Deutschland mit Christian Schwarzer, Stefan Kretzschmar, Grit Jurack und Anja Althaus viermal vertreten. Und auch Jackson Richardson, der von 1996 bis 2000 das Trikot des damaligen Bundesligisten TV Großwallstadt trug.
Unterfranken zweimal vertreten
Doch der exzentrische französische Spielmacher war nicht der einzige der geehrten Handballer, die für einen unterfränkischen Verein gespielt haben. In die virtuelle Ruhmeshalle schaffte es auch Carlos Prieto. Der spanische Kreisläufer spielte in den Jahren 2019 und 2020 für den TSV Lohr in der viertklassigen Bayernliga.
Das war allerdings im Spätherbst seiner sportlichen Laufbahn, die unter anderem den Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking und den dreimaligen Sieg in der Champions League miteinschließt.
Dass er selbst geehrt werden sollte, davon wusste der heute 43-jährige Prieto nichts, als er vergangene Woche aus seiner Wahlheimat in Mittelhessen zur EHF-Gala nach Wien aufbrach: "Das war eine große Überraschung. Uns wurde vorher nur gesagt, dass die besten Spieler der Saison vorgestellt werden sollten und wir dabei eine kleine Rolle haben. Dass wir in die Hall of Fame kommen sollten, haben wir erst ein paar Minuten vorher erfahren", berichtete Prieto gegenüber dieser Redaktion von der EHF-Gala in der "Marx Halle".
Unter den fünf besten Kreisläufern
An diesem Veranstaltungsort im Gründerzeitstil – einer früheren Verkaufshalle für Rinder – stand dann Carlos Prieto auf der Bühne und wurde neben dem Schweden Magnus Wislander, dem Deutschen Christian Schwarzer, dem Serben Dragan Skribic und dem Norweger Bjarte Myrhol als einer der fünf besten Kreisläufer der vergangenen drei Jahrzehnte ausgezeichnet. Gewählt worden waren sie aus einem Gremium von Spielern, Trainern und Fach-Journalisten.
Wie ein Familientreffen sei die Zusammenkunft mit früheren Mitstreitern in der Donaumetropole gewesen: "Auf der Gala haben ich viele, mit denen ich früher zusammengespielt habe, getroffen und auch viele Gegner. Dass die Freundschaft nach den Jahren geblieben ist, ist eine der schönsten Sachen am Handball überhaupt", so Carlos Prieto.
Auf dem blauen Teppich
Allerdings sind Galas mit blauem Teppich wie die in Wien oder Handballspiele in großen Hallen des Kontinents nicht mehr die Bühnen, auf denen sich Carlos Prieto heute normalerweise bewegt: "Mein Hauptberuf ist heute Lehrer an einer Schule in Groß-Linden, wo ich Sport unterrichte." Daneben unterhält er eine Stiftung, die sportliches Engagement und Bildung bei Kindern fördern soll, und in er sogar Leute angestellt hat, die Termine für ihn wahrnehmen und ihn entlasten.
Glückwünsche aus Lohr für die Auszeichnung gab es bereits. "Ich habe ihm geschrieben und er hat mir auch geantwortet, obwohl er sicher viele Nachrichten bekommen hat", berichtet Lohrs Spielertrainer Maximilian Schmitt, der sein Amt 2019 zusammen mit dem Wechsel von Carlos Prieto zum TSV angetreten hat.
Wohl keine Chance für Jiri Kotrc
Gut möglich, dass Carlos Prieto in der "Hall of Fame" weitere Gesellschaft bekommt. "Wir werden in den kommenden Jahren die Hall of Fame erweitern. Der Fokus wird aber in erster Linie auf Spielern und Spielerinnen liegen, deren außergewöhnliche Leistungen in die Zeit seit der Gründung der EHF Anfang der 1990er fielen", erklärt EHF-Sprecher Thomas Schöneich. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass ein weiterer Ex-Lohrer eher geringe Chancen auf eine Aufnahme in den Kreis der Geehrten hat. Denn die großen Erfolge des Tschechen Jiri Kotrc, der in den 1990er Jahren seine Karriere in der Stadt am Fuß des Spessart ausklingen ließ, datieren bereits aus den 1980er Jahren.