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HANDBALL: BAYERNLIGA
Carlos Prieto – der Entwicklungshelfer
Warum sich der 96-fache spanische Nationalspieler für den Handball-Bayernligisten TSV Lohr entschieden hat.
Sein Blick auf Sport und Gesellschaft geht über das Geschehen in der Handballhalle hinaus: Carlos Prieto Martos, Neuzugang vom TSV Lohr.
Foto: dpa/Gregor Fischer | Sein Blick auf Sport und Gesellschaft geht über das Geschehen in der Handballhalle hinaus: Carlos Prieto Martos, Neuzugang vom TSV Lohr.
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:59 Uhr

Er überragt sie alle. Wenn Carlos Prieto Martos inmitten seiner neuen Mitspieler beim Handball-Bayernligisten TSV Lohr steht, dann sticht er schon allein wegen seiner Gestalt heraus. Mit seinen 2,03 Metern Körpergröße ist der Spanier eine Erscheinung, die sich von den anderen abhebt.

Doch Prieto (im täglichen Leben wird im Spanischen Martos, der zwei Nachname, nicht gebraucht) ragt nicht nur körperlich heraus. Allein ein Blick auf die sportliche Vita des 39-Jährigen, der an diesem Samstag für den TSV Lohr seine Bayernliga-Heimpremiere gegen die TG Heidingsfeld gibt (19.30 Uhr, Spessarttorhalle), zeigt, dass der Kreisläufer ein besondere Stellung besitzt. Drei Champions-League-Siege mit Barcelona und Ciudad Real sowie 96 Länderspiele für die spanische Nationalmannschaft, mit der er 2008 bei den Olympischen Spielen Bronze gewann. Erfolge, die kein anderer Spieler der Bayernliga vorweisen kann.

Wichtiger Wohlfühlfaktor

Da wirkt es auf den ersten Blick ungewöhnlich bescheiden, wenn der Neuzugang seine Motivation beschreibt, warum er zum TSV gekommen ist: "Ich will helfen, dass wir hier eine Entwicklung schaffen." Der frühere Handballprofi sieht sich also nicht als Alleinunterhalter, sondern als Entwicklungshelfer. Wichtig für ihn sei auch der Wohlfühlfaktor gewesen: "Hier gibt es in der Mannschaft acht oder neun Spieler, die aus Lohr kommen. So etwas ist selten, auch in so einer Klasse. Auch die familiäre Atmosphäre im Verein hat mir gefallen. Jeder ist nett." So will er vor allem an die Jungen im Team etwas von seiner Erfahrung weitergeben. Und tut das im Training oder direkt auf dem Spielfeld auch.

Aus der Region des Schinkens

Der Kreisläufer, der aus Merida in der für seinen Schinken bekannten Region Extremadura stammt, hatte auch Angebote von anderen Vereinen gehabt. Ein Interessent soll Drittliga-Aufsteiger HSC Bad Neustadt gewesen sein, doch er entschied sich für den Bayernligisten. "In Lohr habe ich einfach ein gutes Gefühl gehabt", so Prieto, der im Jahr 2016 seine Profikarriere bei der HSG Wetzlar beendet hat, aber bis heute mit seiner Familie im Stadtteil Dutenhofen lebt.

Die Heimat Carlos Prietos: Merida, Hauptstadt der autonomen Region Extremadura

Das bedeutet: Zu einer Trainingseinheit oder zu einem Spiel in Lohr hat er 90 Minuten Anreise zu bewältigen. "Im Augenblick macht mir das nichts aus", sagt der 39-Jährige. Gleichzeitig habe ihm der TSV Lohr die nötige Flexibilität bei seiner beruflichen Tätigkeit eingeräumt. Sprich: Prieto muss nicht bei jeder Übungseingeit anwesend sein.

Repräsentant der Spielergewerkschaft "Goal"

Denn bei seiner Arbeit ist der als Selbstständiger tätige Spanier viel unterwegs. Und auch diese Arbeit hat etwas damit zu tun, Entwicklungen voranzubringen. Zum einen ist er als Repräsentant der Spielergewerkschaft "Goal" bei den deutschen Profivereinen unterwegs und vertritt die Interessen der Sportler. So kämpft er gegen überladene Terminpläne im nationalen und internationalen Handball, die eine Gefahr für die Gesundheit der Spieler darstellten, weil es für sie kaum noch Regenerationszeiten gäbe, wie viele meinen. Zum anderen hat er die NGO "share and play" gegründet, die an Schulen bei Kindern für Sport und gesunde Ernährung wirbt sowie Profis auf ihr Leben nach der Handballkarriere vorbereitet.

Eine Szene aus einem Bundesliga-Spiel im Jahr 2011: Carlos Prieto (rechts), hier im Trikot der Rhein-Neckar Löwen, attackiert Filip Jicha (rechts) vom THW Kiel, der heute Trainer des deutschen Rekordmeisters ist.
Foto: dpa/Malte Christians | Eine Szene aus einem Bundesliga-Spiel im Jahr 2011: Carlos Prieto (rechts), hier im Trikot der Rhein-Neckar Löwen, attackiert Filip Jicha (rechts) vom THW Kiel, der heute Trainer des deutschen Rekordmeisters ist.

Sprich: Carlos Prieto übt bei der Gewerkschaft und bei seiner NGO Tätigkeiten aus, die es anderen ermöglichen sollen, besser mit ihrer sportlichen Karriere zurechtzukommen. Ein Ansatz, der irgendwie auch für sein Engagement beim TSV Lohr zutrifft. "Ich muss da nicht jedes Spiel 60 Minuten auf dem Feld stehen", sagt er. Beim jüngsten 27:24-Rundenauftaktsieg in Friedberg erzielte er zwei Treffer, andere Akteure trugen sich indes häufiger in die Torschützenliste ein. Doch gerade in der Abwehr gab er seinen neuen Teamkollegen durch seine Präsenz Sicherheit. Wahrscheinlich, dass die TSV-Spieler von diesen Erfahrungen auch noch profitieren werden, wenn der Entwicklungshelfer Carlos Prieto eines Tages nicht mehr die lange Anreise von Mittelhessen auf sich nimmt und den Handball endgültig beiseite gelegt hat.

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