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Fußball
Zum Tod des früheren Nationalspielers: Die erstaunliche Karriere des Luggi Müller
Der Haßfurter holte drei deutsche Fußball-Meisterschaften und schloss mit Uwe Seeler Freundschaft fürs Leben. Nachruf auf eine unterfränkische Fußballer-Legende.
Luggi Müller streckt die Meisterschale in die Höhe: Das Bild zeigt den Fußballer 1970 im Kreis seiner Mönchengladbacher Mannschaftskollegen (von links) Herbert Wimmer, Klaus-Dieter Sieloff, Herbert Laumen und Hartwig Bleidick .
Foto: Hans Dietrich Kaiser, Witters | Luggi Müller streckt die Meisterschale in die Höhe: Das Bild zeigt den Fußballer 1970 im Kreis seiner Mönchengladbacher Mannschaftskollegen (von links) Herbert Wimmer, Klaus-Dieter Sieloff, Herbert Laumen und Hartwig ...
Hans Strauß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:23 Uhr

Es war vielleicht nicht sein wichtigster Titel, aber einer, von dem viele Ältere in seiner Heimatstadt noch heute mit verträumter Miene sprechen. 1978, in seinem letzten Jahr auf dem Rasen, ist Ludwig Müller, den alle Luggi nannten, nach drei deutschen Meisterschaften (1968 mit dem 1. FC Nürnberg, 1970 und 1971 mit Borussia Mönchengladbach) und sechs Länderspielen noch einmal Meister geworden.

Der spannende Titel-Dreikampf in der damals noch drittklassigen Bayernliga mit den beiden Ingolstädter Klubs MTV und ESV bescherte den Haßfurtern in der Saison 1977/78 bei Heimspielen im Stadion an der Flutbrücke regelmäßig große Kulissen. Bis zu 10 000 Zuschauer drängten sich auf den unbefestigten Rasenrängen, die Fußball-Euphorie war groß in der kleinen Kreisstadt. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen.

Luggi Müller war im Haßfurter Meisterjahr als Spielertrainer und umsichtiger Abwehrchef einer klug zusammengestellten Mannschaft der Vater des Erfolges, aber mit seinen 36 Jahren nicht mehr der Schnellste. Eins-zu-eins-Situationen mit viel jüngeren gegnerischen Stürmern ließen sich indes nicht immer vermeiden. Meistens löste Müller das Problem, indem er seinen Brustkorb blitzartig aufpumpte – und der Gegenspieler zerschellte  in der Regel daran wie an einer Betonwand.

Hart, auch zu sich selbst, aber stets fair – das kennzeichnete die erstaunliche Fußball-Karriere von Luggi Müller. In seinen 314 Bundesliga-Spielen ist er nie vom Platz gestellt worden.

Ludwig Luggi Müller im weinroten Trikot des 1. FC Nürnberg. 1964 wechselte er aus Haßfurt in die Noris.
Foto: imago sportfotodienst | Ludwig Luggi Müller im weinroten Trikot des 1. FC Nürnberg. 1964 wechselte er aus Haßfurt in die Noris.

In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag ist Müller nach einer schweren Krankheit in seiner Heimatstadt im Alter von 79 Jahren verstorben – zwei Monate vor seinem 80. Geburtstag. Mit ihm ging einer der erfolgreichsten Fußballer, die Unterfranken hervorgebracht hat.

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Der Tod von Luggi Müller mache ihn betroffen, sagt Haßfurts Bürgermeister Günther Werner. „Er hat den Namen Haßfurt in alle Welt getragen, gerade zu der Zeit, als er Nationalspieler war, hat ihn jeder gekannt.“

Werner gehört zu den Fußballern in der Region, die gegen den einstigen Spitzensportler auf dem Rasen gestanden hatte. Mitte der 80er Jahre, als Müller beim FC Haßfurt in der zweiten Mannschaft aushalf. Werner, damals Vorstopper in Augsfeld, erinnert sich an einen „eisenharten Mittelstürmer, der einem im Spiel nichts geschenkt hat“, mit dem man danach aber freundschaftlich ein Bier trinken konnte.

All die Jahre danach habe er immer wieder die Begegnungen und Gespräche mit Luggi Müller geschätzt, erzählt der Bürgermeister. Zuletzt bei einem Treffen im Frühjahr vor dem Alten Rathaus. Da habe der 79-Jährige noch die Hoffnung gehabt, seine schwere Krankheit zu überwinden.

Müller kam aus einfachen Verhältnissen, sein Fußball-Talent wurde schnell offenkundig. 1964 holte der 1. FC Nürnberg den damals 23-jährigen Abwehrspieler. Schnell verdrängte er Nationalspieler Stefan Reisch aus der Defensive. 1968 feierte er mit dem Club dessen bis heute letzte Meisterschaft. Der schillernde Trainer Max Merkel rühmte Müllers Anteil daran: „Zehn von Luggis Sorte müssten wir haben: hart gegen sich und den Gegner. Der ist aus dem richtigen Holz geschnitzt – da zittern die anderen schon, wenn sie nur hören, dass sie gegen den Luggi spielen müssen.“

Max Merkels Musterschüler: Luggi Müller (Mitte) feiert mit dem Trainer (mit der Mütze) die Meisterschaft 1968.
Foto: Imago, Sven Simon | Max Merkels Musterschüler: Luggi Müller (Mitte) feiert mit dem Trainer (mit der Mütze) die Meisterschaft 1968.

Ein Jahr später stieg die personell geschwächte Nürnberger Mannschaft als Meister ab. Müller beteuerte stets, dass er auch in der Zweitklassigkeit beim Club geblieben wäre, wenn der Verein sich finanziell ein wenig bewegt hätte. „Ich gehöre in diese Region“, sagte er. Schließlich fuhr er während seiner ganzen Karriere nach Spielen stets heim nach Haßfurt, wo er zusammen mit seiner Frau ein Damenbekleidungsgeschäft führte.

Sein Wechsel zu Borussia Mönchengladbach, das ihn schon länger umworben hatte, zahlte sich aus. Mit der berühmten „Fohlenelf“ von Trainer Hennes Weisweiler holte er 1970 und 1971 noch zwei weitere deutsche Meistertitel. Als Müller mit der Borussia zu einem simplen Freundschaftsspiel nach Haßfurt kam, wollten das 12 000 Zuschauer sehen.

Zweikampf im Europapokal: Nach der schweren Verletzung drohte das Aus

Unfreiwillig zur Gladbacher Vereinslegende wurde Müller durch den Schien- und Wadenbeinbruch, den er sich beim legendären Europapokal-Wiederholungsspiel gegen Inter Mailand im Dezember 1971 im Zweikampf mit dem Italiener Roberto Boninsegna zuzog. Ihm drohte das Karriereende, bei der Borussia verlor man wegen der Schwere der Verletzung den Glauben an sein Comeback. Doch Müller arbeitete ein Dreivierteljahr lang wie besessen dafür. „Es war brutal. Es hat lange gedauert, bis ich wieder Vertrauen in mein Bein hatte“, erinnerte er sich später.

Der Verteidiger Luggi Müller, damals in Diensten von Hertha BSC, legt für dieses Bild FC-Bayern-Torjäger Gerd Müller in Ketten.
Foto: imago sportfotodienst | Der Verteidiger Luggi Müller, damals in Diensten von Hertha BSC, legt für dieses Bild FC-Bayern-Torjäger Gerd Müller in Ketten.

Es gelang ihm, einen neuen Verein zu finden, und im Oktober 1972 debütierte er bei Hertha BSC. Wieder hielt Müller, wie zuvor schon in Nürnberg und Mönchengladbach, die Abwehr zusammen. Zum Abschluss seiner Profi-Karriere 1975 feierte noch einmal die Vizemeisterschaft mit den Berlinern. Die dankbaren Hertha-Fans wählten ihn viele Jahre später in ihre Jahrhundert-Elf.

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Luggi Müllers Rückkehr zum FC Haßfurt war ebenfalls von großem Erfolg gekrönt. Mit ihm als Spielertrainer stieg die Mannschaft 1976 auf Anhieb in die Bayernliga auf, wurde 1997 Zweiter und holte sich 1978 die Meisterschaft. Auf den Aufstieg verzichtete der FCH aus finanziellen Gründen und ließ dem MTV Ingolstadt den Vortritt. Müller hörte als Spielertrainer auf, kam aber zwei Jahre später noch einmal als Trainer zurück. Diese Zusammenarbeit endete im Zwist mit den Spielern. Auch beim FC Bamberg gab er noch ein kurzes Trainer-Gastspiel.

Einst Gegner, später Freunde: Luggi Müller (links im Hertha-Trikot) und Franz Beckenbauer.
Foto: imago sportfotodienst | Einst Gegner, später Freunde: Luggi Müller (links im Hertha-Trikot) und Franz Beckenbauer.

Seine Zweikampfstärke und seine Übersicht machten es – gepaart mit dem Erfolg in Nürnberg – möglich, dass Luggi Müller 1968 gegen England auch sein erstes Länderspiel bestritt. Dass die DFB-Karriere nach sechs Einsätzen bereits wieder zu Ende war, lag an starker Konkurrenz. Bei der WM 1970 in Mexiko waren Wolfgang Weber und Karl-Heinz Schnellinger gesetzt, danach zog Franz Beckenbauer seinen Helfer Hans-Georg Schwarzenbeck mit, beide wurden 1974 Weltmeister. Müller zeigte Verständnis: „Wenn ich Trainer gewesen wäre, hätte ich auch dieses eingespielte Münchner Paar aufgestellt.“

Aus der kurzen Zeit im Nationalteam erwuchsen dem Haßfurter jedoch Freundschaften fürs Leben, besonders mit Uwe Seeler, aber auch mit Franz Beckenbauer. Als „Schneeforscher“ trafen sie und andere Fußballgrößen von einst sich regelmäßig in Obertauern zum Skifahren, aber auch zum Golfen und zum Wandern. Sturmlegende „Uns Uwe“ Seeler besuchte Müller, der sein hartnäckiger Widerpart in vielen Bundesliga-Partien gewesen war, noch oft daheim in Haßfurt, in Wülflingen.

 
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