Sein Wochenende gehört dem Fußball – ohne Wenn und Aber. Für Lothar Schober ist es nahezu undenkbar, samstags und sonntags einmal nicht hinter der Seitenlinie zu stehen und sich lokale Fußballspiele anzusehen. Und das seit Jahrzehnten.
Der ehemalige Bayernliga-Kicker aus dem Haßfurter Ortsteil Unterhohenried hat sein Hobby auch nach dem eigenen Karriereende nicht aufgegeben, nur um ein paar Meter nach hinten verlegt: Statt selbst dem Ball hinterher zu laufen, beobachtet er das Geschehen auf dem Rasen nun mit etwas räumlichem Abstand. Beziehungsweise: er beobachtete.
Denn die Corona-Krise und die damit einhergehenden Saisonunterbrechungen haben ihn zur Suche nach einem alternativen Hobby gezwungen.
Schober kennt wohl jeden Sportplatz im Landkreis Haßberge
Schober, vor ziemlich genau 50 Jahren erstmals als Schüler am Ball, war in seinen besten Zeiten beim FC Haßfurt und SV Hallstadt in der Bayernliga, der damals dritten Liga, aktiv, danach trainierte er mehrere Vereine im Landkreis Haßberge und hat vermutlich jeden einzelnen Sportplatz zwischen Ermershausen und Fürnbach, Stettfeld und Gädheim gesehen.
Wo er nicht selbst gespielt hat, stand er als Zuschauer hinter der Bande. "Im Landkreis gibt es keinen Fußballplatz, auf dem ich noch nie war", blickt Schober zurück. Und seit sein Sohn Philipp als Schiedsrichter in der Region unterwegs ist, lernt er auch die Plätze in der Rhön, im Bamberger und Würzburger Umland besser kennen.
Natürlich gehört auch die Bundesliga zu seinen "Reisezielen". Vor allem das Frankfurter Stadion, weil sein älterer Sohn David glühender Eintracht-Fan ist. Doch das alles ist aktuell auf Eis gelegt. Letztmals war er am Rosenmontag des vergangenen Jahres in der Main-Metropole – gleichzeitig sein letzter Besuch eines Fußballspiels vor dem ersten Lockdown.
Der frühere Bayernligaspieler schaut auch in der B-Klasse zu
"Das erste Spiel, als es im Herbst wieder losging, war das Vorbereitungsspiel zwischen Krum und Zell", berichtet Schober. Sein Verlangen waren offensichtlich sehr groß.
Doch warum tut sich der ehemalige Bayernligaspieler auch B-Klassen-Spiele an? "Manchmal ist es schon nicht so einfach, da zuzuschauen", gibt Schober augenzwinkernd zu. "Aber auch da gibt jeder sein Bestes, auch die Schiedsrichter. Das habe ich mittlerweile gelernt und bin wesentlich entspannter geworden", weiß Schober, dass er sich in seinen "wilderen Jahren" viele Kommentare auf dem Platz und in der Kabine hätte sparen sollen.
Was aber macht ein "Fußballverrückter" jetzt ohne den Wochenendausflug auf die Fußballplätze? Klar, ein Sky-Abo hilft über den ersten Frust hinweg, kann aber das Live-Erlebnis am Spielfeldrand genauso wenig ersetzen wie eine lebhafte "Expertendiskussion" nach Fehlpässen, vergebenen Chancen oder groben Abwehrschnitzern.
Denn gefachsimpelt wird dabei natürlich auch, bevorzugt in einem ausgewählten Kreis: Regelmäßig trifft sich Schober mit Franz Trapp, selbst ehemaliger Trainer und Fußballverrückter im positiven Sinne, in Haßfurt zum Nachkarten – mit Abstand natürlich. "Fast jeden Montag und jeden Donnerstag" tauschen sich die beiden vorwiegend über Bundesliga und Champions League aus. "Vor Corona haben wir uns fast täglich getroffen, momentan halt nur zweimal pro Woche," trotzt zumindest ihr regelmäßiger Fußballplausch der sportlichen Pause.
Dauerkarteninhaber für Fußballspiele in Sand und Sylbach
Wer wie Lothar Schober seit 50 Jahren den Amateurfußball lebt, seine Freizeit an den Wochenenden auf Sportplätzen verbringt, der hat derzeit viel freie Zeit. Denn seinen Fahrplan für das Wochenende hatte Schober, nach wie vor gern gesehener Gast bei seinen früheren Vereinen in Unterhohenried, Zell, Lendershausen, Haßfurt und Kleinsteinach, meistens kurzfristig zusammengestellt. Das fällt momentan weg.
"Der FC Sand und der SV Sylbach sind auf jeden Fall dabei, da hab' ich auch Dauerkarten", setzte er bei seinen Planungen klare Prioritäten. "Nach Sand fahre ich, weil da die attraktivsten Paarungen anstehen", erklärt er. Auch die Würzburger Kickers, der FC 05 Schweinfurt, Aubstadt, Eintracht Bamberg oder Abtswind seien hin und wieder Ziele, wenn dort interessante Partien anstünden." Und Sylbach liegt nun mal fast vor der Haustür.
Begonnen hatte seine "Zuschauer-Karriere" allerdings bei den Sportfreunden Unterhohenried. Das passte gut, selbst aktiv war Schober zumeist samstags auf dem Platz, da blieb sonntags Zeit für einen Besuch am nahe gelegenen Sportplatz seines Heimatvereins. Insgesamt dürften es bislang rund 6000 Spiele gewesen sein, die der ballgewandte Mittelfeldspieler besucht hat.
Für ein Saisoneröffnungsspiel mal den Urlaub abgebrochen
Schon länger beschränkt Lothar Schober seine Leidenschaft aber nicht mehr nur auf den Landkreis Haßberge. Er begleitet die Sander ab und an auch zu Auswärtsspielen oder fährt zu Spannung versprechenden Paarungen, die sich dann auch lange ins Gedächtnis einprägen. So wie das Bezirksliga-Derby zwischen Geesdorf und Oberschwarzach (5:2).
Ganz dick im Kalender eingetragen sind die Relegationswochen. Deren Ansetzungen studiert er ganz genau und steckt seinen "Fahrplan" quer durch die Region ab. "14 Uhr, 16 Uhr, 18 Uhr – da muss man schon gut planen", denn Schober will bloß keine Minute verpassen. Was geht, wird angeschaut.
Selbst die Urlaubsplanung litt hin und wieder unter seiner Fußball-Leidenschaft. Bei Städtereisen stand regelmäßig der Besuch eines Erstliga-Stadions an. Und wenn die geplante Partie dann, wie in Amsterdam, ausverkauft war, ging's halt in eine nahe gelegene Fußballkneipe.
Auch am Tegernsee ging es nicht "ohne". So fiel auch schon ein Trainingslager der TSG Hoffenheim in die Rubrik "Sehenswürdigkeiten". Für wichtige Partien in der Heimat brach er sogar auch schon mal den Urlaub einen Tag eher ab. So wie 2013: "Da hatten wir bis Samstag gebucht, doch am Freitagabend spielte der FC Augsfeld gegen den FC Sand – die Eröffnungspartie der Landesliga. Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen."
Warum auch seine Frau unter dem Fußball-Lockdown leidet
Soweit Schobers Theorie und Praxis zu normalen Zeiten. Aber was nun? Wenn er sonst über die Plätze tingelte, sitzt er jetzt im Wohnzimmer, verfolgt den Fußball am Fernseher und liest. Mit "Haßfurter Tagblatt, Süddeutscher und natürlich Kicker", versucht der 63-Jährige trotz Lockdown so viel Fußball wie möglich aufzunehmen – auch bei den täglichen Spaziergängen, die meist zu Begegnungen mit anderen Fußballfans führen, denen es gerade ähnlich geht.
"Leidtragende" des fußballerischen Stillstands ist auch Ehefrau Daniela. "Wir haben über 2500 Bücher zu Hause, meine Frau liest sehr viel und am liebsten im Wohnzimmer." Doch da steht nun mal auch der Fernseher. "Sie weicht dann halt aus ins ehemalige Kinderzimmer", schmunzelt Schober, der für die Mediengruppe Main-Post als Mediaberater arbeitet.
Mittlerweile hat aber auch er die Welt der Bücher für sich entdeckt hat. Zuletzt las er die Ostfriesenkrimis von Klaus-Peter Wolf und Thriller von Sebastian Fitzek. Doch ist das nach wie vor nur ein "Ausweichprogramm", bis es endlich wieder losgeht.
Auch die "dritte Halbzeit" mit der Altherrentruppe fehlt
Selbst aktiv ist Schober zwar auch und kickt bei den Alten Herren des TV Haßfurt. Das muss derzeit aber genauso pausieren wie das Zuschauen. "Und das ist, was fehlt", trauert der 63-Jährige auch der "dritten Halbzeit" mit der Mannschaft im Sportheim ab.
Auch deshalb hofft seine Frau inständig, dass Fußballspiele baldmöglichst wieder angepfiffen werden können. Auch wenn der geplante Urlaub mal wieder ein unerwartetes Ende nehmen könnte: Ihre ruhigen Sonntagnachmittage im heimischen Lesesessel sind das allemal wert.