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Bad Mergentheim
Ein Date mit dem Wolf: Abenteuer-Übernachtung im Wolfswagen im Wildpark Bad Mergentheim
Wildpark mal anders: Viel über Wölfe und noch mehr über sich selbst erfährt man in Bad Mergentheim bei einer Nacht im Tiny House mit Blick auf Europas größtes Wolfsrudel.
Im Wildpark Bad Mergentheim kann man eine Nacht mit den Wölfen verbringen. In einem luxuriösen Wolfswagen mit Panoramafenster erlebt man Wölfe oft auf kurze Distanz.
Foto: Sonja Demmler | Im Wildpark Bad Mergentheim kann man eine Nacht mit den Wölfen verbringen. In einem luxuriösen Wolfswagen mit Panoramafenster erlebt man Wölfe oft auf kurze Distanz.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 23.02.2024 14:51 Uhr

"Heul doch!", sagt Fotografin Sonja Demmler. Letztlich tun wir's beide: Wir jaulen wie Wölfe, singen schaurig-schön die Nacht an, wenn auch nicht den Mond. Denn der ist an diesen Freitagabend hinter dicken Regenwolken versteckt.

Adressat unseres schrägen Geheuls ist der Wald links des Wolfswagens im Wildpark Bad Mergentheim. Jener uneinsehbare Teil des rund zwei Hektar großen Wolfsreviers, der zu diesem Zeitpunkt mutmaßlich 30 kanadische Timberwölfe beherbergt. 

30 Tiere, die – wen wundert's – beharrlich weiter schweigen. Keine Antwort. Stille. Abgesehen vom Lachen einiger Jugendlicher auf dem Zeltplatz in der Ferne. Angestrengt starren unsere Augen in den immer dunkler werdenden Freitagabend. Kein Wolf weit und breit. Zum Heulen!

Seit März 2021 können Gäste im Wildpark Bad Mergentheim im Wolfswagen übernachten

Dreieinhalb Stunden ist es her, dass wir – Fotografin und Redakteurin – aufgeregt-aufgekratzt im Wildpark Bad Mergentheim angereist waren. Gebucht hatten wir die Nacht im Wolfswagen fast ein Jahr im Voraus. Dates mit Wölfen sind heiß begehrt.

Der Wolfswagen im Wildpark Bad Mergentheim: Gemütlich und sehr gepflegt ist die Innenausstattung des Tiny Houses. 
Foto: Sonja Demmler | Der Wolfswagen im Wildpark Bad Mergentheim: Gemütlich und sehr gepflegt ist die Innenausstattung des Tiny Houses. 

Im Tiny House haben wir vom gemütlichen Doppelbett aus durch eine Panoramascheibe freien Blick ins Wolfsgehege. Seit März 2021 gibt es diese Art der Übernachtung. In der Corona-Zeit, erklärt Sabrina Kaluse vom Wildpark, hatten sich Handwerker des Parks eine sinnvolle Beschäftigung gesucht und aus vorhandenem Material eine Unterkunft gezimmert.

"Mega-Erlebnis" und "einmaliges Abenteuer" schreiben Teilnehmer ins Gästebuch

Die neue Übernachtungsform hat die Tierpark-Besucher "begeistert und überwältigt", so Kaluse. 950 Personen haben seither im Wolfswagen genächtigt. In der aktuellen Saison wurde das alte Häuschen durch einen neuen, größeren Wagen ersetzt. Zwei Erwachsene und zwei Kinder kommen nun darin unter.

"Die Tiere so nah und in Ruhe beobachten zu können, war wirklich traumhaft", schreiben frühere Teilnehmer im Gästebuch. Unsere Stimmung hebt das vorerst nicht. Drei Stunden warten wir schon, verschiedene Fotoapparate im Anschlag, auf jenen Gänsehautmoment, wenn das Rudel plötzlich vor einem steht. Vergebens! Kein einziger Wolf, nirgends.

Der Wolfswagen im Wildpark ist mit kleiner Küche, Waschbecken und Bio-Toilette ausgestattet

Etwa ein Sechstel des Wolfsreviers in Bad Mergentheim ist für Tierpark-Besucher einsehbar, der Rest diene den Tieren als Rückzugsort, erläuterte Tierpfleger Philip Föhl bei unserer Ankunft. Zwei Tiere pirschten sich während seiner Erklärungen kurz in unsere Nähe. Kaum blickten wir auf, waren sie verschwunden. Dank diverser Gästebuch-Einträge wissen wir: Dass sich die Wölfe dauerhaft rarmachen, ist definitiv die Ausnahme, nicht die Regel.

Ein leckeres Vesper und ein brennender Außenkamin: Auch ohne Wolfsbegegnung ist die Nacht im Wolfswagen ein Erlebnis.
Foto: Sonja Demmler | Ein leckeres Vesper und ein brennender Außenkamin: Auch ohne Wolfsbegegnung ist die Nacht im Wolfswagen ein Erlebnis.

Ohne die Wolfs-Erwartungen hätten wir die Zeit im und um den Wolfswagen noch intensiver genossen: Das Holz-Tiny-House war mehr als gemütlich, nahezu luxuriös und selbst an kühlen Regentagen durch die Deckenheizung kuschlig warm. Dank Waschbecken und Bio-Toilette kam kein Bedürfnis zu kurz. Im Außenkamin prasselte ein heimeliges Feuer. Das Abend-Picknick aus dem Vesperkorb und einem bis zum Rande bestückten Kühlschrank des Wolfswagens war vorzüglich.

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Was sich Besucher in Bad Mergentheim von einer Übernachtung im Wolfswagen erwarten

Wären, ja wären da nicht diese eigenwilligen Tiere gewesen. Die sich einfach unserem Zugriff entzogen. "Warten können", weiß Naturfotografin Sonja Demmler, "ist eine der wichtigsten Eigenschaften in der Wildtierbeobachtung." Die Natur, sagt sie, hat ihren eigenen Rhythmus.

Eigentlich waren wir ja gerade deshalb gekommen: Um für eine Nacht dem Unberechenbaren Raum zu geben. Trotzdem wär's fein gewesen, hätten sich die Wölfe ein klitzeklein wenig an unser inneres Drehbuch gehalten!

Kleines Trostpflaster: Die echten Wölfe ließen sich lange Zeit nicht blicken. Klein-Wolfi war Redakteurin Ines Renninger tröstender Ersatz. 
Foto: Sonja Demmler | Kleines Trostpflaster: Die echten Wölfe ließen sich lange Zeit nicht blicken. Klein-Wolfi war Redakteurin Ines Renninger tröstender Ersatz. 

Weshalb übernachtet man in einem Wolfswagen? Um einen Blick zu erhaschen aufs vermeintlich Natürliche, Wilde. Um sich ins, wenn auch gezähmte, Abenteuer zu stürzen und den geordneten Alltag ein wenig auszuwildern. Fürs Lebendigfühlen zwischen wohligem Grauen und Faszination. Vor allem aber, um sich dem Wolf – Sympathieträger, Bestie, Heilsbringer, Wildtier, Vorfahr – durch all die Zuschreibungen hindurch ein Stück weit anzunähern, dem Dämonisierten, dem Mystifizierten.

Das Wolfsgeheul dringt durch Mark und Bein und richtet jedes Nackenhaar auf

Dem Abwesenden! Ohne Wolfsrudel-Sichtung dämmerten wir um Mitternacht ein. Kurz vor sechs in der Früh war es plötzlich still. Der Regen pausierte kurz. Vor der Panoramascheibe keine Wölfe, dafür wunderbares Morgenrot. Raus aus den Federn!

Das Heulen von Wölfen ist ein ganz besonderes Erlebnis. Wenn man Glück hat, kann man im Tierpark Bad Mergentheim daran teilhaben. 
Foto: Sonja Demmler | Das Heulen von Wölfen ist ein ganz besonderes Erlebnis. Wenn man Glück hat, kann man im Tierpark Bad Mergentheim daran teilhaben. 

Kaum sind wir draußen, setzt Wolfsgeheul ein, das durch Mark und Bein geht und jedes Nackenhaar aufrichtet. Ein Wolf startet im Crescendo, immer mehr fallen ins chorale Jaulen ein. Manche tiefer, andere höher, dazwischen Quieker, Kläffer, Knurrer. Es sind Töne, die tief im Inneren rühren, die Gewissheit einer Verbundenheit wecken und Kräfte erahnen lassen, die keine Zivilisation in Zaum hält.

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Zwei Minuten später ebbt das Gemeinschafts-Heulen ab. Noch immer hat sich kein Wolf blicken lassen. Dennoch sieht der Wald anders aus.

Als die Wölfe doch noch kommen: Aug in Aug mit kanadischen Timberwölfen

Die Wölfe kommen, als wir nicht mehr warten. Kurz nach acht Uhr am Morgen. Ein letzter Kaffee im Bett, die Heimfahrt im Kopf. Plötzlich stehen sie da. Drei, fünf, immer mehr brechen aus dem Wald, bis sich nahezu das gesamte Rudel trotz strömenden Regens vor dem Wolfswagen tummelt. Begossene Pudel im Dauerregen, deren Kraft und Eleganz fasziniert.

Tierpfleger Philip Föhl und seine Kollegin Martina Emmert bei der offiziellen Fütterrung am Tag nach der Wolfsübernachtung vor dem Wolfswagen.
Foto: Sonja Demmler | Tierpfleger Philip Föhl und seine Kollegin Martina Emmert bei der offiziellen Fütterrung am Tag nach der Wolfsübernachtung vor dem Wolfswagen.

Eigentlich sind die kanadischen Timberwölf in Nordamerika beheimatet, hatte uns Tierpfleger Föhl am Vorabend erzählt. Wegen der großen Beutetiere, die sie dort jagen, leben sie auch in der freien Natur in großen Gruppen. Ideal für einen Tierpark wie Bad Mergentheim, der seinen Besuchern gerne das Sozialverhalten eines Rudels aufzeigen möchte. 

Wie Wölfe miteinander interagieren: Wer ist eigentlich der Leitwolf?

Etwa 30 kanadische Timberwölfe bilden das Rudel im Wildpark Bad Mergentheim. 
Foto: Sonja Demmler | Etwa 30 kanadische Timberwölfe bilden das Rudel im Wildpark Bad Mergentheim. 
Nicht immer ist auf den ersten Blick klar, wer die Leiwölfin und der Leitwolf im Rudel in Bad Mergentheim sind.
Foto: Sonja Demmler | Nicht immer ist auf den ersten Blick klar, wer die Leiwölfin und der Leitwolf im Rudel in Bad Mergentheim sind.

Suchend blicken wir nach Leitwölfin und -wolf. Sie auszumachen, ist schwer. Auch darauf hatte uns Föhl vorbereitet: "Wölfe interagieren durch Laute, Körpersprache, Mimik." Doch die Dynamik sei kompliziert. "Trägt ein Wolf die Rute hocherhoben, zeigt er sich ranghoch", hatte Föhl verraten.

Aber auch, dass man die Leitwölfe nicht immer auf den ersten Blick erkenne. "Besonders, wenn ihre Stellung so gefestigt ist, dass sie das nicht ständig präsentieren müssen." Nicht jeder, der auf Chef mache, sei am Ende Chef, sagte er.

Ein Blick vom Wolf in Bad Mergentheim und das Warten im Wolfswagen hat sich gelohnt

Seit zehn Jahren arbeitet der 30-jährige Föhl mit Wölfen. Spaß mache ihm der Beruf, wenn es gelinge, dem Besucher den Wolf in all seinen Facetten näherzubringen.

Ein Wolf sei weder Bestie noch Unschuldslamm. "Er verhält sich, wie er sich verhält, nach seinem Instinkt. Mehr kann ich von einem Wolf nicht erwarten." Die Tierpfleger seien es, die darauf achten müssten, keine Fehler zu machen. 

Aug in Aug mit einem Wolf: Im Wildpark Bad Mergentheim kann man die Tiere vom Wolfswagen aus in aller Ruhe beobachten. 
Foto: Sonja Demmler | Aug in Aug mit einem Wolf: Im Wildpark Bad Mergentheim kann man die Tiere vom Wolfswagen aus in aller Ruhe beobachten. 

Vor der Panoramascheibe traben die Tiere auf und ab.  Die Futterzeit rückt näher. Einer steht still. Blickt geduckten Kopfes, mit gespitzten Ohren aufmerksam Richtung Wolfswagen. Schaut er in den Wagen, in den Menschen? Orange Augen treffen braune. Sekunden? Minuten? Ein Wimpernschlag der Ewigkeit, das Warten hat sich gelohnt.

Für die aktuelle Saison ist der Wolfswagen im Wildpark Bad Mergentheim komplett ausgebucht. Die Termine für Buchungen für die Sommersaison kommendes Jahr werden nach der Open-Air-Kinowoche im Tierpark (14. bis 21. August) veröffentlicht. Zwischen 310 und 350 Euro kostet das tierische Erlebnis für bis zu zwei Erwachsene und zwei Kinder inklusive Abendessen, Frühstück und Tierpark-Eintritt am Folgetag. Weitere Infos unter www.wildtierpark.de.

Die Autorin über die Recherche

Ines Renninger
Foto: Christoph Weiss | Ines Renninger
Ich bin gerne im Wald unterwegs. Wenn's hier und da knackt, denke ich manchmal an den Wolf. Wenn auch deutlich seltener als ans Wildschwein! Dabei wäre es wohl ein großes Glück, auch nur den Hauch eines wilden Wolfes zu vernehmen, so selten sind menschliche Zusammentreffen mit den scheuen Tieren in freier Natur. Beruhigend und ein wenig bedauerlich.
Als eines meiner Kinder vergangenes Jahr ein Wolfsreferat halten sollte, fuhren wir erstmals in den Wildpark Bad Mergentheim. Der Wolfswagen hat mich sofort fasziniert. Meiner früheren Kollegin und Freundin, Naturfotografin Sonja Demmler, ging es wenige Wochen später ähnlich. Gemeinsam buchten wir eine Wolfs-Übernachtung.
Erst kurz vor der Anreise kam uns die Idee, dieses private Abenteuer für die Main-Post zu verwerten. Fotografin und Redakteurin vor Ort, da musste man doch was draus machen! Größte Herausforderung für mich als Journalistin: Die Wölfe walten lassen. Das Heft des Handelns aus der Hand geben, um am Ende zu erkennen: Die Natur schreibt ihre eigenen Geschichten.
 
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