
Dass die Sonnenblume von diesem einen Feld das letzte Bild werden würde, wusste René Greiner schon, als sie noch gar nicht blühte. Er erinnert sich gut. Die ersten Aufnahmen seiner Serie "Botanica" machte er Ende April 2022, daheim in Bad Kissingen.
Mit seiner kleinen Tochter war er im Kurgarten unterwegs, und auf den Wegen entlang der Fränkischen Saale. Es war Frühling. Die Magnolien blühten, die japanische Blütenkirsche stand schon bald in voller Pracht. Und kurz zuvor erst hatte Greiner sich einen Bildband mit Pflanzenaufnahmen von Ansel Adams gekauft.
Diese Nahaufnahmen von Pflanzen. Allein dieses eine Bild "Leaves" von 1931. Nichts als Blätter und Farn – und pure Schönheit. "Dieses Foto", sagt René Greiner, "war der Anstoß."
Anstoß und die Inspiration, selbst einen Frühsommer lang Pflanzen zu fotografieren. Nicht in der Ferne, nicht in US-Nationalparks wie Adams. Sondern Bäume, Blumen, Sträucher direkt vor der Haustür. Und alle in Schwarzweiß.



Greiner fotografiert seit seiner Kindheit. Er wuchs auf im Thüringer Wald. Die beiden Großväter fotografierten, der Enkel tat es ihnen mit der eigenen Kamera gleich. Blumen und Insekten im Garten, Landschaften, Sonnenuntergänge. "Die Klassiker", sagt der 40-Jährige heute. Die Begeisterung für die Natur, die Biologie ließ ihn fotografisch auch während des Psychologiestudiums in Würzburg nicht los. Und nicht, als er beruflich vor zehn Jahren nach Bad Kissingen an die Heiligenfeld Kliniken ging.

Botanik in Schwarzweiß? "Ich schaue Schwarzweißbilder viel lieber an als Farbbilder", sagt Greiner. Wenn er heute an seinem Wohnort unterwegs ist, beim Gang durch die Stadt ein Motiv entdeckt, das ihn bildlich interessiert – "dann habe ich eine innere Idee davon, wie es in Schwarzweiß aussieht".
Schwarzweiß-Aufnahmen – für Greiner sind sie schlicht aussagekräftiger, ausdrucksstärker als Bilder in Farbe. Als Fotograf müsse man sich entscheiden. Entweder, oder. "Mein Kamerabildschirm steht in der Regel immer auf Schwarzweiß."
Nicht, dass der 40-Jährige nicht auch mal in Farbe fotografieren würde, einen Zauberwald zum Beispiel. Den Himmel. Nicht, dass er nicht auch mal bei Hochzeiten im Einsatz ist, gerne Frauenporträts macht. Aber seine Begeisterung gilt Schwarzweiß. Gilt der Konzentration auf Natur. Wie neulich, auf Reisen an der norwegischen Küste. Eine Serie mit Meeresaufnahmen entstand dort, in Schwarzweiß. "Ich liebe die schönen Grautöne, die Übergänge vom Dunklen ins Helle."
Und so wuchs auch dank der Inspiration der Blätter von Ansel Adams im vergangenen Jahr die Serie "Botanica" in würdevoll-schlichter Farblosigkeit. 40 Aufnahmen, entstanden in und um Bad Kissingen und im Botanischen Garten der Universität Würzburg.



Zwei Tage war er hier über Christi Himmelfahrt bei den Palmen, Kakteen, der großen Agave in der Abteilung Nordamerikanische Prärie. "Ein kleiner Urlaub." Dass es in Würzburg einen Botanischen Garten gibt, habe er während des Studiums hier gar nicht gewusst, sagt Greiner, fast entschuldigend. Seine Frau gab ihm den Tipp, als er auf der Suche nach exotischen Pflanzen war und eigentlich nach Frankfurt in die Tropenhäuser wollte.



Gelb-rote Taglilie und Antarktischer Baumfarn, Sibirische Fiederspiere und Pfingstrosen. Der Fotograf sucht die Schönheit in den Strukturen, stellt im Hochformat die besonderen Merkmale heraus. "Ich habe überall besondere Motive entdeckt", sagt Greiner. Man nehme Pflanzen gemeinhin als völlig alltäglich, als gegeben hin. "Dabei sind sie so vielgestaltig, abwechslungsreich und einzigartig." Sträucher, Blätter, mit Tau besprenkelt oder im grellen Sonnenlicht mit harten Schatten – "dieses Sehen hat mich total erfüllt".
Und auf all den fotografischen Spaziergängen zu Bäumen und Blumen im Kurpark hatte er für sich die innere Regel: "Die Sonnenblume wird das letzte Bild sein."

Ausstellung: Ein Dutzend ausgewählter Aufnahmen von "Botanica" in DIN A3 zeigt René Greiner bis Mitte August dort, wo ein Teil entstanden ist: im Botanischen Garten der Uni Würzburg am Dallenberg. Zu sehen ist die kleine Ausstellung im Foyer der Tropenschauhäuser. Der Garten hat täglich geöffnet von 8 bis 18 Uhr, Einritt frei. Mehr zum Fotografen und zur Serie: www.renegreinerfotografie.com/botanica