
Claudia Stamm hat wieder Lust auf Politik. Nach herausfordernden Jahren nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Hans-Jürgen Staudt im Sommer 2018 fühlt sich die frühere Landtagsabgeordnete der Grünen bereit für neue Aufgaben. Nach mehreren politischen Brüchen überrascht die 52-jährige Mutter von zwei Kindern beim Interview in München mit der Aussage, sich auch eine Kandidatur für die CSU vorstellen zu können. Die Partei ihrer im Herbst verstorbenen Mutter Barbara Stamm – und jene Partei, die sie oft und scharf kritisierte.
Ein Gespräch über die riesige Anteilnahme am Tod der Mutter, Tränen beim Beantworten der Kondolenzschreiben und ihre politischen Ambitionen.
Claudia Stamm: Mein Vater, meine Geschwister, wir als Familie waren überwältigt von der Wertschätzung. Es waren rund 1000 Briefe, die bei uns ankamen. Das Beantworten war und ist wahnsinnig zeitintensiv. Wir haben uns die Post aufgeteilt, sind aber alle an Grenzen gekommen. Bevor wir antworten, lesen wir den Brief natürlich. Fast alle Zuschriften waren sehr ausführlich, oft sehr persönlich, immer wieder gespickt mit Anekdoten und Erlebnissen. Da ist öfter eine Träne gekullert, und manchmal saß ich auch am Schreibtisch und habe richtig geweint.
Stamm: Es war sehr viel wahnsinnig schöne Post dabei. Mein ehemaliger Landtagskollege Thomas Goppel von der CSU hat zum Beispiel unserer Familie so berührend geschrieben, dass ich geweint habe. Dann hat er auch noch mir persönlich einen Brief geschickt und Bezug auf meine Rede genommen. Daraufhin habe ich ihm geantwortet, und jetzt ist fast so etwas wie eine Brieffreundschaft entstanden von zweien, die sich im Landtag früher nicht viel zu sagen hatten.

Stamm: Mein Vater hat sich auch gefreut über die Post der hohen Prominenz, er ist beispielsweise sehr stolz auf einen zweiseitigen, handgeschriebenen Brief von Angela Merkel. Es berührt mich, dass mein Vater so Anteil nimmt, weil er sich fast das ganze politische Leben meiner Mutter zurückgehalten hat. Er hat für sie Wahlkampf gemacht, er hat Plakate geklebt, ist aber sonst im Hintergrund geblieben. Er war niemals bei der Fastnacht in Veitshöchheim, er war nicht beim Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten. Eine Ausnahme machte er beim Sommerempfang des Landtags, wo er neben meiner Mutter tapfer tausende von Händen geschüttelt hat. Merkels Brief bedeutet ihm viel. Wir haben ihr sehr persönlich geantwortet und mitgeteilt, wie sehr sie uns gerührt hat.
Stamm: Ja, es gab viele, viele Anekdoten und Geschichten über meine Mutter. Ich hab zum Beispiel bei einem Schreiben der Johanniter Würzburg geweint, weil dort so eindrücklich beschrieben stand, wie sehr sich meine Mutter der Menschen und der Dinge angenommen und geholfen hat.
Stamm: Wenn meine große Tochter neben mir mich nicht unterstützt und ich nicht Bachblütendrops gelutscht hätte, hätte ich es vermutlich nicht geschafft. Für mich war klar: Die Familie muss auch beim Staatsakt eine Rolle spielen. Wir haben in der Familie darüber diskutiert, wer redet. Übrig blieb ich. Es war mir aber auch wichtig, im Auftrag meiner Mutter eine Botschaft zu senden.

Stamm: Die haben mich sehr überrascht. Es war Wahnsinn. Ich erhielt enorm viel positive Resonanz und werde jetzt immer noch darauf angesprochen. Wir begleiteten die letzte Woche meine Mutter intensiv. Sie konnte nicht mehr, sie wollte nicht mehr. Sie hatte wahnsinnige Schmerzen. Ich hatte am Krankenbett bereits die Zeit darüber nachzudenken, wie man mit diesem Staatsakt umgehen kann. Zwischen Tod und Beerdigung hatte ich Geburtstag und gespürt, wie sehr ich vermisse, dass sie als eine der ersten gratuliert. Denn wenn es ging, war sie an den Geburtstagen ihrer Kinder immer da, egal wo wir gefeiert haben. Ich erinnere mich daran, wie sie mal mit uns in Berlin-Neukölln in unserer WG-Küche saß. Nur an meinem 18. Geburtstag konnte sie nicht. Da war sie in München rund um die Beerdigung von Franz-Josef Strauß.
Stamm: Nicht nur dort. Insgesamt wurden um die 13.000 gedruckt. Manchmal hatte ich das Gefühl, ihre Sterbebildchen wurden wie Heiligenbildchen gehandelt.
Stamm: Wir haben uns aufgeteilt, damit mein Vater immer Gesellschaft hat. Erst war mein Bruder da, meine Schwester wohnt ja in Würzburg und dann sind meine Töchter und ich aus München gekommen. Eine Regelmäßigkeit hatten wir früher nicht. Einmal haben wir als Großfamilie auf unserer Bergbauernhütte in Tirol gemeinsam Weihnachten gefeiert, das war sehr schön.
Stamm: Ich bin überhaupt keine Grabgängerin. Ich habe bei meinem verstorbenen Mann schon gemerkt, dass ich diesen Ort nicht brauche. Mir bedeutet ein Foto, eine Erinnerung mehr. Neulich war ich zum ersten Mal seit langem wieder mal beim Basketball des FC Bayern. Das hat Erinnerungen daran geweckt, dass ich früher oft mit meiner Mutter bei großen Fußballspielen war. Sie war totaler Bayern-Fan, was sie allerdings abstreiten würde, wenn sie noch leben würde. Ich saß also da auf der Tribüne beim Basketball und hatte plötzlich einen so traurigen Moment, weil ich diese Atmosphäre und Stadionerlebnisse eng mit meiner Mutter verknüpfe.
Stamm: Maria Bildhausen soll eine Art Tankstelle für Körper, Geist und Seele für hauptamtliche und ehrenamtliche Pflegende werden. Dieser Ort soll "Akademie Barbara Stamm" heißen, was uns als Familie sehr freut. Ich bin da in die Arbeit eingebunden, gerade sind wir mit einer Agentur dabei, ein Markenbild für die Akademie zu entwickeln. Zumindest in Teilbetrieb soll das Projekt bereits in diesem Jahr gehen. Einer der Aufträge meiner Mutter vor ihrem Tod war dafür zu sorgen, dass Ministerpräsident Markus Söder die Schirmherrschaft übernimmt. Seine Zusage konnte ich ihr noch übermitteln.
Stamm: Aus dem Bauch heraus sehr gerne. Es wird einen Beirat geben. Ich muss aber schauen, wie meine Kapazitäten sind und ob es von Akademie-Seite den Wunsch danach gibt. Ein anderes, für mich sehr wichtiges Projekt ist die Kinderhilfe Rumänien, weil ich meine Mutter oft dorthin begleitet habe. Das waren schreckliche und sehr eindrückliche Erlebnisse. Dort habe ich bereits zugesagt, dass ich im Kuratorium mitarbeite.
Stamm: Bereits zu Zeiten meines Austritts habe ich gesagt, dass es immer wichtiger ist, Menschen und nicht Parteien zu unterstützten. Hans Ritt war ein Freund meiner Mutter, wir kennen uns daher. Als er im vergangenen Jahr in den Landtag nachgerückt ist, kam er auf die Idee, mich zu fragen. Ich recherchiere Themen, schreibe Reden, formuliere Pressemitteilungen oder auch mal einen Antrag.
Stamm: Wieso? Das sieht man doch aktuell: Egal, ob ich von Lützerath oder von Waffenlieferungen rede. Von grüner Politik, wegen der ich eingetreten bin, ist nichts mehr da.
Stamm: (lacht) Also, die CSU bekämpfen, das wäre doch schon schwierig gewesen, immerhin ist meine Mutter eine wichtige Person der CSU gewesen. Es ging mir immer um die Themen, da hab ich hart gerungen oder auch gestritten, für etwas gekämpft. Hans Ritt ist ein total kritischer Geist, der auch Positionen in der eigenen Partei hinterfragt und der sich beispielsweise klar gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hat. Seine Position ist da viel klarer als meine. Mir hat in dieser Frage vollkommen der gesellschaftliche Diskurs gefehlt. Was nicht geht, ist dieses Narrativ des Normalen in Bezug auf Rüstung und Krieg. Wenn ich als Überschrift lese, dass die Rüstungsindustrie noch nicht in Champagnerlaune ist. Das ist doch nur daneben. Ich will überhaupt nicht, dass die in Champagnerlaune ist. Waffen verursachen immer Unglück oder Tote.
Stamm: Bei dem Ausstieg hat der plötzliche Tod meines Mannes Hajü eine große Rolle gespielt. Er wurde im Sommer 2018 mitten aus dem Leben gerissen. Und ich stand da mit dem Schmerz und zwei schulpflichtigen Kindern. Sie waren das Wichtigste, ich musste mit meiner Energie haushalten. Natürlich bin ich ein wahnsinnig politisch denkender Mensch, der, geprägt durch meine Mutter, immer versucht, gegen Ungerechtigkeiten anzugehen. Das hat sie mir immer vorgelebt. Deshalb kann ich mir eine Rückkehr in die Politik sehr gut vorstellen, wenn es eine neue Herausforderung gibt. Die könnte auch auf kommunaler Ebene liegen.
Stamm: Ja. Ich könnte mir aber auch vorstellen, mit einer Aufgabe betreut zu werden, bei der der Schwerpunkt in der Gleichstellungs- oder Sozialpolitik liegt.

Stamm: Das ist mir bewusst, ich bin ja nicht naiv. Aber der Name Stamm – sprich der Name meiner Mutter – zieht nicht nur in Unterfranken, vielleicht nach ihrem Tod und all den Würdigungen nochmal mehr. Aber unabhängig davon, glaube ich, dass ich mir durch meine eigene Arbeit im Landtag auch einen Namen gemacht habe. Dieses Feedback habe ich immer wieder von Ex-Kolleginnen und -Kollegen aus dem Landtag wie auch von Vertretern wichtiger Institutionen bekommen.
Stamm: Ja. Es ist richtig, dass mich eine Partei oder für ein kommunales Amt mehrere Listen aufstellen müssten. Da hätte ich kein Problem damit. Es muss halt passen.
Stamm: Ja. Man sieht doch auf kommunaler Ebene, dass das Parteibuch nicht ausschlaggebend ist. Der Würzburger OB Christian Schuchardt beispielsweise ist auch kein CSU-Mitglied. Kommunalpolitik hat doch in erster Linie mit der Stadt, dem Dorf, dem Kreis zu tun und am wenigsten mit der Partei. Von daher: Man muss bei dem, was zu beschließen, zu gestalten ist, immer Mehrheiten suchen und mit Sachpolitik überzeugen.
Stamm: Sie hat ja noch mitbekommen, dass ich für Hans Ritt arbeite. Da hat sie gelacht und den Leuten gesagt: "Ich kann nichts dafür!"
Stamm: (lacht) Ach, Sie meinen als Geburtstagsgeschenk an mich? Hm, ich denke für die CSU ist der Jahrestag der Beerdigung von FJS wichtiger.

Stamm: Wir haben eine Einladung und meine Schwester und ich haben vor hinzugehen. Wir sind uns aber nicht sicher, ob wir es emotional schaffen, weil ich weiß, dass sich die Künstlerinnen und Künstler einiges für meine Mutter haben einfallen lassen. Da werden sicher Tränen fließen.
Soll jetzt "aktiv" die Main-Post mit solchen riesigen Interviews mithelfen, mit dem bekannten Namen wieder in der Politik Fuß zu fassen. Nein - seinen Namen muss man sich ordentlich verdienen und nicht zur tragen. Auf keinen Fall sollte sie den "Stamm-Platz" beim Fasching in Veitshöchheim einnehmen. Den hat sie noch nicht verdient und Würdigungen für die Mutter sollten auch nicht bei ihr landen. Wer aber jetzt schon wieder mal "aktiv" für CSU-Abgeordnete tätig ist, wird sicherlich auch einen "Stammplatz" in den vorderen Listenplätzen erhalten. Das ist man der Tochter einer so großen CSU-Politikerin doch schuldig. Der Aufnahmeantrag in die Partei ist bei solch wechselfreudigen Personen auch schnell unterschrieben.
Nein, danke.
Im Sport nennt man sowas “Vereinswechsel“
Nein, sie sollte sich einfach auf das konzentrieren wo sie kann und das ist für mich ihr "Beruf"!
Sie hatte ein tolle Mutter, aber diese Gabe kannst nicht jeden vererben!
Gute Politiker hatten wir schon seit 50 Jahren nicht mehr, wo einfach "Rückrad-" für die Zukunft hatten!
Wenn sie dafür das Zeug hätte, würde ich sagen "toll" gefällt mir. Aber ich denke:"Schusterin bleibe bei deinen Leisten?"
Schaun wir mal…
Dieses liebäugeln mit der Politik kann ich aber aus ihrer Sicht nicht nachvollziehen. Sie hat die geänderte Sichtweise der Gründen bemängelt die mit ihrer Sichtweise nicht bzw. nicht mehr übereinstimmt. Vermutlich hat sie genau deswegen erfolglos ihre eigene Partei gegründet. Nun möchte sie sich evtl. einer weiteren Partei anschließen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dort glücklich wird. Eine Partei die 100% die eigene Meinung vertritt wird es nicht geben. Jenes scheint Claudia Stamm aber wichtig zu sein wenn man ihre Aussagen liest.